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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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nen ergab und somit die ungeschmälerte Ausführung sicherte. Nun handelte
es sich noch darum, eine geeignete Persönlichkeit für den zu creirenden Bischofs¬
stuhl ausfindig zu machen, was keine leichte Aufgabe war. Der Erste, an
den das Publikum hätte denken mögen, der Märtyrer der russischen Sache in
Jerusalem, Archimandrit Porphyrius, wurde von vornherein verworfen. Er
hatte sich ja schlecht mit den Griechen gestanden, und diese würden sich seine
Wahl aus einer Gereiztheit des Petersburger Cabinets erklärt haben. Dies
aber wollte nicht abstoßen, sondern gewinnen und zugleich imponiren.
Die Zahl der Individuen, welche überhaupt in Frage kommen konnten, war
der Natur der Sache nach eine beschränkte, und als die mit mehreren hohen
Geistlichen angeknüpften Verhandlungen bald an dem, bald an jenem Punkte
scheiterten, befand man sich in einiger Verlegenheit. Die von Jerusalem ein¬
laufenden traurigen Nachrichten drängten indessen zu einem Entschlüsse, und
so entschied man sich für einen jungen Mann, welcher sich bei angenehmem
Aeußern ebenso sehr durch ccclcsiastische Gelehrsamkeit, wie durch gesellige For¬
men hervorgethan und durch diese Eigenschaften bereits die zweite Würde,
die eines Jnspectors, in der geistlichen Akademie von Se. Petersburg gewon¬
nen hatte, den jetzigen Bischof zu Jerusalem Mgr. Cyrillus.
'

Im Monat Februar 1858 traf dieser mit seinen Diakonen und Chor¬
sängern, escortirt von dem Generalconsul zu Beirut und andern Cvnsularchar-
gen Syriens in Palästina ein. In Jerusalem erregte das Auftreten der
"geistlichen Mission" die größte Sensation; der Eindruck aber, den der junge
Prälat machte, war ein sehr günstiger. Die Häupter der sämmtlichen in der
heiligen Stadt vertretenen Confessionen beeilte er sich aufzusuchen und ent¬
zückte sie durch freimüthige, von der Vornehmthuerei des national griechischen
Klerus weit abstechende Leutseligkeit. Sogar dieser letztere schien durch die
gewinnende Persönlichkeit aus dem Geleise gerissen, -- wenigstens machte er
gute Miene zu bösem Spiel, und den Beschwerden wegen der Behandlung
der russischen Pilger wurde mit unglaublicher Schnelligkeit abgeholfen. Ließ
sich ja doch die Hersendung eines Delegirten der Synode nicht hindern; --
man hatte es gewissermaßen als einen Triumph zu betrachten, daß nicht der
verhaßte Porphyrius, sondern Cyrill zu der Stellung erkoren worden!

Gleichwol vermochte die Liebenswürdigkeit der Person das Widerwärtige
der in ihr verkörperten Sache nicht aufzuheben, und dieser Sache gegenüber
blieb die Stellung der griechischen Geistlichkeit unverändert. Die Russen, so
argumentirtc man, bringen, wenn sie sich selbständig in Jerusalem einrichten,
eine Zweiheit in die Vertretung der Orthodoxie am heiligen Grabe, welche eine
Spoliation des griechischen Patriarchats nach sich ziehen muß. Der Einkünfte
zu geschweige", welche das letztere immer aus den frommen Widmungen des
russischen Volks bezog, und welche nunmehr größtentheils das Bisthum an


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nen ergab und somit die ungeschmälerte Ausführung sicherte. Nun handelte
es sich noch darum, eine geeignete Persönlichkeit für den zu creirenden Bischofs¬
stuhl ausfindig zu machen, was keine leichte Aufgabe war. Der Erste, an
den das Publikum hätte denken mögen, der Märtyrer der russischen Sache in
Jerusalem, Archimandrit Porphyrius, wurde von vornherein verworfen. Er
hatte sich ja schlecht mit den Griechen gestanden, und diese würden sich seine
Wahl aus einer Gereiztheit des Petersburger Cabinets erklärt haben. Dies
aber wollte nicht abstoßen, sondern gewinnen und zugleich imponiren.
Die Zahl der Individuen, welche überhaupt in Frage kommen konnten, war
der Natur der Sache nach eine beschränkte, und als die mit mehreren hohen
Geistlichen angeknüpften Verhandlungen bald an dem, bald an jenem Punkte
scheiterten, befand man sich in einiger Verlegenheit. Die von Jerusalem ein¬
laufenden traurigen Nachrichten drängten indessen zu einem Entschlüsse, und
so entschied man sich für einen jungen Mann, welcher sich bei angenehmem
Aeußern ebenso sehr durch ccclcsiastische Gelehrsamkeit, wie durch gesellige For¬
men hervorgethan und durch diese Eigenschaften bereits die zweite Würde,
die eines Jnspectors, in der geistlichen Akademie von Se. Petersburg gewon¬
nen hatte, den jetzigen Bischof zu Jerusalem Mgr. Cyrillus.
'

Im Monat Februar 1858 traf dieser mit seinen Diakonen und Chor¬
sängern, escortirt von dem Generalconsul zu Beirut und andern Cvnsularchar-
gen Syriens in Palästina ein. In Jerusalem erregte das Auftreten der
„geistlichen Mission" die größte Sensation; der Eindruck aber, den der junge
Prälat machte, war ein sehr günstiger. Die Häupter der sämmtlichen in der
heiligen Stadt vertretenen Confessionen beeilte er sich aufzusuchen und ent¬
zückte sie durch freimüthige, von der Vornehmthuerei des national griechischen
Klerus weit abstechende Leutseligkeit. Sogar dieser letztere schien durch die
gewinnende Persönlichkeit aus dem Geleise gerissen, — wenigstens machte er
gute Miene zu bösem Spiel, und den Beschwerden wegen der Behandlung
der russischen Pilger wurde mit unglaublicher Schnelligkeit abgeholfen. Ließ
sich ja doch die Hersendung eines Delegirten der Synode nicht hindern; —
man hatte es gewissermaßen als einen Triumph zu betrachten, daß nicht der
verhaßte Porphyrius, sondern Cyrill zu der Stellung erkoren worden!

Gleichwol vermochte die Liebenswürdigkeit der Person das Widerwärtige
der in ihr verkörperten Sache nicht aufzuheben, und dieser Sache gegenüber
blieb die Stellung der griechischen Geistlichkeit unverändert. Die Russen, so
argumentirtc man, bringen, wenn sie sich selbständig in Jerusalem einrichten,
eine Zweiheit in die Vertretung der Orthodoxie am heiligen Grabe, welche eine
Spoliation des griechischen Patriarchats nach sich ziehen muß. Der Einkünfte
zu geschweige», welche das letztere immer aus den frommen Widmungen des
russischen Volks bezog, und welche nunmehr größtentheils das Bisthum an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/263>, abgerufen am 25.07.2024.