Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.gab und daß sich doch jene Entscheidung gar nicht anders erklären läßt, als Jetzt aber kamen die Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges über So lange man nach dein Systeme der Dreifelderwirtschaft seine Aecker gab und daß sich doch jene Entscheidung gar nicht anders erklären läßt, als Jetzt aber kamen die Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges über So lange man nach dein Systeme der Dreifelderwirtschaft seine Aecker <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110046"/> <p xml:id="ID_674" prev="#ID_673"> gab und daß sich doch jene Entscheidung gar nicht anders erklären läßt, als<lb/> daß es solche zur Zeit, wo dieselbe gefaßt wurde, gegeben haben müsse. Von<lb/> Bauern, welche schon leibeigen waren, konnte man unmöglich besorgen, daß<lb/> sie den freien Besitz jemals in Anspruch nehmen würden, wozu ihnen überdies<lb/> die Macht fehlte. Wie dem aber auch sei. jener auf dem Landtage zu Gü-<lb/> strow gefaßte Beschluß wurde 1621 von den Landesherren sanctionirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_675"> Jetzt aber kamen die Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges über<lb/> Mecklenburgs Ganze Dorfschaften wurden vernichtet, die Einwohner fortge¬<lb/> schleppt oder getötet; als der Friede geschlossen wurde, fanden sich weite<lb/> Gegenden, zumal in der östlichen Hälfte des Landes, von Bewohnern ent¬<lb/> blößt. Die verlassenen Bauerhufen wurden nun zu den Rittergütern eingezo¬<lb/> gen, welche sich zu ihrer heutigen Größe ausbildeten. Dabei wurde der<lb/> Menschenmangel wieder fühlbar; die Grundbesitzer riefen fremde Ackerbauer<lb/> herbei und gaben diesen wieder Baucrhufen gegen Frohndienste aus. Hier¬<lb/> aus bildete sich ganz regelrecht das spätere und jetzige Verhältniß; daß dabei<lb/> einzelne Bauern, die es noch hie und da auf freien Hufen gab, gedrückt wur¬<lb/> den, mag wol sein, im Allgemeinen entwickelten sich die Verhältnisse zeitge¬<lb/> mäß und dürfen nicht mit den frühern vermischt werden, wie sie denn<lb/> auch mit dem erwähnten Landtagsbeschlusse von 1607 nicht mehr gemein<lb/> haben, als daß sie vielleicht einige mit der Rechtlosigkeit der Zeit erklärliche<lb/> Gewaltthätigkeiten zur' Folge hatten. Es ist nicht von Nutzen, wenn man<lb/> hier über das historisch Beglaubigte hinausgeht. Denn es liegt auf der<lb/> Hand, daß die Bauern jetzt nicht in ihre Hufen eingesetzt wurden, um diese<lb/> zu bewirthschaften, sondern um des Frohndienstes wegen. Dieser lehrt es so¬<lb/> fort, denn es mußten nun die Bauern die Hofäcker bestellen (den Hofoienst<lb/> verrichten), die Ernte besorgen, dreschen u. s. w. Ein Vollbauer leistete<lb/> beispielsweise wöchentlich 6 Hacken- (Pflug-) Tage und lieferte einen, in der<lb/> Ernte zwei Handdienste, ein Halbbnuer die Hälfte dieser Frohnde u. s. w.<lb/> Die Frauen mußten im Winter eine Quantität Flachs spinnen. Diese<lb/> Frohnde stellte jedoch nur die' Gewohnheit fest, principiell herrschte die An¬<lb/> nahme, daß die Bauerudienste inäetermins-ti (ungemessene) seien, deren Be¬<lb/> stimmung in der Hand des Herrn lag. Statt der Dienstleistung konnte der¬<lb/> selbe indessen auch nach seinem Belieben eine jährliche Geldabgabe fordern.</p><lb/> <p xml:id="ID_676" next="#ID_677"> So lange man nach dein Systeme der Dreifelderwirtschaft seine Aecker<lb/> bestellte, blieb die Lage der Bauern ungestört. Als aber im ,18. Jahrhunderte<lb/> die sogenannte Koppelwirthschaft sich einbürgerte und man die Ackerfläche in<lb/> die doppelte und dreifach.» Anzahl von Schlägen theilen mußte, hatte man sich<lb/> einmal an die großen Felder gewöhnt, bedürfte auch für den erweiterten Futter-<lb/> bau größere Flächen, hatte schon den Vortheil der Tagelöhner- vor dem der<lb/> Bauernarbeit erkannt und strebte ans allen diesen Gründen dahin, die Bauern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
gab und daß sich doch jene Entscheidung gar nicht anders erklären läßt, als
daß es solche zur Zeit, wo dieselbe gefaßt wurde, gegeben haben müsse. Von
Bauern, welche schon leibeigen waren, konnte man unmöglich besorgen, daß
sie den freien Besitz jemals in Anspruch nehmen würden, wozu ihnen überdies
die Macht fehlte. Wie dem aber auch sei. jener auf dem Landtage zu Gü-
strow gefaßte Beschluß wurde 1621 von den Landesherren sanctionirt.
Jetzt aber kamen die Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges über
Mecklenburgs Ganze Dorfschaften wurden vernichtet, die Einwohner fortge¬
schleppt oder getötet; als der Friede geschlossen wurde, fanden sich weite
Gegenden, zumal in der östlichen Hälfte des Landes, von Bewohnern ent¬
blößt. Die verlassenen Bauerhufen wurden nun zu den Rittergütern eingezo¬
gen, welche sich zu ihrer heutigen Größe ausbildeten. Dabei wurde der
Menschenmangel wieder fühlbar; die Grundbesitzer riefen fremde Ackerbauer
herbei und gaben diesen wieder Baucrhufen gegen Frohndienste aus. Hier¬
aus bildete sich ganz regelrecht das spätere und jetzige Verhältniß; daß dabei
einzelne Bauern, die es noch hie und da auf freien Hufen gab, gedrückt wur¬
den, mag wol sein, im Allgemeinen entwickelten sich die Verhältnisse zeitge¬
mäß und dürfen nicht mit den frühern vermischt werden, wie sie denn
auch mit dem erwähnten Landtagsbeschlusse von 1607 nicht mehr gemein
haben, als daß sie vielleicht einige mit der Rechtlosigkeit der Zeit erklärliche
Gewaltthätigkeiten zur' Folge hatten. Es ist nicht von Nutzen, wenn man
hier über das historisch Beglaubigte hinausgeht. Denn es liegt auf der
Hand, daß die Bauern jetzt nicht in ihre Hufen eingesetzt wurden, um diese
zu bewirthschaften, sondern um des Frohndienstes wegen. Dieser lehrt es so¬
fort, denn es mußten nun die Bauern die Hofäcker bestellen (den Hofoienst
verrichten), die Ernte besorgen, dreschen u. s. w. Ein Vollbauer leistete
beispielsweise wöchentlich 6 Hacken- (Pflug-) Tage und lieferte einen, in der
Ernte zwei Handdienste, ein Halbbnuer die Hälfte dieser Frohnde u. s. w.
Die Frauen mußten im Winter eine Quantität Flachs spinnen. Diese
Frohnde stellte jedoch nur die' Gewohnheit fest, principiell herrschte die An¬
nahme, daß die Bauerudienste inäetermins-ti (ungemessene) seien, deren Be¬
stimmung in der Hand des Herrn lag. Statt der Dienstleistung konnte der¬
selbe indessen auch nach seinem Belieben eine jährliche Geldabgabe fordern.
So lange man nach dein Systeme der Dreifelderwirtschaft seine Aecker
bestellte, blieb die Lage der Bauern ungestört. Als aber im ,18. Jahrhunderte
die sogenannte Koppelwirthschaft sich einbürgerte und man die Ackerfläche in
die doppelte und dreifach.» Anzahl von Schlägen theilen mußte, hatte man sich
einmal an die großen Felder gewöhnt, bedürfte auch für den erweiterten Futter-
bau größere Flächen, hatte schon den Vortheil der Tagelöhner- vor dem der
Bauernarbeit erkannt und strebte ans allen diesen Gründen dahin, die Bauern
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