Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.cierstellen, auch die Töchter, gut ausgestattet, vergrößerten den Kreis seiner 1*
cierstellen, auch die Töchter, gut ausgestattet, vergrößerten den Kreis seiner 1*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109821"/> <p xml:id="ID_8" prev="#ID_7" next="#ID_9"> cierstellen, auch die Töchter, gut ausgestattet, vergrößerten den Kreis seiner<lb/> „Freunde". Der Gutsherr hatte wol selbst im Heere gedient, ein Reise nach<lb/> Frankreich oder Holland gemacht und von dort eine Anzahl Curiositüten mit¬<lb/> gebracht, Waffen und gemaltes Geräth asiatischer Völker, ein ausgeblasenes<lb/> Straußenei, polirte Muscheln, künstlich geschnittene Kirschkerne und gemalte<lb/> Töpfe, oder marmorne Gliedmaßen, die in Italien aus der Erde gegraben<lb/> waren. Er hat vielleicht irgendwo einem Gelehrten seine Bekanntschaft ge¬<lb/> gönnt und erhält von Zeit zu Zeit eine dickleibige juristische Abhandlung oder<lb/> gar einen Band Gedichte mit respectvollcm Schreiben zugesandt. Ja er hält<lb/> mit einigen andern Kavalieren von Education um gutes Geld eine geschrie¬<lb/> bene Zeitung, welche ein wohlunterrichteter Mann in der Hauptstadt unter<lb/> der Hand an zahlungsfähige Abnehmer sendet; denn es widersteht ihm. nur<lb/> die „gewöhnliche, ungründliche Schmiererei" der gedruckten Zeitungen zu lesen.<lb/> Er spricht etwas französisch, vielleicht auch italienisch, und wenn er aus Uni¬<lb/> versitäten gewesen ist, was nicht zu häufig geschah, vermag er auch ein latei¬<lb/> nisches Elaborat herzusagen. In diesem Fall ist er wahrscheinlich Commissa-<lb/> rius des Landesherrn, ein Würdenträger seiner Landschaft, dann fehlen ihm<lb/> nicht Geschäftsreisen und gelegentliche Verhandlungen und er besorgt<lb/> schlecht und recht das Anvertraute mit Hilfe seiner Schreiber. Er ist höflich,<lb/> auch gegen solche, welche unter ihm stehen, und kommt mit dem Bürgersmann<lb/> vortrefflich zurecht. In sicherem Selbstgefühl sieht er auf das Volk, mit Achsel¬<lb/> zucken beklagt er, daß die Kaiser schon seit Carl dem Fünften auch geringe<lb/> Salzhändler für 25 Ducaten oder etwas mehr tapfer geadelt liätte», er weiß<lb/> recht gut, daß sein Adel nicht auf den vielen Titeln und nicht auf den Ritter-<lb/> zeichen des Wappens beruht, und er lächelt vornehm über die vielen Löwen,<lb/> Bären, Türkenköpfe und wilden Männer, weiche eifrig in die Wappen gemalt<lb/> und von dem Heroldsamt zu Wien ausgetheilt worden. Mit Stolz blickt er<lb/> auf den Adel der Franzosen, der durch pariser Kaufleute und italiemschc Aben¬<lb/> teurer zu viel fremdes Blut eingenommen hat, auf die Ungarn, die ihren Adel<lb/> gefällig um eine Reverenz bei dem Palatin und eine Kanzleitaxe ertheilen,<lb/> auf die Dänen, deren Edelleute aus dem Viehhandel ein Monopol machen,<lb/> und auf die Italiener, welche in unaufhörlichen Mesalliancen leben. Noch<lb/> ist auch ihm einiges von den Traditionen des Ritterthums geblieben: ein<lb/> tapfrer Offizier wird von ihm mit Achtung behandelt, er hält viel auf<lb/> Waffen und Pferde. Ist den Zimmern seines festgemauerten Hauses sind der<lb/> beste Schmuck der Wände neben den großen Familienbildern schöne Gewehre,<lb/> Pistolen, Hirschfänger und jede Art von Jagdgeräth. Seitwärts von den<lb/> Gärten für Blumen, Gemüse und Obst liegt ein Reitplatz, dort sind auch<lb/> Vorrichtungen, nach dem Ringe zu rennen und leichte Lanzen nach dem Quin¬<lb/> ta« zu brechen. Seine Pferde haben noch italienische und französische Namen:</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 1*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
cierstellen, auch die Töchter, gut ausgestattet, vergrößerten den Kreis seiner
„Freunde". Der Gutsherr hatte wol selbst im Heere gedient, ein Reise nach
Frankreich oder Holland gemacht und von dort eine Anzahl Curiositüten mit¬
gebracht, Waffen und gemaltes Geräth asiatischer Völker, ein ausgeblasenes
Straußenei, polirte Muscheln, künstlich geschnittene Kirschkerne und gemalte
Töpfe, oder marmorne Gliedmaßen, die in Italien aus der Erde gegraben
waren. Er hat vielleicht irgendwo einem Gelehrten seine Bekanntschaft ge¬
gönnt und erhält von Zeit zu Zeit eine dickleibige juristische Abhandlung oder
gar einen Band Gedichte mit respectvollcm Schreiben zugesandt. Ja er hält
mit einigen andern Kavalieren von Education um gutes Geld eine geschrie¬
bene Zeitung, welche ein wohlunterrichteter Mann in der Hauptstadt unter
der Hand an zahlungsfähige Abnehmer sendet; denn es widersteht ihm. nur
die „gewöhnliche, ungründliche Schmiererei" der gedruckten Zeitungen zu lesen.
Er spricht etwas französisch, vielleicht auch italienisch, und wenn er aus Uni¬
versitäten gewesen ist, was nicht zu häufig geschah, vermag er auch ein latei¬
nisches Elaborat herzusagen. In diesem Fall ist er wahrscheinlich Commissa-
rius des Landesherrn, ein Würdenträger seiner Landschaft, dann fehlen ihm
nicht Geschäftsreisen und gelegentliche Verhandlungen und er besorgt
schlecht und recht das Anvertraute mit Hilfe seiner Schreiber. Er ist höflich,
auch gegen solche, welche unter ihm stehen, und kommt mit dem Bürgersmann
vortrefflich zurecht. In sicherem Selbstgefühl sieht er auf das Volk, mit Achsel¬
zucken beklagt er, daß die Kaiser schon seit Carl dem Fünften auch geringe
Salzhändler für 25 Ducaten oder etwas mehr tapfer geadelt liätte», er weiß
recht gut, daß sein Adel nicht auf den vielen Titeln und nicht auf den Ritter-
zeichen des Wappens beruht, und er lächelt vornehm über die vielen Löwen,
Bären, Türkenköpfe und wilden Männer, weiche eifrig in die Wappen gemalt
und von dem Heroldsamt zu Wien ausgetheilt worden. Mit Stolz blickt er
auf den Adel der Franzosen, der durch pariser Kaufleute und italiemschc Aben¬
teurer zu viel fremdes Blut eingenommen hat, auf die Ungarn, die ihren Adel
gefällig um eine Reverenz bei dem Palatin und eine Kanzleitaxe ertheilen,
auf die Dänen, deren Edelleute aus dem Viehhandel ein Monopol machen,
und auf die Italiener, welche in unaufhörlichen Mesalliancen leben. Noch
ist auch ihm einiges von den Traditionen des Ritterthums geblieben: ein
tapfrer Offizier wird von ihm mit Achtung behandelt, er hält viel auf
Waffen und Pferde. Ist den Zimmern seines festgemauerten Hauses sind der
beste Schmuck der Wände neben den großen Familienbildern schöne Gewehre,
Pistolen, Hirschfänger und jede Art von Jagdgeräth. Seitwärts von den
Gärten für Blumen, Gemüse und Obst liegt ein Reitplatz, dort sind auch
Vorrichtungen, nach dem Ringe zu rennen und leichte Lanzen nach dem Quin¬
ta« zu brechen. Seine Pferde haben noch italienische und französische Namen:
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