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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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ders; allem Widersinn unserer Zeit, meinte er, werde die Krone aufgesetzt
durch die Erscheinung eines liberalen Papstes. Er hat Recht beHallen und
wird es immer behalten, denn die Natur der Dinge macht eine solche Er¬
scheinung zum Unding.

Abgesehn aber van allen innerlichen unübersteiglichen Schwierigkeiten,
fehlte es dem weichen Herzen von Pius dem Nennte" ganz an der Energie,
um den Mißbräuchen nachdrücklich entgegenzutreten und die Reformen zu
sichern. Auch stiegen die Ansprüche; früher wäre man beglückt gewesen durch
eine Verbesserung der Verwaltung, jetzt fordere man politische Institutionen,
welche Gregor sehr richtig als unvereinbar mit den Grundsätzen der päpst¬
lichen Regierung bezeichnet hatte, sein Nachfolger versprach sie nach langem
Schwanken im Sept. 1847, wählbare Provmzialräthe und eine Nationnlvertre-
tung in Rom sollten die Rechte des Volkes in Obacht nehmen. Zugleich kam
es zu unangenehmen Erörterungen mit Oestreich über das Besatzungsrecht in
Ferrnra. Pius näherte sich Piemont, von England unterstützt machte er den
Antrag auf eine Zvllvcreinigung, deren Präliminarien Ende 1847 unterzeichnet
wurden, zwischen Sardinien und Oestreich waren die Reibungen in Folge der
von letzterem erhöhten Weinzölle schon sehr lebhaft geworden und immer
mehr zeigte es sich, daß das Verlangen nach liberalen Reformen zum Kerne
den Wunsch nationaler Unabhängigkeit hatte. Eine lange Erfahrung hatte
den Italienern gezeigt, daß alle innern Verbesserungen ohne Garantie seien,
so lange Oestreich in Italien allmächtig blieb und bei der nächsten Gelegen¬
heit alle Zugeständnisse rückgängig zu machen zwinge. So drängte mit der
steigenden Fluth der vierziger Jahre alles auf Emancipation von Oestreich,
die wissenschaftlichen Versammlungen hatten als eigentlichen Zweck diesem
Gedanken Halt zu geben, man sah die Ideen von Giobertis Primat in Pio
Nouv und Karl Albert, der mehr und mehr aus seiner Zurückhaltung heraus¬
trat, verwirklicht und hoffte in Folge der Sendung von Lord Minto auf Eng¬
lands Beistand. Metternich täuschte sich auch nicht über diese Gefahr, aber
blieb starr auf seinem Standpunkte stehen. In seiner Note vom 2. August
1847 wiederholt er "Italien ist ein geographischer Name. Die italienische
Halbinsel ist aus souveränen, von einander unabhängigen Staaten zusammen¬
gesetzt, deren Existenz und Grenzen aus die Grundsätze des allgemeinen öffent¬
lichen Rechts gegründet sind. Diese erkenne Oestreich an und richte nun an
jede Macht die Frage; ob sie die territoriale Eintheilung der Halbinsel auf¬
recht erhalten wolle wie sie auf dem wiener Congreß festgestellt sei?" -- In
dem begleitenden Schreiben des Fürsten an den östreichischen Gesandten in
London heißt es: "Der Kaiser hat nicht die Prütension, eine italienische Macht
zu sein, er begnügt sich, das Haupt seines eignen Reichs zu sein. Theile dieses
Reichs liegen jenseits der Alpen; er ist gemeint diese zu behalten." --


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ders; allem Widersinn unserer Zeit, meinte er, werde die Krone aufgesetzt
durch die Erscheinung eines liberalen Papstes. Er hat Recht beHallen und
wird es immer behalten, denn die Natur der Dinge macht eine solche Er¬
scheinung zum Unding.

Abgesehn aber van allen innerlichen unübersteiglichen Schwierigkeiten,
fehlte es dem weichen Herzen von Pius dem Nennte» ganz an der Energie,
um den Mißbräuchen nachdrücklich entgegenzutreten und die Reformen zu
sichern. Auch stiegen die Ansprüche; früher wäre man beglückt gewesen durch
eine Verbesserung der Verwaltung, jetzt fordere man politische Institutionen,
welche Gregor sehr richtig als unvereinbar mit den Grundsätzen der päpst¬
lichen Regierung bezeichnet hatte, sein Nachfolger versprach sie nach langem
Schwanken im Sept. 1847, wählbare Provmzialräthe und eine Nationnlvertre-
tung in Rom sollten die Rechte des Volkes in Obacht nehmen. Zugleich kam
es zu unangenehmen Erörterungen mit Oestreich über das Besatzungsrecht in
Ferrnra. Pius näherte sich Piemont, von England unterstützt machte er den
Antrag auf eine Zvllvcreinigung, deren Präliminarien Ende 1847 unterzeichnet
wurden, zwischen Sardinien und Oestreich waren die Reibungen in Folge der
von letzterem erhöhten Weinzölle schon sehr lebhaft geworden und immer
mehr zeigte es sich, daß das Verlangen nach liberalen Reformen zum Kerne
den Wunsch nationaler Unabhängigkeit hatte. Eine lange Erfahrung hatte
den Italienern gezeigt, daß alle innern Verbesserungen ohne Garantie seien,
so lange Oestreich in Italien allmächtig blieb und bei der nächsten Gelegen¬
heit alle Zugeständnisse rückgängig zu machen zwinge. So drängte mit der
steigenden Fluth der vierziger Jahre alles auf Emancipation von Oestreich,
die wissenschaftlichen Versammlungen hatten als eigentlichen Zweck diesem
Gedanken Halt zu geben, man sah die Ideen von Giobertis Primat in Pio
Nouv und Karl Albert, der mehr und mehr aus seiner Zurückhaltung heraus¬
trat, verwirklicht und hoffte in Folge der Sendung von Lord Minto auf Eng¬
lands Beistand. Metternich täuschte sich auch nicht über diese Gefahr, aber
blieb starr auf seinem Standpunkte stehen. In seiner Note vom 2. August
1847 wiederholt er „Italien ist ein geographischer Name. Die italienische
Halbinsel ist aus souveränen, von einander unabhängigen Staaten zusammen¬
gesetzt, deren Existenz und Grenzen aus die Grundsätze des allgemeinen öffent¬
lichen Rechts gegründet sind. Diese erkenne Oestreich an und richte nun an
jede Macht die Frage; ob sie die territoriale Eintheilung der Halbinsel auf¬
recht erhalten wolle wie sie auf dem wiener Congreß festgestellt sei?" — In
dem begleitenden Schreiben des Fürsten an den östreichischen Gesandten in
London heißt es: „Der Kaiser hat nicht die Prütension, eine italienische Macht
zu sein, er begnügt sich, das Haupt seines eignen Reichs zu sein. Theile dieses
Reichs liegen jenseits der Alpen; er ist gemeint diese zu behalten." —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/143>, abgerufen am 25.07.2024.