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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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wurde, kommt kannt bei ihn, vor. Er meinte, er könne nach den Sternen
berechnen, welche Berge und Flüsse, Städte und Einwohner die entferntesten
Länder der Erde Hütten, Nicht viele Jahre später dictirte Haython, ein ar¬
menischer Prinz, der in Frankreich studirte. dem Nicolaus Salxoni frei aus
dem Kopfe und ohne alle geschriebene Hilfe eine Geographie von ganz Asien
in die Feder, die allerdings nicht mit Ritter verglichen werden kann, die aber
doch so vollständig und im Ganzen so richtig ist. daß Wenige heut zu Tage
im Stande sein dürften, eine gleich gute Beschreibung von ihrem Continent
zu geben. Bacon hätte anch abgesehen von seinen Verirrungen neben den
Gelehrten seiner Zeit immer nur eine untergeordnete Rolle spielen können.

Bevor wir schließen, sei es uns gestattet, die Endresultate von Abertus
und Bacon kurz neben einander zu stellen. Als Schlußstein der Werke von
Albertus Magnus muß die kleine Schrift ve ".ädireionä" oso angesehen
werden. Nichts kann darüber hinausgehen. Der höchste Zustand des Men¬
schen besteht danach im unmittelbaren, einfache!? und reinen Erkennen des
Göttlichen durch den Verstand und die Liebe (nuclo simMci lro xui'O in-
tklleow et iiFöew). Jede Vermittelung durch das sinnlich Wahrnehmbare,
von welcher Art es auch sein mag, gehört dem Thierischen in unserer Natur
an, das wir zu überwinden haben, (vo acllr,. Des c. 1--4). Die sichtbare
Kirche ist hienach nur ein trauriger Nothbehelf für den noch Rohen. Selbst
ein Mittler zwischen Gott und den Menschen kann bei Albertus keinen Platz
finden. Wenn Albertus sich hienach in die Stille philosophischer Gott¬
anschauung zurückzieht, vertieft Bacon sich im Gegentheile, wenigstens in sei¬
ner Phantasie, in die Werkstatt und ins Laboratorium. Lerne die Eigen¬
schaften von Eisen und Gold, von Luft und von Wasser und so fort von allen
Dingen kennen, und wenn du das vollbracht hast, so kennst du Gott und
seine Schöpfung, alle menschliche und alle göttliche Weisheit (S. 389). Ba¬
con braucht also ebenfalls weder Kirche noch Christ. Er will seinen großen
Satz an Beispielen weiter entwickeln und ist grade auf dem Punkte in eine
seiner ungereimten Sonderbarkeiten zu verfallen, als das Manuscript mitten
im Satze abbricht. Entweder ist er vor sich selbst erschrocken, oder der Copist
hat sich geweigert, das zu schreiben, was er für Lästerung hielt.

Es wäre interessant, wenn wir den Raum dazu hätten, die Geschichte
der Scholastik bis zur Reformation zu verfolgen. Religion wurde, wie wir
bereits angedeutet, nicht nur mit der Wissenschaft, sondern auch mit der
Kunst vermählt. Musik und Beredtsamkeit wurden für die Kirche ausgebildet.
Auf Gewandung, Mimik, Gesticulation wurde großer Werth gelegt. Wir fin¬
den die Anfänge zum Theater in der Kirche und außerhalb der Kirche die
dramatischen Versuche doch nur mit religiösen Gegenständen beschäftigt.
Ueberbleibseln davon begegnen wir noch jetzt. Wenn einer unserer Leser sich


wurde, kommt kannt bei ihn, vor. Er meinte, er könne nach den Sternen
berechnen, welche Berge und Flüsse, Städte und Einwohner die entferntesten
Länder der Erde Hütten, Nicht viele Jahre später dictirte Haython, ein ar¬
menischer Prinz, der in Frankreich studirte. dem Nicolaus Salxoni frei aus
dem Kopfe und ohne alle geschriebene Hilfe eine Geographie von ganz Asien
in die Feder, die allerdings nicht mit Ritter verglichen werden kann, die aber
doch so vollständig und im Ganzen so richtig ist. daß Wenige heut zu Tage
im Stande sein dürften, eine gleich gute Beschreibung von ihrem Continent
zu geben. Bacon hätte anch abgesehen von seinen Verirrungen neben den
Gelehrten seiner Zeit immer nur eine untergeordnete Rolle spielen können.

Bevor wir schließen, sei es uns gestattet, die Endresultate von Abertus
und Bacon kurz neben einander zu stellen. Als Schlußstein der Werke von
Albertus Magnus muß die kleine Schrift ve ».ädireionä» oso angesehen
werden. Nichts kann darüber hinausgehen. Der höchste Zustand des Men¬
schen besteht danach im unmittelbaren, einfache!? und reinen Erkennen des
Göttlichen durch den Verstand und die Liebe (nuclo simMci lro xui'O in-
tklleow et iiFöew). Jede Vermittelung durch das sinnlich Wahrnehmbare,
von welcher Art es auch sein mag, gehört dem Thierischen in unserer Natur
an, das wir zu überwinden haben, (vo acllr,. Des c. 1—4). Die sichtbare
Kirche ist hienach nur ein trauriger Nothbehelf für den noch Rohen. Selbst
ein Mittler zwischen Gott und den Menschen kann bei Albertus keinen Platz
finden. Wenn Albertus sich hienach in die Stille philosophischer Gott¬
anschauung zurückzieht, vertieft Bacon sich im Gegentheile, wenigstens in sei¬
ner Phantasie, in die Werkstatt und ins Laboratorium. Lerne die Eigen¬
schaften von Eisen und Gold, von Luft und von Wasser und so fort von allen
Dingen kennen, und wenn du das vollbracht hast, so kennst du Gott und
seine Schöpfung, alle menschliche und alle göttliche Weisheit (S. 389). Ba¬
con braucht also ebenfalls weder Kirche noch Christ. Er will seinen großen
Satz an Beispielen weiter entwickeln und ist grade auf dem Punkte in eine
seiner ungereimten Sonderbarkeiten zu verfallen, als das Manuscript mitten
im Satze abbricht. Entweder ist er vor sich selbst erschrocken, oder der Copist
hat sich geweigert, das zu schreiben, was er für Lästerung hielt.

Es wäre interessant, wenn wir den Raum dazu hätten, die Geschichte
der Scholastik bis zur Reformation zu verfolgen. Religion wurde, wie wir
bereits angedeutet, nicht nur mit der Wissenschaft, sondern auch mit der
Kunst vermählt. Musik und Beredtsamkeit wurden für die Kirche ausgebildet.
Auf Gewandung, Mimik, Gesticulation wurde großer Werth gelegt. Wir fin¬
den die Anfänge zum Theater in der Kirche und außerhalb der Kirche die
dramatischen Versuche doch nur mit religiösen Gegenständen beschäftigt.
Ueberbleibseln davon begegnen wir noch jetzt. Wenn einer unserer Leser sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/107>, abgerufen am 24.07.2024.