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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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aber endlich nach unter der Bedingung, daß der Teufel in seine Flinte krieche.
In dieser nimmt er ihn mit zu dem Vater der Damen, vor dem er ihn mit
großem Krach gen Himmel schießt.

Ein hungriger Teufel hatte die Speisen gestohlen, die man in einem
Hause für die Armen hingelegt hatte. Als er wieder heim in die Hölle wollte,
war das Thor verschlossen. Er pochte an, aber es wurde ihm nicht aufgethan.
Armen Leuten ihr Almosen zu stehlen, hieß es, sei zu schlecht für die Hölle,
und der Obcrteufel verurtheilte ihn zur Strafe, drei Jahre als Knecht an
der Welt zu dienen. So zog er betrübt von dannen und suchte sich einen
Dienst. Er kommt nun in ein Dorf, wo die Bauern einen so bösen Herrn
haben, daß sie alle verarmt sind. Niemand will ihn nehmen, da man selbst
nichts zu essen hat. Endlich findet er doch noch Unterkunft bei einem, und
hier zeigt sich bald, daß mit dem neuen Knecht der Segen in die Wirthschaft
eingezogen ist. Bich und Feld gedeiht aufs Beste. Die Nachbarn wunder"
sich, der böse Schloßherr sieht mit Verdruß, daß unter ihm ein Bauer zu etwas
kommt. Er gibt ihm unmöglich scheinende Frohnden auf, läßt ihn einen
Felsen nach dem Schlosse fahren, gebietet ihm, binnen vierzehn Tagen einen
ganzen Wald zu fällen und in Klaftern zu schichten. Der Bauer ist jedesmal
in Angst um die ungeheure Aufgabe. Aber sein Knecht tröstet ihn darüber,
und in der That wird alles eher fertig, als man hoffen kann. Der Felsen ge¬
langt aufs Schloß, zertrümmert bei der Durchfahrt das Thor und fällt, auf
dem Hofe abgeladen, die Wölbungen zusammendrückend in den Keller hinab.
Der Wald wird in einer Nacht gefällt und geschichtet. Der Bauer wurde
immer reicher, der Herr immer ärgerlicher. Da ließ er ihn -- es war gegen
das Ende des dritten Dienstjahres des Knechts -- nochmals vor sich fordern
und kündigte ihm an, am nächsten Morgen müsse er ihn in die Hölle fahren.
Der Bauer entsetzte sich und sagte: "Gnädiger Herr, Gott bewahre uns vor
der Hölle." Aber der Edelmann blieb bei seinem Befehl und kummervoll ging
der Bauer nach Hause. Hier fragte ihn der Knecht, was ihm fehle. "Ach
Sohn," antwortete der Bauer, "dießmal kannst Du mir nicht helfen. Unser
Herr, "Gott verzeih mir die Sünde, ist ein ruchloser Mensch. Wir beten, daß
Gott uns vor der Hölle behüte, und er will, daß ich ihn in die Hölle fahre."
Der Knecht sagte: "Laßt nur, Herr. Wer will, dem geschieht kein Unrecht.
Morgen diene ich drei Jahre bei Euch und ich habe Euch noch nicht gesagt,
wer ich bin; jetzt sollt Jhrs wissen. Ich bin der Teufel, und weil ich den
Armen ihr Almosen stahl, mußte ich drei Jahre auf der Welt dienen." Der
Bauer erschrak. "Erschreckt nicht. Herr," sagte der Teufel, "ich habe Euch in
nichts geschadet, vielmehr als treuer Knecht geholfen und fordere keinen andern
Lohn, als daß Ihr morgen mitfahrt. Es soll Euch kein Leid geschehen. Wir
fahren vom Schlosse ohne Aufenthalt bis an Ort und Stelle. Sind wir dort,


Grenzboten I. 1L60. 55

aber endlich nach unter der Bedingung, daß der Teufel in seine Flinte krieche.
In dieser nimmt er ihn mit zu dem Vater der Damen, vor dem er ihn mit
großem Krach gen Himmel schießt.

Ein hungriger Teufel hatte die Speisen gestohlen, die man in einem
Hause für die Armen hingelegt hatte. Als er wieder heim in die Hölle wollte,
war das Thor verschlossen. Er pochte an, aber es wurde ihm nicht aufgethan.
Armen Leuten ihr Almosen zu stehlen, hieß es, sei zu schlecht für die Hölle,
und der Obcrteufel verurtheilte ihn zur Strafe, drei Jahre als Knecht an
der Welt zu dienen. So zog er betrübt von dannen und suchte sich einen
Dienst. Er kommt nun in ein Dorf, wo die Bauern einen so bösen Herrn
haben, daß sie alle verarmt sind. Niemand will ihn nehmen, da man selbst
nichts zu essen hat. Endlich findet er doch noch Unterkunft bei einem, und
hier zeigt sich bald, daß mit dem neuen Knecht der Segen in die Wirthschaft
eingezogen ist. Bich und Feld gedeiht aufs Beste. Die Nachbarn wunder»
sich, der böse Schloßherr sieht mit Verdruß, daß unter ihm ein Bauer zu etwas
kommt. Er gibt ihm unmöglich scheinende Frohnden auf, läßt ihn einen
Felsen nach dem Schlosse fahren, gebietet ihm, binnen vierzehn Tagen einen
ganzen Wald zu fällen und in Klaftern zu schichten. Der Bauer ist jedesmal
in Angst um die ungeheure Aufgabe. Aber sein Knecht tröstet ihn darüber,
und in der That wird alles eher fertig, als man hoffen kann. Der Felsen ge¬
langt aufs Schloß, zertrümmert bei der Durchfahrt das Thor und fällt, auf
dem Hofe abgeladen, die Wölbungen zusammendrückend in den Keller hinab.
Der Wald wird in einer Nacht gefällt und geschichtet. Der Bauer wurde
immer reicher, der Herr immer ärgerlicher. Da ließ er ihn — es war gegen
das Ende des dritten Dienstjahres des Knechts — nochmals vor sich fordern
und kündigte ihm an, am nächsten Morgen müsse er ihn in die Hölle fahren.
Der Bauer entsetzte sich und sagte: „Gnädiger Herr, Gott bewahre uns vor
der Hölle." Aber der Edelmann blieb bei seinem Befehl und kummervoll ging
der Bauer nach Hause. Hier fragte ihn der Knecht, was ihm fehle. „Ach
Sohn," antwortete der Bauer, „dießmal kannst Du mir nicht helfen. Unser
Herr, «Gott verzeih mir die Sünde, ist ein ruchloser Mensch. Wir beten, daß
Gott uns vor der Hölle behüte, und er will, daß ich ihn in die Hölle fahre."
Der Knecht sagte: „Laßt nur, Herr. Wer will, dem geschieht kein Unrecht.
Morgen diene ich drei Jahre bei Euch und ich habe Euch noch nicht gesagt,
wer ich bin; jetzt sollt Jhrs wissen. Ich bin der Teufel, und weil ich den
Armen ihr Almosen stahl, mußte ich drei Jahre auf der Welt dienen." Der
Bauer erschrak. „Erschreckt nicht. Herr," sagte der Teufel, „ich habe Euch in
nichts geschadet, vielmehr als treuer Knecht geholfen und fordere keinen andern
Lohn, als daß Ihr morgen mitfahrt. Es soll Euch kein Leid geschehen. Wir
fahren vom Schlosse ohne Aufenthalt bis an Ort und Stelle. Sind wir dort,


Grenzboten I. 1L60. 55
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/445>, abgerufen am 23.07.2024.