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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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poetischen Namen Tausendschönchen (Laskavec) führt, dem prosaischen Wagcn-
schmiertanz (Kolomazna). Man ahnt schon hieraus, daß das czechische Land¬
volk so ziemlich alle Vorkommnisse seines Lebens in mimischen Reproduktionen
zu verklären und damit in das Gebiet des Humors zu erheben versucht, und
das Folgende wird dies bestätigen.

Wir betrachten zunächst einige von den eigenthümlichsten Nundtänzen.
Der fröhlichen Kalamajt'a, die aus zwei Reprisen zu vier Takten im Zwei-
viertcltempo besteht, und den verwandten, nur wilder und rascher sich bewe¬
genden Tänzen Dupa? und Vosna? steht die Sousedska gegenüber, die große
Aehnlichkeit mit dem östreichischen Ländler hat, aber noch langsamer als dieser,
ja häusig sogar an einer und derselben Stelle getanzt wird. In den Liedern,
die man dazu singt, herrscht in der Regel frohe Laune, doch haben sie bis¬
weilen auch einen Anflug elegischer Wehmuth. So z. B. das oft gehörte:

Noch sanfterer Natur ist der Hulan (Ulane), der ebenfalls sehr verbreitet ist und
im Schritt dem Schottischen ähnelt, aber nicht in dem schleifenden Galopp'
tempo dieses Tanzes, sondern in der Art des bekannten Rheinländers gehüpft
wird. Originell ist der Rat (Krebs). Der Tänzer geht, die Tänzerin bei den
Händen vor sich haltend, krebsartig rückwärts. Nach vier Takten tanzen beide
gleichfalls rückwärts, einen Galopp, wieder vier Takte, worauf von neuem das
Nückwärtüschreiten beginnt. Der Tanz/lebt sehr gefällig aus.

Wir übergehen eine große Anzahl ähnlicher Tänze, die von Waldau be¬
schrieben werden und von denen die meisten mit scherzhaften Liedern begleitet
zu werden Pflegen, und erwähnen von den einfacheren Nundtänzen nur noch
den Kovar (Schmied), dessen Lied die Frage löst, weshalb die Schmiede, dein
Trinken so hold sind, den Salat, bei dem die Tänzerin dem Tänzer droht, zu
verrathen, daß er Salat gestohlen, und das alte Weib (Baba), einen Tanz, den
folgendes Liedchen begleitet:


poetischen Namen Tausendschönchen (Laskavec) führt, dem prosaischen Wagcn-
schmiertanz (Kolomazna). Man ahnt schon hieraus, daß das czechische Land¬
volk so ziemlich alle Vorkommnisse seines Lebens in mimischen Reproduktionen
zu verklären und damit in das Gebiet des Humors zu erheben versucht, und
das Folgende wird dies bestätigen.

Wir betrachten zunächst einige von den eigenthümlichsten Nundtänzen.
Der fröhlichen Kalamajt'a, die aus zwei Reprisen zu vier Takten im Zwei-
viertcltempo besteht, und den verwandten, nur wilder und rascher sich bewe¬
genden Tänzen Dupa? und Vosna? steht die Sousedska gegenüber, die große
Aehnlichkeit mit dem östreichischen Ländler hat, aber noch langsamer als dieser,
ja häusig sogar an einer und derselben Stelle getanzt wird. In den Liedern,
die man dazu singt, herrscht in der Regel frohe Laune, doch haben sie bis¬
weilen auch einen Anflug elegischer Wehmuth. So z. B. das oft gehörte:

Noch sanfterer Natur ist der Hulan (Ulane), der ebenfalls sehr verbreitet ist und
im Schritt dem Schottischen ähnelt, aber nicht in dem schleifenden Galopp'
tempo dieses Tanzes, sondern in der Art des bekannten Rheinländers gehüpft
wird. Originell ist der Rat (Krebs). Der Tänzer geht, die Tänzerin bei den
Händen vor sich haltend, krebsartig rückwärts. Nach vier Takten tanzen beide
gleichfalls rückwärts, einen Galopp, wieder vier Takte, worauf von neuem das
Nückwärtüschreiten beginnt. Der Tanz/lebt sehr gefällig aus.

Wir übergehen eine große Anzahl ähnlicher Tänze, die von Waldau be¬
schrieben werden und von denen die meisten mit scherzhaften Liedern begleitet
zu werden Pflegen, und erwähnen von den einfacheren Nundtänzen nur noch
den Kovar (Schmied), dessen Lied die Frage löst, weshalb die Schmiede, dein
Trinken so hold sind, den Salat, bei dem die Tänzerin dem Tänzer droht, zu
verrathen, daß er Salat gestohlen, und das alte Weib (Baba), einen Tanz, den
folgendes Liedchen begleitet:


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[0436] poetischen Namen Tausendschönchen (Laskavec) führt, dem prosaischen Wagcn- schmiertanz (Kolomazna). Man ahnt schon hieraus, daß das czechische Land¬ volk so ziemlich alle Vorkommnisse seines Lebens in mimischen Reproduktionen zu verklären und damit in das Gebiet des Humors zu erheben versucht, und das Folgende wird dies bestätigen. Wir betrachten zunächst einige von den eigenthümlichsten Nundtänzen. Der fröhlichen Kalamajt'a, die aus zwei Reprisen zu vier Takten im Zwei- viertcltempo besteht, und den verwandten, nur wilder und rascher sich bewe¬ genden Tänzen Dupa? und Vosna? steht die Sousedska gegenüber, die große Aehnlichkeit mit dem östreichischen Ländler hat, aber noch langsamer als dieser, ja häusig sogar an einer und derselben Stelle getanzt wird. In den Liedern, die man dazu singt, herrscht in der Regel frohe Laune, doch haben sie bis¬ weilen auch einen Anflug elegischer Wehmuth. So z. B. das oft gehörte: Noch sanfterer Natur ist der Hulan (Ulane), der ebenfalls sehr verbreitet ist und im Schritt dem Schottischen ähnelt, aber nicht in dem schleifenden Galopp' tempo dieses Tanzes, sondern in der Art des bekannten Rheinländers gehüpft wird. Originell ist der Rat (Krebs). Der Tänzer geht, die Tänzerin bei den Händen vor sich haltend, krebsartig rückwärts. Nach vier Takten tanzen beide gleichfalls rückwärts, einen Galopp, wieder vier Takte, worauf von neuem das Nückwärtüschreiten beginnt. Der Tanz/lebt sehr gefällig aus. Wir übergehen eine große Anzahl ähnlicher Tänze, die von Waldau be¬ schrieben werden und von denen die meisten mit scherzhaften Liedern begleitet zu werden Pflegen, und erwähnen von den einfacheren Nundtänzen nur noch den Kovar (Schmied), dessen Lied die Frage löst, weshalb die Schmiede, dein Trinken so hold sind, den Salat, bei dem die Tänzerin dem Tänzer droht, zu verrathen, daß er Salat gestohlen, und das alte Weib (Baba), einen Tanz, den folgendes Liedchen begleitet:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/436>, abgerufen am 23.07.2024.