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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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einander getrennt, an Flächenraum beinahe gleich, sonst aber vielfach verschieden
sind. Beide sind sehr fruchtbar. Mehr als ein Viertel des Bodens könnte
mit Getreide bestellt werden. Der Weizen gibt auf den guten Feldern das
fünfzehnte, auf schlechten immer noch das neunte Korn. Die unbebauten Fel¬
der verwandeln sich ohne Zuthun des Menschen in schone Weiden. Der Hans
der Romagna ist vortrefflich. Rede und Maulbeerbaum gedeihen überall, wo
man sie anpflanzt. In den Bergen wachsen die besten Oliven Europas. In
der Südwesthälfte findet sich die Orange und selbst die Palme. Allenthalben,
besonders aber auf der nach dem Mittelmeer sich abdachenden Seite trifft man
große Rinder- und Schafheerden. von denen die letztern eine ausgezeichnete
Wolle liefern. An beiden Küsten besitzt der.Kirchenstaat Häfen. An Flüssen,
welche zur Bewässerung und zu Fabrikanlagen dienen könnten, mangelt es
nirgends, indeß hat nur der südwestliche Theil einen größern Strom in der Tiber.
Eisen und Kohlen fehlen zwar, doch hat man andere Schätze des Mineral-
reichs, namentlich Massen von Schwefel. Der Quarz von Civita Vecchia ent¬
hält eine treffliche Porzellänerde, der römische Marmor ist berühmt, der Alaun
von Tolfa der beste der Welt.

Die Vertheilung der Menschen über den Boden ist ungleich. Eine eigne
Erscheinung ist, daß sie um so dichter wird, je weiter man sich von derHaupt-
stadt, dem Centrum des väterlichen Regiments der Priester, entfernt. Von den
drei Millionen Einwohnern lebt etwa eine von Ackerbau und Viehzucht, mit
dem Handel erwerben sich gegen 80,000 ihren Unterhalt, mit dem Bcttclsack
mindestens doppelt so viele. Der große Pöbel im eigentlichen Patrimonium
Petri, den verwilderten Provinzen um Rom, ist gewöhnt, sich von den geist¬
lichen und weltlichen Signori der heiligen Stadt ernährt zu sehen. Wahre
Niesen aus diesen Gegenden leben lediglich von Almosen. Die Landeigen¬
thümer machen ungefähr den fünfzehnten Theil der Nation aus. Auch sie
nehmen mit der Entfernung vom Mittelpunkt der Regierung an Zahl zu;
während in der Provinz Rom auf V0 Einwohner ein Grundbesitzer gerechnet
wird, kommt im picentinischem Binnenland (Macerata) einer auf 6 Einwohner.
Die Grundstücke des Kirchenstaates haben einen Capitalwerth von etwa 2600.
der Werth der Landgüter, welche der Kirche gehören, beläuft sich auf 500 Mil¬
lionen Lire. Der Grund und Boden in der Umgebung der Hauptstadt,
der sogenannte Agro Romo.no, ist zu sechs Zehntheilen im Besitz des Clerus.
Wenn diese ungeheuern Güter der Geistlichkeit steuerfrei sind, so ist das nicht
der größte der Nachtheile sür das Land, die sich an sie knüpfen.

Um dies zu erläutern, thun wir einen Blick auf den Betrieb der Land¬
wirthschaft in den beiden Theilen des Kirchenstaates. In der nordöstlichen oder
adriatischen Hälfte leben die meisten kleinen Grundbesitzer, und die großen haben
die Gewohnheit, ihr Land in'viele Parzellen zu trennen und diese einzeln zu


einander getrennt, an Flächenraum beinahe gleich, sonst aber vielfach verschieden
sind. Beide sind sehr fruchtbar. Mehr als ein Viertel des Bodens könnte
mit Getreide bestellt werden. Der Weizen gibt auf den guten Feldern das
fünfzehnte, auf schlechten immer noch das neunte Korn. Die unbebauten Fel¬
der verwandeln sich ohne Zuthun des Menschen in schone Weiden. Der Hans
der Romagna ist vortrefflich. Rede und Maulbeerbaum gedeihen überall, wo
man sie anpflanzt. In den Bergen wachsen die besten Oliven Europas. In
der Südwesthälfte findet sich die Orange und selbst die Palme. Allenthalben,
besonders aber auf der nach dem Mittelmeer sich abdachenden Seite trifft man
große Rinder- und Schafheerden. von denen die letztern eine ausgezeichnete
Wolle liefern. An beiden Küsten besitzt der.Kirchenstaat Häfen. An Flüssen,
welche zur Bewässerung und zu Fabrikanlagen dienen könnten, mangelt es
nirgends, indeß hat nur der südwestliche Theil einen größern Strom in der Tiber.
Eisen und Kohlen fehlen zwar, doch hat man andere Schätze des Mineral-
reichs, namentlich Massen von Schwefel. Der Quarz von Civita Vecchia ent¬
hält eine treffliche Porzellänerde, der römische Marmor ist berühmt, der Alaun
von Tolfa der beste der Welt.

Die Vertheilung der Menschen über den Boden ist ungleich. Eine eigne
Erscheinung ist, daß sie um so dichter wird, je weiter man sich von derHaupt-
stadt, dem Centrum des väterlichen Regiments der Priester, entfernt. Von den
drei Millionen Einwohnern lebt etwa eine von Ackerbau und Viehzucht, mit
dem Handel erwerben sich gegen 80,000 ihren Unterhalt, mit dem Bcttclsack
mindestens doppelt so viele. Der große Pöbel im eigentlichen Patrimonium
Petri, den verwilderten Provinzen um Rom, ist gewöhnt, sich von den geist¬
lichen und weltlichen Signori der heiligen Stadt ernährt zu sehen. Wahre
Niesen aus diesen Gegenden leben lediglich von Almosen. Die Landeigen¬
thümer machen ungefähr den fünfzehnten Theil der Nation aus. Auch sie
nehmen mit der Entfernung vom Mittelpunkt der Regierung an Zahl zu;
während in der Provinz Rom auf V0 Einwohner ein Grundbesitzer gerechnet
wird, kommt im picentinischem Binnenland (Macerata) einer auf 6 Einwohner.
Die Grundstücke des Kirchenstaates haben einen Capitalwerth von etwa 2600.
der Werth der Landgüter, welche der Kirche gehören, beläuft sich auf 500 Mil¬
lionen Lire. Der Grund und Boden in der Umgebung der Hauptstadt,
der sogenannte Agro Romo.no, ist zu sechs Zehntheilen im Besitz des Clerus.
Wenn diese ungeheuern Güter der Geistlichkeit steuerfrei sind, so ist das nicht
der größte der Nachtheile sür das Land, die sich an sie knüpfen.

Um dies zu erläutern, thun wir einen Blick auf den Betrieb der Land¬
wirthschaft in den beiden Theilen des Kirchenstaates. In der nordöstlichen oder
adriatischen Hälfte leben die meisten kleinen Grundbesitzer, und die großen haben
die Gewohnheit, ihr Land in'viele Parzellen zu trennen und diese einzeln zu


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[0346] einander getrennt, an Flächenraum beinahe gleich, sonst aber vielfach verschieden sind. Beide sind sehr fruchtbar. Mehr als ein Viertel des Bodens könnte mit Getreide bestellt werden. Der Weizen gibt auf den guten Feldern das fünfzehnte, auf schlechten immer noch das neunte Korn. Die unbebauten Fel¬ der verwandeln sich ohne Zuthun des Menschen in schone Weiden. Der Hans der Romagna ist vortrefflich. Rede und Maulbeerbaum gedeihen überall, wo man sie anpflanzt. In den Bergen wachsen die besten Oliven Europas. In der Südwesthälfte findet sich die Orange und selbst die Palme. Allenthalben, besonders aber auf der nach dem Mittelmeer sich abdachenden Seite trifft man große Rinder- und Schafheerden. von denen die letztern eine ausgezeichnete Wolle liefern. An beiden Küsten besitzt der.Kirchenstaat Häfen. An Flüssen, welche zur Bewässerung und zu Fabrikanlagen dienen könnten, mangelt es nirgends, indeß hat nur der südwestliche Theil einen größern Strom in der Tiber. Eisen und Kohlen fehlen zwar, doch hat man andere Schätze des Mineral- reichs, namentlich Massen von Schwefel. Der Quarz von Civita Vecchia ent¬ hält eine treffliche Porzellänerde, der römische Marmor ist berühmt, der Alaun von Tolfa der beste der Welt. Die Vertheilung der Menschen über den Boden ist ungleich. Eine eigne Erscheinung ist, daß sie um so dichter wird, je weiter man sich von derHaupt- stadt, dem Centrum des väterlichen Regiments der Priester, entfernt. Von den drei Millionen Einwohnern lebt etwa eine von Ackerbau und Viehzucht, mit dem Handel erwerben sich gegen 80,000 ihren Unterhalt, mit dem Bcttclsack mindestens doppelt so viele. Der große Pöbel im eigentlichen Patrimonium Petri, den verwilderten Provinzen um Rom, ist gewöhnt, sich von den geist¬ lichen und weltlichen Signori der heiligen Stadt ernährt zu sehen. Wahre Niesen aus diesen Gegenden leben lediglich von Almosen. Die Landeigen¬ thümer machen ungefähr den fünfzehnten Theil der Nation aus. Auch sie nehmen mit der Entfernung vom Mittelpunkt der Regierung an Zahl zu; während in der Provinz Rom auf V0 Einwohner ein Grundbesitzer gerechnet wird, kommt im picentinischem Binnenland (Macerata) einer auf 6 Einwohner. Die Grundstücke des Kirchenstaates haben einen Capitalwerth von etwa 2600. der Werth der Landgüter, welche der Kirche gehören, beläuft sich auf 500 Mil¬ lionen Lire. Der Grund und Boden in der Umgebung der Hauptstadt, der sogenannte Agro Romo.no, ist zu sechs Zehntheilen im Besitz des Clerus. Wenn diese ungeheuern Güter der Geistlichkeit steuerfrei sind, so ist das nicht der größte der Nachtheile sür das Land, die sich an sie knüpfen. Um dies zu erläutern, thun wir einen Blick auf den Betrieb der Land¬ wirthschaft in den beiden Theilen des Kirchenstaates. In der nordöstlichen oder adriatischen Hälfte leben die meisten kleinen Grundbesitzer, und die großen haben die Gewohnheit, ihr Land in'viele Parzellen zu trennen und diese einzeln zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/346>, abgerufen am 25.08.2024.