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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Stimmung des übrigen Deutschland auf das Spiel zu setzen. -- Wie leicht
aller kann die Fortsetzung des Krieges in so unmittelbarer Nähe deutscher
Bundesländer einen der erwähnte!, Umstände oder Vorwände herbeiführen,
zumal da es im offenbarsten Interesse Oestreichs läge, jede mögliche Veran¬
lassung dazu absichtlich zu geben. Und selbst wenn es nicht zum Krieg mit
Deutschland kommt, so nöthigt mich die bloße Thatsache der Mobilmachung
und der feindseligen Stimmung der Deutschen, mehre hunderttausend Mann
in der Nähe der Ostgrenze Frankreichs schlagfertig zu halten. Einen wirklichen
Krieg mit Deutschland aber hasse ich um so mehr, weil ich die Deutschen hoch¬
achte -- ja ich will noch mehr sagen, weil ich sie fürchte. Die Deutschen sind
wol im Allgemeinen Idealisten, und das politische Band, das sie zusammen¬
hält, ist sehr locker. Aber der Schwärmer, wenn er in Leidenschaft geräth. ist
doppelt gefährlich! der lose Bund aber kann durch ein gemeinsames Interesse
oder einen gemeinsamen Haß ein sehr fester werden. Das haben sie im Jahre
1813 bewiesen. Konnte im gegenwärtigen Fall c schon eine grundlose Besorg-
niß sie so sehr aufregen, was stünde erst zu erwarten, wenn die Rechte oder
das Gebiet des deutschen Bundes wirklich verletzt würden, wäre es auch nur
im mindesten Grade? Ich wiederhole es. ich will keinen Krieg mit Deutsch¬
land, und die Gefahr eines solchen schreckt mich hauptsächlich von der Fort¬
setzung des Krieges ab.

B. E. Sollte Ew. Maj. uicht übersehen, welche wichtige Hilfe uns die
Benutzung der revolutionären Elemente gewähren kann, die in ganz Ita¬
lien, in Ungarn und in ander" östreichischen Landestheilen gähren, und die
nur eines Winkes harren, um in wilde Flammen auszubrechen und die Kraft
unserer Feinde zu theilen und zu lähmen?

N. Ich habe diesen wichtigen Puukt lange überdacht. Gewiß wäre diese
Hilfe für den Augenblick groß, vielleicht entscheidend, und in einem allgemei¬
nen Kriege müßten wir sie benutzen. Aber können wir berechnen, welche
Folgen die Entfesselung dieser Elemente für uns selbst haben würde? Sie sind
Monarch, wie ich. Dürfen wir Beide es wagen, das revolutionäre Princip,
das so leicht in das republikanische übergeht, in unsere Politik aufzunehmen?
Dürfen wir es begünstigen, entwickeln, es erstarken machen? Dürfen wir, dem
monarchischen Europa gegenüber, die Rechtmäßigkeit dieses Princips anerken¬
nen und als dessen Verfechter auftreten? Brechen wir nicht dadurch mit allen
Monarchen, namentlich mit allen denen, die fremde, früher bezwungene Natio¬
nalitäten in sich begreifen? Die Deutschen haben einen Dichter, der davor
warnt, gefährliche Geister heraufzubeschwören, über die man nicht leicht wieder
Meister wird. Hüten wir uus vor diesem großen Fehler! In Frankreich hat
das Kaiserthum die Revolution nach langen Kämpfen überwältigt und erstickt.
Es darf das gefährliche Ungeheuer nicht wieder auferwecken.


Stimmung des übrigen Deutschland auf das Spiel zu setzen. — Wie leicht
aller kann die Fortsetzung des Krieges in so unmittelbarer Nähe deutscher
Bundesländer einen der erwähnte!, Umstände oder Vorwände herbeiführen,
zumal da es im offenbarsten Interesse Oestreichs läge, jede mögliche Veran¬
lassung dazu absichtlich zu geben. Und selbst wenn es nicht zum Krieg mit
Deutschland kommt, so nöthigt mich die bloße Thatsache der Mobilmachung
und der feindseligen Stimmung der Deutschen, mehre hunderttausend Mann
in der Nähe der Ostgrenze Frankreichs schlagfertig zu halten. Einen wirklichen
Krieg mit Deutschland aber hasse ich um so mehr, weil ich die Deutschen hoch¬
achte — ja ich will noch mehr sagen, weil ich sie fürchte. Die Deutschen sind
wol im Allgemeinen Idealisten, und das politische Band, das sie zusammen¬
hält, ist sehr locker. Aber der Schwärmer, wenn er in Leidenschaft geräth. ist
doppelt gefährlich! der lose Bund aber kann durch ein gemeinsames Interesse
oder einen gemeinsamen Haß ein sehr fester werden. Das haben sie im Jahre
1813 bewiesen. Konnte im gegenwärtigen Fall c schon eine grundlose Besorg-
niß sie so sehr aufregen, was stünde erst zu erwarten, wenn die Rechte oder
das Gebiet des deutschen Bundes wirklich verletzt würden, wäre es auch nur
im mindesten Grade? Ich wiederhole es. ich will keinen Krieg mit Deutsch¬
land, und die Gefahr eines solchen schreckt mich hauptsächlich von der Fort¬
setzung des Krieges ab.

B. E. Sollte Ew. Maj. uicht übersehen, welche wichtige Hilfe uns die
Benutzung der revolutionären Elemente gewähren kann, die in ganz Ita¬
lien, in Ungarn und in ander» östreichischen Landestheilen gähren, und die
nur eines Winkes harren, um in wilde Flammen auszubrechen und die Kraft
unserer Feinde zu theilen und zu lähmen?

N. Ich habe diesen wichtigen Puukt lange überdacht. Gewiß wäre diese
Hilfe für den Augenblick groß, vielleicht entscheidend, und in einem allgemei¬
nen Kriege müßten wir sie benutzen. Aber können wir berechnen, welche
Folgen die Entfesselung dieser Elemente für uns selbst haben würde? Sie sind
Monarch, wie ich. Dürfen wir Beide es wagen, das revolutionäre Princip,
das so leicht in das republikanische übergeht, in unsere Politik aufzunehmen?
Dürfen wir es begünstigen, entwickeln, es erstarken machen? Dürfen wir, dem
monarchischen Europa gegenüber, die Rechtmäßigkeit dieses Princips anerken¬
nen und als dessen Verfechter auftreten? Brechen wir nicht dadurch mit allen
Monarchen, namentlich mit allen denen, die fremde, früher bezwungene Natio¬
nalitäten in sich begreifen? Die Deutschen haben einen Dichter, der davor
warnt, gefährliche Geister heraufzubeschwören, über die man nicht leicht wieder
Meister wird. Hüten wir uus vor diesem großen Fehler! In Frankreich hat
das Kaiserthum die Revolution nach langen Kämpfen überwältigt und erstickt.
Es darf das gefährliche Ungeheuer nicht wieder auferwecken.


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[0258] Stimmung des übrigen Deutschland auf das Spiel zu setzen. — Wie leicht aller kann die Fortsetzung des Krieges in so unmittelbarer Nähe deutscher Bundesländer einen der erwähnte!, Umstände oder Vorwände herbeiführen, zumal da es im offenbarsten Interesse Oestreichs läge, jede mögliche Veran¬ lassung dazu absichtlich zu geben. Und selbst wenn es nicht zum Krieg mit Deutschland kommt, so nöthigt mich die bloße Thatsache der Mobilmachung und der feindseligen Stimmung der Deutschen, mehre hunderttausend Mann in der Nähe der Ostgrenze Frankreichs schlagfertig zu halten. Einen wirklichen Krieg mit Deutschland aber hasse ich um so mehr, weil ich die Deutschen hoch¬ achte — ja ich will noch mehr sagen, weil ich sie fürchte. Die Deutschen sind wol im Allgemeinen Idealisten, und das politische Band, das sie zusammen¬ hält, ist sehr locker. Aber der Schwärmer, wenn er in Leidenschaft geräth. ist doppelt gefährlich! der lose Bund aber kann durch ein gemeinsames Interesse oder einen gemeinsamen Haß ein sehr fester werden. Das haben sie im Jahre 1813 bewiesen. Konnte im gegenwärtigen Fall c schon eine grundlose Besorg- niß sie so sehr aufregen, was stünde erst zu erwarten, wenn die Rechte oder das Gebiet des deutschen Bundes wirklich verletzt würden, wäre es auch nur im mindesten Grade? Ich wiederhole es. ich will keinen Krieg mit Deutsch¬ land, und die Gefahr eines solchen schreckt mich hauptsächlich von der Fort¬ setzung des Krieges ab. B. E. Sollte Ew. Maj. uicht übersehen, welche wichtige Hilfe uns die Benutzung der revolutionären Elemente gewähren kann, die in ganz Ita¬ lien, in Ungarn und in ander» östreichischen Landestheilen gähren, und die nur eines Winkes harren, um in wilde Flammen auszubrechen und die Kraft unserer Feinde zu theilen und zu lähmen? N. Ich habe diesen wichtigen Puukt lange überdacht. Gewiß wäre diese Hilfe für den Augenblick groß, vielleicht entscheidend, und in einem allgemei¬ nen Kriege müßten wir sie benutzen. Aber können wir berechnen, welche Folgen die Entfesselung dieser Elemente für uns selbst haben würde? Sie sind Monarch, wie ich. Dürfen wir Beide es wagen, das revolutionäre Princip, das so leicht in das republikanische übergeht, in unsere Politik aufzunehmen? Dürfen wir es begünstigen, entwickeln, es erstarken machen? Dürfen wir, dem monarchischen Europa gegenüber, die Rechtmäßigkeit dieses Princips anerken¬ nen und als dessen Verfechter auftreten? Brechen wir nicht dadurch mit allen Monarchen, namentlich mit allen denen, die fremde, früher bezwungene Natio¬ nalitäten in sich begreifen? Die Deutschen haben einen Dichter, der davor warnt, gefährliche Geister heraufzubeschwören, über die man nicht leicht wieder Meister wird. Hüten wir uus vor diesem großen Fehler! In Frankreich hat das Kaiserthum die Revolution nach langen Kämpfen überwältigt und erstickt. Es darf das gefährliche Ungeheuer nicht wieder auferwecken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/258>, abgerufen am 23.07.2024.