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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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nicht die Rede. (? d. Red.) Die ganze Bewegung in Savoyen blieb vorläufig auf
dem Standpunkte locnier Wühlerei. Wir haben gesehen, wie Anfangs October
die Regierungshüupter der vier mittelitalienischen Länder zusammentraten, um
sich über die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Regentschaft zu berathen und
daß ihre Wahl auf den Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen fiel,
von dem übrigens schon vier Wochen vorher die Rede gewesen war. Die
Verabredung über die Wahl war unter allen Umständen nur eine vor¬
läufige: dieselbe mußte zuvor von den Nepräscntantcnvcrsammlungen der
vier Länder bestätigt; sie mußte aber auch vom Prinzen von Carignan
angenommen werden, und dieser, wenn auch er selbst wider die Annahme
nichts hatte, konnte doch auf andere Weise daran verhindert werden.
Da die Regierungshäupter der vier Länder stets im Enwcrstäudniß mit Pie-
mont gehandelt hatten und da dessen Negierung eben so sehr bestrebt war,
noch vor dem Abschlüsse des Züricher Friedens in Bezug auf Mittel-
italien soviel als möglich der Vereinigung mit Piemont günstige vollendete
Thatsachen zu schaffen, um mit diesen dann vor den europäischen Congreß zu
treten, welchen man erwartete. -- um den Congreß zu präjudiciren. wie die
Sache außerhalb Italiens nicht unrichtig genannt wurde -- war wol an¬
zunehmen, daß Victor Emanuel gleichfalls nichts gegen die Errichtung einer
mittelitalienischen Regentschaft unter seinem Vetter einwenden würde. Es
fragte sich nur, was Napoleon dazu sagen würde, mit welchem man es
doch nicht konnte verderben wollen.

Anfangs October näherten sich auch die Unterhandlungen der Züricher
Friedensconferenz ihrem Ende. Soweit Frankreich uird Oestreich in Betracht
kamen, schien die Einigung hergestellt; aber Piemont, welches die meiste Ur¬
sache dazu hatte, erhob Einwände und war durchaus nicht mit dem zufrieden,
was die beiden andern Mächte vollkommen zufriedenstellte. Unter solchen
Umständen sendete Victor Emanuel seinen Minister des Aeußeren Dabormida
am 12. Oktober von Turin nach Paris, wohin eben Napoleon von Biarriz
zurückgekehrt war, um mit diesem die Anstünde der Bereinigung des Züricher Frie¬
dens zu besprechen und seine Ansicht von der Negentschaftsfrage zu vernehmen. Am
16. October wurde Dabormida vom Kaiser der Franzosen empfangen. Nach.dem¬
jenigen, was über ihre Unterredung bekannt geworden ist. sprach sich Napoleon
durchaus gegen den Plan einer Regentschaft für Mittelitalien und gegen die
damit zusammenhängende Absicht aus, Mittelitalien mit sardinischen Truppen
zu besetzen. Am Vorabend eines Kongresses erschien dies nicht passend. Aus
eine dereinstige Einverleibung der Romagna in Piemont suchte er Dabor¬
mida alle Hoffnung zu benehmen. Er. der Kaiser, wiederhole zwar, daß er
eine fremde Intervention von keiner Seite her dulden werde, auch in der Ro¬
magna nicht, doch wollte er auch die Präliminarien von Villasrancci, wie sie


nicht die Rede. (? d. Red.) Die ganze Bewegung in Savoyen blieb vorläufig auf
dem Standpunkte locnier Wühlerei. Wir haben gesehen, wie Anfangs October
die Regierungshüupter der vier mittelitalienischen Länder zusammentraten, um
sich über die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Regentschaft zu berathen und
daß ihre Wahl auf den Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen fiel,
von dem übrigens schon vier Wochen vorher die Rede gewesen war. Die
Verabredung über die Wahl war unter allen Umständen nur eine vor¬
läufige: dieselbe mußte zuvor von den Nepräscntantcnvcrsammlungen der
vier Länder bestätigt; sie mußte aber auch vom Prinzen von Carignan
angenommen werden, und dieser, wenn auch er selbst wider die Annahme
nichts hatte, konnte doch auf andere Weise daran verhindert werden.
Da die Regierungshäupter der vier Länder stets im Enwcrstäudniß mit Pie-
mont gehandelt hatten und da dessen Negierung eben so sehr bestrebt war,
noch vor dem Abschlüsse des Züricher Friedens in Bezug auf Mittel-
italien soviel als möglich der Vereinigung mit Piemont günstige vollendete
Thatsachen zu schaffen, um mit diesen dann vor den europäischen Congreß zu
treten, welchen man erwartete. — um den Congreß zu präjudiciren. wie die
Sache außerhalb Italiens nicht unrichtig genannt wurde — war wol an¬
zunehmen, daß Victor Emanuel gleichfalls nichts gegen die Errichtung einer
mittelitalienischen Regentschaft unter seinem Vetter einwenden würde. Es
fragte sich nur, was Napoleon dazu sagen würde, mit welchem man es
doch nicht konnte verderben wollen.

Anfangs October näherten sich auch die Unterhandlungen der Züricher
Friedensconferenz ihrem Ende. Soweit Frankreich uird Oestreich in Betracht
kamen, schien die Einigung hergestellt; aber Piemont, welches die meiste Ur¬
sache dazu hatte, erhob Einwände und war durchaus nicht mit dem zufrieden,
was die beiden andern Mächte vollkommen zufriedenstellte. Unter solchen
Umständen sendete Victor Emanuel seinen Minister des Aeußeren Dabormida
am 12. Oktober von Turin nach Paris, wohin eben Napoleon von Biarriz
zurückgekehrt war, um mit diesem die Anstünde der Bereinigung des Züricher Frie¬
dens zu besprechen und seine Ansicht von der Negentschaftsfrage zu vernehmen. Am
16. October wurde Dabormida vom Kaiser der Franzosen empfangen. Nach.dem¬
jenigen, was über ihre Unterredung bekannt geworden ist. sprach sich Napoleon
durchaus gegen den Plan einer Regentschaft für Mittelitalien und gegen die
damit zusammenhängende Absicht aus, Mittelitalien mit sardinischen Truppen
zu besetzen. Am Vorabend eines Kongresses erschien dies nicht passend. Aus
eine dereinstige Einverleibung der Romagna in Piemont suchte er Dabor¬
mida alle Hoffnung zu benehmen. Er. der Kaiser, wiederhole zwar, daß er
eine fremde Intervention von keiner Seite her dulden werde, auch in der Ro¬
magna nicht, doch wollte er auch die Präliminarien von Villasrancci, wie sie


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[0240] nicht die Rede. (? d. Red.) Die ganze Bewegung in Savoyen blieb vorläufig auf dem Standpunkte locnier Wühlerei. Wir haben gesehen, wie Anfangs October die Regierungshüupter der vier mittelitalienischen Länder zusammentraten, um sich über die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Regentschaft zu berathen und daß ihre Wahl auf den Prinzen von Carignan, Eugen von Savoyen fiel, von dem übrigens schon vier Wochen vorher die Rede gewesen war. Die Verabredung über die Wahl war unter allen Umständen nur eine vor¬ läufige: dieselbe mußte zuvor von den Nepräscntantcnvcrsammlungen der vier Länder bestätigt; sie mußte aber auch vom Prinzen von Carignan angenommen werden, und dieser, wenn auch er selbst wider die Annahme nichts hatte, konnte doch auf andere Weise daran verhindert werden. Da die Regierungshäupter der vier Länder stets im Enwcrstäudniß mit Pie- mont gehandelt hatten und da dessen Negierung eben so sehr bestrebt war, noch vor dem Abschlüsse des Züricher Friedens in Bezug auf Mittel- italien soviel als möglich der Vereinigung mit Piemont günstige vollendete Thatsachen zu schaffen, um mit diesen dann vor den europäischen Congreß zu treten, welchen man erwartete. — um den Congreß zu präjudiciren. wie die Sache außerhalb Italiens nicht unrichtig genannt wurde — war wol an¬ zunehmen, daß Victor Emanuel gleichfalls nichts gegen die Errichtung einer mittelitalienischen Regentschaft unter seinem Vetter einwenden würde. Es fragte sich nur, was Napoleon dazu sagen würde, mit welchem man es doch nicht konnte verderben wollen. Anfangs October näherten sich auch die Unterhandlungen der Züricher Friedensconferenz ihrem Ende. Soweit Frankreich uird Oestreich in Betracht kamen, schien die Einigung hergestellt; aber Piemont, welches die meiste Ur¬ sache dazu hatte, erhob Einwände und war durchaus nicht mit dem zufrieden, was die beiden andern Mächte vollkommen zufriedenstellte. Unter solchen Umständen sendete Victor Emanuel seinen Minister des Aeußeren Dabormida am 12. Oktober von Turin nach Paris, wohin eben Napoleon von Biarriz zurückgekehrt war, um mit diesem die Anstünde der Bereinigung des Züricher Frie¬ dens zu besprechen und seine Ansicht von der Negentschaftsfrage zu vernehmen. Am 16. October wurde Dabormida vom Kaiser der Franzosen empfangen. Nach.dem¬ jenigen, was über ihre Unterredung bekannt geworden ist. sprach sich Napoleon durchaus gegen den Plan einer Regentschaft für Mittelitalien und gegen die damit zusammenhängende Absicht aus, Mittelitalien mit sardinischen Truppen zu besetzen. Am Vorabend eines Kongresses erschien dies nicht passend. Aus eine dereinstige Einverleibung der Romagna in Piemont suchte er Dabor¬ mida alle Hoffnung zu benehmen. Er. der Kaiser, wiederhole zwar, daß er eine fremde Intervention von keiner Seite her dulden werde, auch in der Ro¬ magna nicht, doch wollte er auch die Präliminarien von Villasrancci, wie sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/240>, abgerufen am 23.07.2024.