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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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getäuscht worden. Unterstützt von außen her hätten die Führer der Roma-
gnolen sich nicht blos die weltliche Gewalt angemaßt, sie hätten sogar sich nicht
gescheut, auch die geistliche zu usurpiren, indem sie Spitäler, Waisenhäuser,
fromme Stiftungen u. s. w. neuen Gesetzen unterwarfen. Sie hätten dann
eine sogenannte Nationalversammlung nach Bologna berufen und diese, an-
geblich aus den einstimmigen Willen der Bevölkerung gestützt, den Abfall der
Romagna von der päpstlichen Herrschaft und -- "nach der jetzt herrschenden
Mode" -- den Anschluß an Piemont decretiren lassen. In der Romagna
herrsche die höchste Sittenlosigkeit; alles Heilige, Papst, Religionsübungen, die
heilige Jungfrau, die Priester würden durch die Presse und auf der Schau¬
bühne verspottet. So handelten Menschen, welche sich Katholiken nennten und
fortwährend von ihrer Achtung und Verehrung für die souveräne Macht und
geistliche Gewalt des Papstes sprächen. Er, der Papst, sei äußerst betrübt,
zumal er wisse, daß weitaus der größte Theil der Bevölkerung der Romagna
sich mit Schmerzen unter die Herrschaft des heiligen Vaters zurücksehne. Da
er nun die Pflicht habe, furchtlos die Sache der Religion zu vertheidigen,
muthvoll jeden Angriff gegen die Rechte und Besitzungen der römischen
Kirche abzuwehren, ohne Unterlaß seine und des römischen Stuhles Souveräne-
tät zu wahren und sie unverkümmert als das Patrimonium Petri seinem Nach¬
folger zu überliefern, so müsse er aufs neue seine Stimme erheben. Er ver-
urtheile demnach alle Acte der Rebellion, die er erwähnt, welchen Namen sie
haben möchten, die gegen die Macht und Immunität der Kirche, gegen die
päpstliche Oberhoheit, gegen die weltliche Herrschaft, souveränes, Gewalt
und Jurisdiction des heiligen Stuhles gerichtet seien, und erkläre sie für null
und nichtig. Alle Rebellen der Romagna hätten sich die Acht und Strafen
der Kirche zugezogen, wie schon im Juni verkündet worden. Die Allocution
war, wie schon gesagt, das Signal zu einem großartigen Klagelied des ganzen
katholischen Clerus in allen Landen der Welt, in Italien, Frankreich, Belgien,
der Schweiz, Deutschland. Täglich verkündeten nun die ultramontanen Zei¬
tungen neue Schandthaten, welche angeblich in der Romagna begangen sein
sollten. Bald war da ein Nonnenkloster erbrochen und die jüngeren Nonnen
geschändet, bald Bischöfe und andere Geistliche mißhandelt, arretirt und na¬
türlich ganz unschuldig. Der Monitore ti Bologna hatte alle Hände voll zu
thun, um die Erfindungen, welche solcher Gestalt verbreitet wurden, als solche
zu bezeichnen und durch authentische Actenstücke zu erweisen, daß entweder diese
Dinge vollständig erlogen seien, oder daß sich die Mißhandlungen von Geist¬
lichen auf einfache Verhaftungen reducirten, welche von diesen Herrn durch
ihre Einmischung in sehr weltliche Dinge absolut nothwendig gemacht waren.
Neben den Erzählungen von Schandthaten, die rein aus der Lust gegriffen
waren, hagelte es in den clericalen Organen vom Anfang des October ab


Grenjboten I. 1S60. 19

getäuscht worden. Unterstützt von außen her hätten die Führer der Roma-
gnolen sich nicht blos die weltliche Gewalt angemaßt, sie hätten sogar sich nicht
gescheut, auch die geistliche zu usurpiren, indem sie Spitäler, Waisenhäuser,
fromme Stiftungen u. s. w. neuen Gesetzen unterwarfen. Sie hätten dann
eine sogenannte Nationalversammlung nach Bologna berufen und diese, an-
geblich aus den einstimmigen Willen der Bevölkerung gestützt, den Abfall der
Romagna von der päpstlichen Herrschaft und — „nach der jetzt herrschenden
Mode" — den Anschluß an Piemont decretiren lassen. In der Romagna
herrsche die höchste Sittenlosigkeit; alles Heilige, Papst, Religionsübungen, die
heilige Jungfrau, die Priester würden durch die Presse und auf der Schau¬
bühne verspottet. So handelten Menschen, welche sich Katholiken nennten und
fortwährend von ihrer Achtung und Verehrung für die souveräne Macht und
geistliche Gewalt des Papstes sprächen. Er, der Papst, sei äußerst betrübt,
zumal er wisse, daß weitaus der größte Theil der Bevölkerung der Romagna
sich mit Schmerzen unter die Herrschaft des heiligen Vaters zurücksehne. Da
er nun die Pflicht habe, furchtlos die Sache der Religion zu vertheidigen,
muthvoll jeden Angriff gegen die Rechte und Besitzungen der römischen
Kirche abzuwehren, ohne Unterlaß seine und des römischen Stuhles Souveräne-
tät zu wahren und sie unverkümmert als das Patrimonium Petri seinem Nach¬
folger zu überliefern, so müsse er aufs neue seine Stimme erheben. Er ver-
urtheile demnach alle Acte der Rebellion, die er erwähnt, welchen Namen sie
haben möchten, die gegen die Macht und Immunität der Kirche, gegen die
päpstliche Oberhoheit, gegen die weltliche Herrschaft, souveränes, Gewalt
und Jurisdiction des heiligen Stuhles gerichtet seien, und erkläre sie für null
und nichtig. Alle Rebellen der Romagna hätten sich die Acht und Strafen
der Kirche zugezogen, wie schon im Juni verkündet worden. Die Allocution
war, wie schon gesagt, das Signal zu einem großartigen Klagelied des ganzen
katholischen Clerus in allen Landen der Welt, in Italien, Frankreich, Belgien,
der Schweiz, Deutschland. Täglich verkündeten nun die ultramontanen Zei¬
tungen neue Schandthaten, welche angeblich in der Romagna begangen sein
sollten. Bald war da ein Nonnenkloster erbrochen und die jüngeren Nonnen
geschändet, bald Bischöfe und andere Geistliche mißhandelt, arretirt und na¬
türlich ganz unschuldig. Der Monitore ti Bologna hatte alle Hände voll zu
thun, um die Erfindungen, welche solcher Gestalt verbreitet wurden, als solche
zu bezeichnen und durch authentische Actenstücke zu erweisen, daß entweder diese
Dinge vollständig erlogen seien, oder daß sich die Mißhandlungen von Geist¬
lichen auf einfache Verhaftungen reducirten, welche von diesen Herrn durch
ihre Einmischung in sehr weltliche Dinge absolut nothwendig gemacht waren.
Neben den Erzählungen von Schandthaten, die rein aus der Lust gegriffen
waren, hagelte es in den clericalen Organen vom Anfang des October ab


Grenjboten I. 1S60. 19
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/157>, abgerufen am 23.07.2024.