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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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tentheils bei Franz dem Fünften aus und erklärten in Adressen, die ungemeine
Ähnlichkeit in Stil und Inhalt mit demjenigen hatten, was man in dieser
Art 1848 in Deutschland sah, ihre unbeschreibliche Loyalität und ihre unbe¬
schreibliche Neigung, bald einmal mit den "Rothen" in Modena anbinden zu
können.

In Neapel war während des Krieges, am 23. Mai, der König Ferdinand
verblichen und sein Sohn Franz der Zweite ihm auf dem Thron gefolgt. Die
hoffnungsvollen Leute, welche in jedem Kronprinzen einen Heiland sehen,
schwärmten natürlich auch für das Paradies, das der Königssohn hier bringen
sollte. Ihre Schwärmerei nahm indeß sehr bald ein Ende. Sobald Franz
der Zweite sich etwas orientirt hatte, traf er auch Anstalten zur Unterstützung
des heiligen Vaters. Die neapolitanische Armee wird auf dem Kriegsfuße
gewöhnlich zu 100000 Mann, auf dem Friedenssuß etwa halb so stark ange¬
schlagen, und bringt man nur dies Zahlenverhältniß in Anschlag, so könnte
sie ein ganz ansehnliches Gewicht in die Wagschale werfen. Indessen abge¬
sehen davon, daß der Kriegsfuß bei den mancherlei herrschenden Mißbräuchen
nur schwer erreicht wird und daß bei dem neapolitanischen Regierungssystem
stets bedeutende Kräfte erforderlich sind, um die Ruhe im Innern zu erhalten,
besonders auf der Insel Sicilien und in Calabrien, gelten auch die Neapoli¬
taner mit gutem Rechte für ziemlich miserable Soldaten. Die Hauptstütze der
Negierung waren immer die sogenannten Schweizer oder Fremden, 4 Negi
acuter Infanterie, 1 Bataillon Jäger und eine Batterie, etwas über 10000
Mann stark. Diese Kerntruppen kamen nun in Folge der Meuterei vom 7.
Juli zunächst in Abgang. Allerdings traf die neapolitanische Negierung so¬
fort, schon im September Anstalten, dieselben durch neue Organisationen zu
ersetzen. Sie gab Befehl zur Errichtung von zwei neuen einheimischen Regi¬
mentern zu 12 Compagnien Gensdarmerie und versuchte auch neue Fremden-
regimenter oder Bataillone zu bilden. Die einheimischen Truppen indessen
konnten keinen Ersatz für die Fremden bieten und alle diese neuen Organisa¬
tionen insgesammt konnten fürs erste nicht den Werth der vernichteten alten
erlangen. Man rechnet sicherlich hoch, wenn man die Truppen, welche Neapel
zur Unterstützung des Papstes an die Grenze stellen könnte, auf 30,000 Mann
anschlägt. Bald nach dem Frieden von Villafranca und nachdem die Ange¬
legenheit der Schweizer einigermaßen geordnet war, hatte der König von Nea¬
pel eine Aufstellung an der Nordgrenze angeordnet. Allmälig wurde dieses
Observationscorps verstärkt, und Ende September schlug man es auf 15.000
Mann an. Es erhielt nun den Namen "Armee der Abruzzen" und als seine
nächste Bestimmung bezeichnete man, daß es, sobald die Päpstlichen von Pe-
saro und Perugia aus in die Romagna eindringen würden, in die Marken
als Reserve einrücken werde, um dort die Ruhe zu erhalten. Anfangs October


tentheils bei Franz dem Fünften aus und erklärten in Adressen, die ungemeine
Ähnlichkeit in Stil und Inhalt mit demjenigen hatten, was man in dieser
Art 1848 in Deutschland sah, ihre unbeschreibliche Loyalität und ihre unbe¬
schreibliche Neigung, bald einmal mit den „Rothen" in Modena anbinden zu
können.

In Neapel war während des Krieges, am 23. Mai, der König Ferdinand
verblichen und sein Sohn Franz der Zweite ihm auf dem Thron gefolgt. Die
hoffnungsvollen Leute, welche in jedem Kronprinzen einen Heiland sehen,
schwärmten natürlich auch für das Paradies, das der Königssohn hier bringen
sollte. Ihre Schwärmerei nahm indeß sehr bald ein Ende. Sobald Franz
der Zweite sich etwas orientirt hatte, traf er auch Anstalten zur Unterstützung
des heiligen Vaters. Die neapolitanische Armee wird auf dem Kriegsfuße
gewöhnlich zu 100000 Mann, auf dem Friedenssuß etwa halb so stark ange¬
schlagen, und bringt man nur dies Zahlenverhältniß in Anschlag, so könnte
sie ein ganz ansehnliches Gewicht in die Wagschale werfen. Indessen abge¬
sehen davon, daß der Kriegsfuß bei den mancherlei herrschenden Mißbräuchen
nur schwer erreicht wird und daß bei dem neapolitanischen Regierungssystem
stets bedeutende Kräfte erforderlich sind, um die Ruhe im Innern zu erhalten,
besonders auf der Insel Sicilien und in Calabrien, gelten auch die Neapoli¬
taner mit gutem Rechte für ziemlich miserable Soldaten. Die Hauptstütze der
Negierung waren immer die sogenannten Schweizer oder Fremden, 4 Negi
acuter Infanterie, 1 Bataillon Jäger und eine Batterie, etwas über 10000
Mann stark. Diese Kerntruppen kamen nun in Folge der Meuterei vom 7.
Juli zunächst in Abgang. Allerdings traf die neapolitanische Negierung so¬
fort, schon im September Anstalten, dieselben durch neue Organisationen zu
ersetzen. Sie gab Befehl zur Errichtung von zwei neuen einheimischen Regi¬
mentern zu 12 Compagnien Gensdarmerie und versuchte auch neue Fremden-
regimenter oder Bataillone zu bilden. Die einheimischen Truppen indessen
konnten keinen Ersatz für die Fremden bieten und alle diese neuen Organisa¬
tionen insgesammt konnten fürs erste nicht den Werth der vernichteten alten
erlangen. Man rechnet sicherlich hoch, wenn man die Truppen, welche Neapel
zur Unterstützung des Papstes an die Grenze stellen könnte, auf 30,000 Mann
anschlägt. Bald nach dem Frieden von Villafranca und nachdem die Ange¬
legenheit der Schweizer einigermaßen geordnet war, hatte der König von Nea¬
pel eine Aufstellung an der Nordgrenze angeordnet. Allmälig wurde dieses
Observationscorps verstärkt, und Ende September schlug man es auf 15.000
Mann an. Es erhielt nun den Namen „Armee der Abruzzen" und als seine
nächste Bestimmung bezeichnete man, daß es, sobald die Päpstlichen von Pe-
saro und Perugia aus in die Romagna eindringen würden, in die Marken
als Reserve einrücken werde, um dort die Ruhe zu erhalten. Anfangs October


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/154>, abgerufen am 23.07.2024.