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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Das Ausbleiben des Soldes hatte dann nicht selten Unrnhe und Meuterei
in einzelnen Garnisonen zur Folge. Von einer eigentlichen Vermehrung der
päpstlichen Streitkrüfte war so nicht die Rede; der Stand derselben schwankte
hin und her und nahm trotz aller Mittel, die angewendet wurden, eher ab
als zu. Mitte Septembers ging ein Bruder des Generals Kalbermattcu über
Trieft nach Wien, um in Oestreich zu werben d. h. eben entlassene Sol¬
daten, die nichts Besseres zu thun hatten, für den.Papst mit Beschlag
zu belegen und für dieses Geschäft die Hilfe der östreichischen Regierung in
Anspruch zu nehmen. Man weiß, daß Oestreich diese Unterstützung gewährte,
daß Abtheilungen in Oestreich gewordener Soldaten fortwährend von Trieft
nach Ancona herüber geschafft wurden und dieß sogar Piemont die Veranlas¬
sung gab, bei den Mächten gegen diese geheime Unterstützung des Papstes
Protest einzulegen. Im Laufe der Zeit, im October, schwang sich der Papst
sogar zu einer beträchtlichen Erhöhung des Handgeldes auf. Das gewöhnliche
Handgeld von 20 Scudi (ein sendo 1 Thaler 13 Sgl.) ward auf 24
Scudi bei Verpflichtung zu vierjähriger Dienstzeit, auf 36 Scudi bei Verpflich¬
tung zu sechsjähriger Dienstzeit erhöht. Außerdem sollte der Werber für jeden
angeworbenen Recruten zwei Scudi erhalten. Die Sehnsucht des Papstes,
seine Armee auf einen achtunggebietenden Stand zu bringen, wuchs in dem
Maaße, als die Romagnolen auf dem von ihnen betretenen Wege fortschritten.
Wenn der Papst nichts gegen sie unternahm, lag dies vielleicht ebensosehr an
den mangelnden Kräften, als an den Verboten des Kaisers Napoleon. Ueber
letztere hätte er sich am Ende, vertrauend aus die Macht des Clerus, wohl
hinweggesetzt, wenn er einen militärischen Erfolg mit einiger Sicherheit hätte
voraussehen können. Ursprünglich erwartete man den Angriff des Papstes
aus die Romagna gegen Ende August. Zu dieser Zeit wurden die bei Pesaro
concentrirten, für das freie Feld verfügbaren päpstlichen Truppen auf 1000"
Mann mit 12 Geschützen veranschlagt. Mitte September sank die Schätzung
schon auf 8000 Mann herab. Dagegen wurden nun alsbald die Mittel der
Herzöge, welche sich mit denen des Papstes verbinden konnten, und diejenigen
Neapels in Betracht gezogen. Der Herzog von Modena hatte einige Tausend
Mann seiner Armee mit sich auf östreichisches Gebiet geführt, als er sein Land
räumte; mit Hilfe der Geldmittel, die er gleichfalls mitgenommen, warb er
dazu in Oestreich. Das Gleiche that der Großherzog von Toscana. Anfangs
October wollte man berechnen, daß der letztere 5000 Mann, der Herzog von
Modena 10000 Mann zusammen habe. Dies waren aber wol eher die Zahlen,
welche man zusammenzubringen wünschte, als die, welche man zusammengebracht
hatte. Die Anzahl der nationalmodenesischen Truppen des Herzogs schmolz
durch Desertion von Tage zu Tage zusammen. In kurzer Zeit waren ihrer
nicht mehr als 2000 beieinander. Nur die estensischen Officiere harrten größ-


Das Ausbleiben des Soldes hatte dann nicht selten Unrnhe und Meuterei
in einzelnen Garnisonen zur Folge. Von einer eigentlichen Vermehrung der
päpstlichen Streitkrüfte war so nicht die Rede; der Stand derselben schwankte
hin und her und nahm trotz aller Mittel, die angewendet wurden, eher ab
als zu. Mitte Septembers ging ein Bruder des Generals Kalbermattcu über
Trieft nach Wien, um in Oestreich zu werben d. h. eben entlassene Sol¬
daten, die nichts Besseres zu thun hatten, für den.Papst mit Beschlag
zu belegen und für dieses Geschäft die Hilfe der östreichischen Regierung in
Anspruch zu nehmen. Man weiß, daß Oestreich diese Unterstützung gewährte,
daß Abtheilungen in Oestreich gewordener Soldaten fortwährend von Trieft
nach Ancona herüber geschafft wurden und dieß sogar Piemont die Veranlas¬
sung gab, bei den Mächten gegen diese geheime Unterstützung des Papstes
Protest einzulegen. Im Laufe der Zeit, im October, schwang sich der Papst
sogar zu einer beträchtlichen Erhöhung des Handgeldes auf. Das gewöhnliche
Handgeld von 20 Scudi (ein sendo 1 Thaler 13 Sgl.) ward auf 24
Scudi bei Verpflichtung zu vierjähriger Dienstzeit, auf 36 Scudi bei Verpflich¬
tung zu sechsjähriger Dienstzeit erhöht. Außerdem sollte der Werber für jeden
angeworbenen Recruten zwei Scudi erhalten. Die Sehnsucht des Papstes,
seine Armee auf einen achtunggebietenden Stand zu bringen, wuchs in dem
Maaße, als die Romagnolen auf dem von ihnen betretenen Wege fortschritten.
Wenn der Papst nichts gegen sie unternahm, lag dies vielleicht ebensosehr an
den mangelnden Kräften, als an den Verboten des Kaisers Napoleon. Ueber
letztere hätte er sich am Ende, vertrauend aus die Macht des Clerus, wohl
hinweggesetzt, wenn er einen militärischen Erfolg mit einiger Sicherheit hätte
voraussehen können. Ursprünglich erwartete man den Angriff des Papstes
aus die Romagna gegen Ende August. Zu dieser Zeit wurden die bei Pesaro
concentrirten, für das freie Feld verfügbaren päpstlichen Truppen auf 1000»
Mann mit 12 Geschützen veranschlagt. Mitte September sank die Schätzung
schon auf 8000 Mann herab. Dagegen wurden nun alsbald die Mittel der
Herzöge, welche sich mit denen des Papstes verbinden konnten, und diejenigen
Neapels in Betracht gezogen. Der Herzog von Modena hatte einige Tausend
Mann seiner Armee mit sich auf östreichisches Gebiet geführt, als er sein Land
räumte; mit Hilfe der Geldmittel, die er gleichfalls mitgenommen, warb er
dazu in Oestreich. Das Gleiche that der Großherzog von Toscana. Anfangs
October wollte man berechnen, daß der letztere 5000 Mann, der Herzog von
Modena 10000 Mann zusammen habe. Dies waren aber wol eher die Zahlen,
welche man zusammenzubringen wünschte, als die, welche man zusammengebracht
hatte. Die Anzahl der nationalmodenesischen Truppen des Herzogs schmolz
durch Desertion von Tage zu Tage zusammen. In kurzer Zeit waren ihrer
nicht mehr als 2000 beieinander. Nur die estensischen Officiere harrten größ-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/153>, abgerufen am 23.07.2024.