Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.selbst am Dresdnischen Hofe die so hoch gerühmte sächsische Sprache der Die schweizerischen Kunstrichter, d. i. Kritiker, von denen der Recensent selbst am Dresdnischen Hofe die so hoch gerühmte sächsische Sprache der Die schweizerischen Kunstrichter, d. i. Kritiker, von denen der Recensent <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108838"/> <p xml:id="ID_327" prev="#ID_326"> selbst am Dresdnischen Hofe die so hoch gerühmte sächsische Sprache der<lb/> Italienischen und dem Französischen hat weichen müssen. Ich zweifle gleich¬<lb/> falls sehr, daß man zu Wien. München oder Mannheim sich verbunden glaubt.<lb/> Sächsisch zu reden, wann man Deutsch reden will: und wie? Hut sich der<lb/> größte Dichter Deutschlands, hat sich Haller wohl gefürchtet seine Muse schwei¬<lb/> zerisch reden zu lassen?" Darauf erwidert denn der Recensent, nicht Lessing.<lb/> sondern Nesewitz wie es scheint: „Man siehet wohl, daß der Herr von Pre-<lb/> montval nicht Kenntniß genug von unserer Sprache hat. . . Haller hat sich<lb/> allerdings so sehr gefürchtet seine Muse Schweizerisch reden zulassen, daß er<lb/> alle Spuren davon aufs sorgfältigste wegzuwischen gesucht hat. sobald er bei<lb/> seinem Aufenthalte in Deutschland das deutsche Ohr erhielt, welches man<lb/> nothwendig haben muß. um solche Fehler zu empfinden. Er hat diesem<lb/> sächsischen Wohlklange einige seiner vortrefflichsten Gedanken aufgeopfert und<lb/> muß sich wegen einiger wenigen Spuren der schweizerischen Mundart, die er<lb/> nicht hat tilgen können, noch bis jetzt von den sächsischen Puristen grob ge¬<lb/> nug anklagen lassen. Einige Kunstrichter, die nie die Schweiz verlassen ha¬<lb/> ben, haben sich vergebens bemühet die Eitelkeit des sächsischen Wohlklanges<lb/> durch Grüude zu beweisen; man hat sie ausgelacht, und sie sind endlich sel¬<lb/> ber gezmuugen worden, sich der sächsischen Schreibart zu nähern. Die besten<lb/> Schriftsteller in der Schweiz, Geßner und Zimmermann, ereifern sich, es zu<lb/> einem hohen Grade der Zierlichkeit in der sächsischen oberm der eigent¬<lb/> lichen hochdeutschen Sprache zu bringen. Die größte Anzahl der besten<lb/> Köpfe Deutschlands haben aus Sachsen und Brandenburg und den angrän-<lb/> zenden Ländern ihren Ursprung genommen. In Sachsen und Brandenburg,<lb/> und besonders in den Hauptstädten Dresden und Berlin ist ein Zusammen¬<lb/> fluß von Gelehrten und insbesondere von Leuten, die sich aus die Vollkommen¬<lb/> heit der deutschen Sprache befleißigen. Den Sachsen hat man die erste deutsche<lb/> Gesellschaft und viele andere Bemühungen zur Verbesserung unserer Sprache<lb/> zu danken. Zu Berlin war schon beim Anfange dieses Jahrhunderts in der<lb/> Gesellschaft der Wissenschaften eine Classe zur Beförderung der deutschen<lb/> Sprache..... welch ein Wunder also, daß sich die wahre hochdeutsche<lb/> Sprache blos nach der sächsischen und hernach nach der brandenburgischen<lb/> Mundart richtet. Wer in Wien, München und Mannheim reden will, ist<lb/> freilich nicht verbunden Sächsisch zu reden. . . aber wehe dem Schriftsteller,<lb/> der ein ganz Buch Oesterreichisch, Bayrisch oder Pfälzisch schreiben wollte.<lb/> Alle Schriften werden in der sächsischen Mundart geschrieben. "</p><lb/> <p xml:id="ID_328" next="#ID_329"> Die schweizerischen Kunstrichter, d. i. Kritiker, von denen der Recensent<lb/> spricht, sind Bodmer und Breitinger. Beide erklären sich über die Frage<lb/> in Brcitingers Fortsetzung der Critischcn Dichtkunst v. I. 1740; im ersten<lb/> Abschnitt handelt Letzterer von der Quelle der schönen Sprache und äußert:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
selbst am Dresdnischen Hofe die so hoch gerühmte sächsische Sprache der
Italienischen und dem Französischen hat weichen müssen. Ich zweifle gleich¬
falls sehr, daß man zu Wien. München oder Mannheim sich verbunden glaubt.
Sächsisch zu reden, wann man Deutsch reden will: und wie? Hut sich der
größte Dichter Deutschlands, hat sich Haller wohl gefürchtet seine Muse schwei¬
zerisch reden zu lassen?" Darauf erwidert denn der Recensent, nicht Lessing.
sondern Nesewitz wie es scheint: „Man siehet wohl, daß der Herr von Pre-
montval nicht Kenntniß genug von unserer Sprache hat. . . Haller hat sich
allerdings so sehr gefürchtet seine Muse Schweizerisch reden zulassen, daß er
alle Spuren davon aufs sorgfältigste wegzuwischen gesucht hat. sobald er bei
seinem Aufenthalte in Deutschland das deutsche Ohr erhielt, welches man
nothwendig haben muß. um solche Fehler zu empfinden. Er hat diesem
sächsischen Wohlklange einige seiner vortrefflichsten Gedanken aufgeopfert und
muß sich wegen einiger wenigen Spuren der schweizerischen Mundart, die er
nicht hat tilgen können, noch bis jetzt von den sächsischen Puristen grob ge¬
nug anklagen lassen. Einige Kunstrichter, die nie die Schweiz verlassen ha¬
ben, haben sich vergebens bemühet die Eitelkeit des sächsischen Wohlklanges
durch Grüude zu beweisen; man hat sie ausgelacht, und sie sind endlich sel¬
ber gezmuugen worden, sich der sächsischen Schreibart zu nähern. Die besten
Schriftsteller in der Schweiz, Geßner und Zimmermann, ereifern sich, es zu
einem hohen Grade der Zierlichkeit in der sächsischen oberm der eigent¬
lichen hochdeutschen Sprache zu bringen. Die größte Anzahl der besten
Köpfe Deutschlands haben aus Sachsen und Brandenburg und den angrän-
zenden Ländern ihren Ursprung genommen. In Sachsen und Brandenburg,
und besonders in den Hauptstädten Dresden und Berlin ist ein Zusammen¬
fluß von Gelehrten und insbesondere von Leuten, die sich aus die Vollkommen¬
heit der deutschen Sprache befleißigen. Den Sachsen hat man die erste deutsche
Gesellschaft und viele andere Bemühungen zur Verbesserung unserer Sprache
zu danken. Zu Berlin war schon beim Anfange dieses Jahrhunderts in der
Gesellschaft der Wissenschaften eine Classe zur Beförderung der deutschen
Sprache..... welch ein Wunder also, daß sich die wahre hochdeutsche
Sprache blos nach der sächsischen und hernach nach der brandenburgischen
Mundart richtet. Wer in Wien, München und Mannheim reden will, ist
freilich nicht verbunden Sächsisch zu reden. . . aber wehe dem Schriftsteller,
der ein ganz Buch Oesterreichisch, Bayrisch oder Pfälzisch schreiben wollte.
Alle Schriften werden in der sächsischen Mundart geschrieben. "
Die schweizerischen Kunstrichter, d. i. Kritiker, von denen der Recensent
spricht, sind Bodmer und Breitinger. Beide erklären sich über die Frage
in Brcitingers Fortsetzung der Critischcn Dichtkunst v. I. 1740; im ersten
Abschnitt handelt Letzterer von der Quelle der schönen Sprache und äußert:
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