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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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der Zünfte Deputirte des Rathes aus neun schlesischen Städten saßen. Vor
diesen traten acht schlesische und böhmische Edelleute im Namen des Königs
als Kläger auf. wegen der Verletzung des königlichen Ansehns. wegen un¬
gerechter Tödtung der vom König eingesetzten Nathmänner, wegen Raub und
Gewaltthat. Der Spruch lautete für alle Theilnehmer des Aufstandes auf
Tod und Confiscation ihrer gesammten Habe. Die Geflohenen sollten wenig¬
stens das Letztere erleiden.

23 Männer waren es, die das Todesurtheil traf, zum großen Theil an-
gesehn in ihren Kreisen. Zunftmeister oder Zunftälteste. Am Montag nach
Reminiscere, den 4. März, ward ihnen ihr Schicksal kund gethan; auf offnem
Markte an der Ecke der Oderstraße und Nikolaistraße stand der Tisch der
Richter. hier ward ihnen das Urtheil vorgelesen und der Stab über sie ge¬
brochen. Dann wurden sie nach der kaiserlichen Burg geführt, wo die Exe-
cution vollstreckt werden sollte. Da wo jetzt die Universität sich befindet, an
der Oder stand die alte Burg, hier fielen die 23 Häupter. Aus den Fenstern
sah der Kaiser zu und staunte ob der Standhaftigkeit, mit der alle dem Tode
entgegengingen. Keiner hatte um Gnade gefleht; voll starken Bürgertrotzcs
starben sie mit dein festen Bewußtsein, die Gerechtsame ihrer Stadt verthei¬
digt zu haben gegen die Willkür eines Tyrannen. Ihre Köpfe wurden auf
die Stadtmauer gespießt, ihre Leiber unter den breiten Steinen begraben,
auf denen man vom Ninge nach der Elisabethkirche geht, und diese geben
noch jetzt Zeugniß ab von den traurigen Wirren jener Zeit. Auch zeigt eine
im Rathhause aufbewahrte Thür noch heut die Spuren der Axthiebe, durch
welche sie damals die Empörer gesprengt. Unser wackerer breslaucr Geschicht¬
schreiber Klose bemerkt bei der Besprechung des Aufstandes mißbilligend über
Sigismunds Verfahren: "hätte'er nicht bald anfangs so hart die Böhmen
behandelt, hätte er anstatt der 23 Hingerichteten Menschen in Breslau ebenso
viel 1000 Mark Groschen zur Buße sich zahlen lassen, so hätten ihn die Pra¬
ger mit offnen Armen aufgenommen, so würde der Hussitenkrieg, das wildeste
und grausamste Schauspiel, das je auf der Erde gespielt worden, nicht erfolgt
sein." Wir wollen die Wirkungen, die eine solche Politik aus Böhmen hätte
üben können, dahin gestellt sein lassen, doch das Eine können wir dreist be¬
haupten, sür Breslau wäre es das größte Unglück gewesen, es hätte die kläg¬
liche Politik Wenzels fortgesetzt und mit andern Worten die Revolution ver¬
ewigt; so wie Sigismund den Rücken gewandt, wäre der Aufstand wieder
ausgebrochen. Ich kann nichts von Härte in dem Verfahren Sigismunds
sehn; nach dem. was geschehen war. konnte er nicht anders handeln. Auch
suchte er selbst, nachdem er die unabweisliche Forderung der Gerechtigkeit er¬
füllt, die Stadt auf alle Weise zu gewinnen, die Anordnungen in Betreff der
Zünfte sind so mild, wie sie nur sein können, kaum, daß die Rädelsführer,


der Zünfte Deputirte des Rathes aus neun schlesischen Städten saßen. Vor
diesen traten acht schlesische und böhmische Edelleute im Namen des Königs
als Kläger auf. wegen der Verletzung des königlichen Ansehns. wegen un¬
gerechter Tödtung der vom König eingesetzten Nathmänner, wegen Raub und
Gewaltthat. Der Spruch lautete für alle Theilnehmer des Aufstandes auf
Tod und Confiscation ihrer gesammten Habe. Die Geflohenen sollten wenig¬
stens das Letztere erleiden.

23 Männer waren es, die das Todesurtheil traf, zum großen Theil an-
gesehn in ihren Kreisen. Zunftmeister oder Zunftälteste. Am Montag nach
Reminiscere, den 4. März, ward ihnen ihr Schicksal kund gethan; auf offnem
Markte an der Ecke der Oderstraße und Nikolaistraße stand der Tisch der
Richter. hier ward ihnen das Urtheil vorgelesen und der Stab über sie ge¬
brochen. Dann wurden sie nach der kaiserlichen Burg geführt, wo die Exe-
cution vollstreckt werden sollte. Da wo jetzt die Universität sich befindet, an
der Oder stand die alte Burg, hier fielen die 23 Häupter. Aus den Fenstern
sah der Kaiser zu und staunte ob der Standhaftigkeit, mit der alle dem Tode
entgegengingen. Keiner hatte um Gnade gefleht; voll starken Bürgertrotzcs
starben sie mit dein festen Bewußtsein, die Gerechtsame ihrer Stadt verthei¬
digt zu haben gegen die Willkür eines Tyrannen. Ihre Köpfe wurden auf
die Stadtmauer gespießt, ihre Leiber unter den breiten Steinen begraben,
auf denen man vom Ninge nach der Elisabethkirche geht, und diese geben
noch jetzt Zeugniß ab von den traurigen Wirren jener Zeit. Auch zeigt eine
im Rathhause aufbewahrte Thür noch heut die Spuren der Axthiebe, durch
welche sie damals die Empörer gesprengt. Unser wackerer breslaucr Geschicht¬
schreiber Klose bemerkt bei der Besprechung des Aufstandes mißbilligend über
Sigismunds Verfahren: „hätte'er nicht bald anfangs so hart die Böhmen
behandelt, hätte er anstatt der 23 Hingerichteten Menschen in Breslau ebenso
viel 1000 Mark Groschen zur Buße sich zahlen lassen, so hätten ihn die Pra¬
ger mit offnen Armen aufgenommen, so würde der Hussitenkrieg, das wildeste
und grausamste Schauspiel, das je auf der Erde gespielt worden, nicht erfolgt
sein." Wir wollen die Wirkungen, die eine solche Politik aus Böhmen hätte
üben können, dahin gestellt sein lassen, doch das Eine können wir dreist be¬
haupten, sür Breslau wäre es das größte Unglück gewesen, es hätte die kläg¬
liche Politik Wenzels fortgesetzt und mit andern Worten die Revolution ver¬
ewigt; so wie Sigismund den Rücken gewandt, wäre der Aufstand wieder
ausgebrochen. Ich kann nichts von Härte in dem Verfahren Sigismunds
sehn; nach dem. was geschehen war. konnte er nicht anders handeln. Auch
suchte er selbst, nachdem er die unabweisliche Forderung der Gerechtigkeit er¬
füllt, die Stadt auf alle Weise zu gewinnen, die Anordnungen in Betreff der
Zünfte sind so mild, wie sie nur sein können, kaum, daß die Rädelsführer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/78>, abgerufen am 24.07.2024.