Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.gegen das Patriciat, wenn er auch noch vorhanden war, trat stanz zurück vor Dieser nun, dem eben damals die hussitischen Streitigkeiten mehr und Sigismund, der grade in Ungarn verweilte, berief, nachdem es ihm ge- Doch Sigismund war in der That dazu entschlossen. Für den Januar 9*
gegen das Patriciat, wenn er auch noch vorhanden war, trat stanz zurück vor Dieser nun, dem eben damals die hussitischen Streitigkeiten mehr und Sigismund, der grade in Ungarn verweilte, berief, nachdem es ihm ge- Doch Sigismund war in der That dazu entschlossen. Für den Januar 9*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0077" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187028"/> <p xml:id="ID_205" prev="#ID_204"> gegen das Patriciat, wenn er auch noch vorhanden war, trat stanz zurück vor<lb/> dem weit mächtiger entflammten gegen den König.</p><lb/> <p xml:id="ID_206"> Dieser nun, dem eben damals die hussitischen Streitigkeiten mehr und<lb/> mehr über den Kopf wuchsen, konnte nicht daran denken, zur Ahndung solcher<lb/> Gewaltthat, wie es nöthig gewesen wäre, persönlich in Breslau zu erscheinen;<lb/> er begnügte sich im August 1419 durch seinen Unterhauptmann Job. v. Wild¬<lb/> berg den nach der Revolution eingesetzten Rath durch einen neuen von ihm<lb/> ernannten ersetzen zulassen. Wenige Tage nach dieser Anordnung starb Wenzel<lb/> eines plötzlichen Todes, seinem Bruder Sigismund als unerwünschte Zugabe<lb/> Mr Erbschaft die breslaucr und die noch schlimmeren böhmischen Händel über-<lb/> lassend.</p><lb/> <p xml:id="ID_207"> Sigismund, der grade in Ungarn verweilte, berief, nachdem es ihm ge-<lb/> lungen war. durch den Sieg bei Rissa für eine Zeit lang vor den Türken<lb/> Ruhe zu erlangen, für den Dec. 1419 einen Reichstag nach Brünn, in der<lb/> Absicht, von da nach Breslau zu gehen. Aufdie Nachricht von dem Tode Wenzels,<lb/> dessen hilflose Lage die breslaucr Rebellen sicher hoch in Anschlag gebracht<lb/> hatten, und auf die Kunde von den Gesinnungen Sigismunds, der sich ent¬<lb/> schlossen zeigte, bevor er den eigentlichen Herd des Aufstandes. Böhmen, an¬<lb/> griffe, in den Nachbarländern das geschwächte königliche Ansehn wiederherzu¬<lb/> stellen, sank doch auch hier vielen der Muth. Die Kaufleute konnten unbe¬<lb/> sorgt sein; sie hatten zugesehn, wie die Zünfte ins Feuer gegangen waren,<lb/> aber diese selbst faßte Schrecken, von den unmittelbar Compromittirten suchte<lb/> der größte Theil Sicherheit im Ausland, in Polen oder Ungarn, einige traten<lb/> Wallfahrten an. um zu den Füßen des Papstes Absolution zu suchen. Ein<lb/> kleiner Theil blieb trotzig daheim, immer noch hoffend, der neue Herrscher würde<lb/> doch Bedenken tragen, rechten Ernst zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_208" next="#ID_209"> Doch Sigismund war in der That dazu entschlossen. Für den Januar<lb/> des Jahres 1420 hatte er einen Reichstag nach Breslau berufen, um neben<lb/> mehren Reichshändeln auch Streitigkeiten auswärtiger Fürsten, die einen<lb/> schiedsrichterlichen Spruch angerufen , zu entscheiden. Er trat hier als Kaiser<lb/> auf. umgeben von einer äußerst glänzenden Versammlung geistlicher und welt¬<lb/> licher Fürsten, und der Pomp der Majestät, der man hier vor kurzer Zeit so<lb/> frevelnd Hohn gesprochen, war recht geeignet, den schuldbewußten Gemüthern<lb/> ihre Vergeh» in Hellem Lichte erscheinen zu lassen, und jeden Gedanken an<lb/> Widerstand zu verbannen. Wer hätte es wagen sollen, dem mächtigen Kaiser,<lb/> dessen Worten hier gekrönte Häupter ehrerbietig lauschten, sich kühn zu wider¬<lb/> setzen? Erst nach Erledigung der NeichSgeschäftc schickte er sich an. das ernste<lb/> Amt strafender Gerechtigkeit zu üben. Es wurde zu diesem Behuf ein be¬<lb/> sonderer Gerichtshof constituirt. in welchem außer den breslauer Rathsherrn.<lb/> den Schöppen so wie den gesetzmäßigen Vertretern der Kaufmannschaft und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 9*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
gegen das Patriciat, wenn er auch noch vorhanden war, trat stanz zurück vor
dem weit mächtiger entflammten gegen den König.
Dieser nun, dem eben damals die hussitischen Streitigkeiten mehr und
mehr über den Kopf wuchsen, konnte nicht daran denken, zur Ahndung solcher
Gewaltthat, wie es nöthig gewesen wäre, persönlich in Breslau zu erscheinen;
er begnügte sich im August 1419 durch seinen Unterhauptmann Job. v. Wild¬
berg den nach der Revolution eingesetzten Rath durch einen neuen von ihm
ernannten ersetzen zulassen. Wenige Tage nach dieser Anordnung starb Wenzel
eines plötzlichen Todes, seinem Bruder Sigismund als unerwünschte Zugabe
Mr Erbschaft die breslaucr und die noch schlimmeren böhmischen Händel über-
lassend.
Sigismund, der grade in Ungarn verweilte, berief, nachdem es ihm ge-
lungen war. durch den Sieg bei Rissa für eine Zeit lang vor den Türken
Ruhe zu erlangen, für den Dec. 1419 einen Reichstag nach Brünn, in der
Absicht, von da nach Breslau zu gehen. Aufdie Nachricht von dem Tode Wenzels,
dessen hilflose Lage die breslaucr Rebellen sicher hoch in Anschlag gebracht
hatten, und auf die Kunde von den Gesinnungen Sigismunds, der sich ent¬
schlossen zeigte, bevor er den eigentlichen Herd des Aufstandes. Böhmen, an¬
griffe, in den Nachbarländern das geschwächte königliche Ansehn wiederherzu¬
stellen, sank doch auch hier vielen der Muth. Die Kaufleute konnten unbe¬
sorgt sein; sie hatten zugesehn, wie die Zünfte ins Feuer gegangen waren,
aber diese selbst faßte Schrecken, von den unmittelbar Compromittirten suchte
der größte Theil Sicherheit im Ausland, in Polen oder Ungarn, einige traten
Wallfahrten an. um zu den Füßen des Papstes Absolution zu suchen. Ein
kleiner Theil blieb trotzig daheim, immer noch hoffend, der neue Herrscher würde
doch Bedenken tragen, rechten Ernst zu machen.
Doch Sigismund war in der That dazu entschlossen. Für den Januar
des Jahres 1420 hatte er einen Reichstag nach Breslau berufen, um neben
mehren Reichshändeln auch Streitigkeiten auswärtiger Fürsten, die einen
schiedsrichterlichen Spruch angerufen , zu entscheiden. Er trat hier als Kaiser
auf. umgeben von einer äußerst glänzenden Versammlung geistlicher und welt¬
licher Fürsten, und der Pomp der Majestät, der man hier vor kurzer Zeit so
frevelnd Hohn gesprochen, war recht geeignet, den schuldbewußten Gemüthern
ihre Vergeh» in Hellem Lichte erscheinen zu lassen, und jeden Gedanken an
Widerstand zu verbannen. Wer hätte es wagen sollen, dem mächtigen Kaiser,
dessen Worten hier gekrönte Häupter ehrerbietig lauschten, sich kühn zu wider¬
setzen? Erst nach Erledigung der NeichSgeschäftc schickte er sich an. das ernste
Amt strafender Gerechtigkeit zu üben. Es wurde zu diesem Behuf ein be¬
sonderer Gerichtshof constituirt. in welchem außer den breslauer Rathsherrn.
den Schöppen so wie den gesetzmäßigen Vertretern der Kaufmannschaft und
9*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |