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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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lich äußerst gut und liebenswürdig, und ich kann mir kein Jahrhundert denken,
das noch so eine Frau hervorgebracht hätte."

Bei der ersten Aufführung von Goethes Tasso. 4. März 1807: "Er hat
mich, und wol das ganze Publicum, lebhast interesstrt. Ich Hütte selbst nicht
, geglaubt, daß er bei der Aufführung diese Wirkung hervorbrächte, besonders
bei mir; denn ich gestehe, daß ich im Theater fast immer gleich ermüdet bin
und öfters sogar einschlafe. Es ist aber ein großer Vortheil, wenn man
voraus das Gefühl hat. daß nichts Gemeines gesagt wird. Dann hat Goethe
das vor Schiller voraus, daß jeder Charakter sein Eignes behält, und man
nicht überall den Autor hören und sehen muß."

Wie unbedingt Goethe seinen Stempel allen seinen Umgebungen auf¬
prägt, zeigt die enorme Theilnahme, mit der (seit December 1807) der ver¬
schrobene Zacharias Werner besprochen wird, weil Goethe ihn protegirte.
In den abgeschmacktesten seiner Possen findet das gelehrige Dämchen etwas
Geistreiches. In grellem Gegensatz dazu heißt es 5. März 1808: "Ein fürch¬
terliches Lustspiel, was wir am vorigen Mittwoch (2. März) haben aufführen
sehn, und was einen unverlöschbaren unangenehmen Eindruck auf mich ge¬
wacht hat und auf uns alle, ist "der zerbrochene Krug" von Herrn von Kleist
in Dresden. Mitarbeiter des charmanter "Phöbus". Wirklich Hütte ich nicht
geglaubt, daß es möglich würe. so was Langweiliges und Abgeschmacktes
hinzuschreiben. Die Prinzeß meint, daß die Herrens von Kleist gerechte An¬
sprüche auf den Lazarusorden Hütten. Der moralische Aussatz ist doch auch
ein böses Uebel. Ich glaube, bei diesen Herrens hat sich das Blut, was sie
sich im Krieg erhalten haben, alles in Dinte verwandelt. Im nächsten
"Phöbus" tritt dieser selbe Autor auch gleich mit so einer abscheulichen Ge¬
schichte auf. lang und langweilig im höchsten Grad." -- Diese Geschichte
war -- Michael Kohlhaasü -- ". März: "Hier der "Phöbus". Es ist eine
steche Gotteslästerung, daß man eine Pfütze so nennt, die wol auch von der
Sonne beschienen wird. Für solch eine unverschämte Bettelei sollte man doch
gewiß seine Louisdors nicht aufheben."

Sehr interessant werden die Unterhaltungen wieder in der Napoleonischen
Zeit, während des Kongresses zu Erfurt. -- 24. September 1808 : "Der
gute Napoleon wird sich wol nach dem kleinen Aerger, den ihm die Spanier
gemacht haben, etwas ergötzen wollen. Da fürchte ich nur etwas für die
Vergnügungen, die er dem Alexander machen wird. In Tilsit schon ließ er
ihn gar nicht zum Wort kommen und sagte: Mi-Ions M8 ä'-iMires, mon
euere trui-o, ni xoMque! 5o veins assuis ein'vn in'g, beaucoup partu
vvtro Keimte, mais on n'g. rien an, 11 taut voll- voll,.. Huoll" dello diritto!
MellLL belles (Misses! Man sagt, es würde eine französische Truppe nach
Erfurt kommen. Wenn wir nur die Ballets nicht auch mittanzen müssen!


lich äußerst gut und liebenswürdig, und ich kann mir kein Jahrhundert denken,
das noch so eine Frau hervorgebracht hätte."

Bei der ersten Aufführung von Goethes Tasso. 4. März 1807: „Er hat
mich, und wol das ganze Publicum, lebhast interesstrt. Ich Hütte selbst nicht
, geglaubt, daß er bei der Aufführung diese Wirkung hervorbrächte, besonders
bei mir; denn ich gestehe, daß ich im Theater fast immer gleich ermüdet bin
und öfters sogar einschlafe. Es ist aber ein großer Vortheil, wenn man
voraus das Gefühl hat. daß nichts Gemeines gesagt wird. Dann hat Goethe
das vor Schiller voraus, daß jeder Charakter sein Eignes behält, und man
nicht überall den Autor hören und sehen muß."

Wie unbedingt Goethe seinen Stempel allen seinen Umgebungen auf¬
prägt, zeigt die enorme Theilnahme, mit der (seit December 1807) der ver¬
schrobene Zacharias Werner besprochen wird, weil Goethe ihn protegirte.
In den abgeschmacktesten seiner Possen findet das gelehrige Dämchen etwas
Geistreiches. In grellem Gegensatz dazu heißt es 5. März 1808: „Ein fürch¬
terliches Lustspiel, was wir am vorigen Mittwoch (2. März) haben aufführen
sehn, und was einen unverlöschbaren unangenehmen Eindruck auf mich ge¬
wacht hat und auf uns alle, ist „der zerbrochene Krug" von Herrn von Kleist
in Dresden. Mitarbeiter des charmanter „Phöbus". Wirklich Hütte ich nicht
geglaubt, daß es möglich würe. so was Langweiliges und Abgeschmacktes
hinzuschreiben. Die Prinzeß meint, daß die Herrens von Kleist gerechte An¬
sprüche auf den Lazarusorden Hütten. Der moralische Aussatz ist doch auch
ein böses Uebel. Ich glaube, bei diesen Herrens hat sich das Blut, was sie
sich im Krieg erhalten haben, alles in Dinte verwandelt. Im nächsten
»Phöbus" tritt dieser selbe Autor auch gleich mit so einer abscheulichen Ge¬
schichte auf. lang und langweilig im höchsten Grad." — Diese Geschichte
war — Michael Kohlhaasü — ». März: „Hier der „Phöbus". Es ist eine
steche Gotteslästerung, daß man eine Pfütze so nennt, die wol auch von der
Sonne beschienen wird. Für solch eine unverschämte Bettelei sollte man doch
gewiß seine Louisdors nicht aufheben."

Sehr interessant werden die Unterhaltungen wieder in der Napoleonischen
Zeit, während des Kongresses zu Erfurt. — 24. September 1808 : „Der
gute Napoleon wird sich wol nach dem kleinen Aerger, den ihm die Spanier
gemacht haben, etwas ergötzen wollen. Da fürchte ich nur etwas für die
Vergnügungen, die er dem Alexander machen wird. In Tilsit schon ließ er
ihn gar nicht zum Wort kommen und sagte: Mi-Ions M8 ä'-iMires, mon
euere trui-o, ni xoMque! 5o veins assuis ein'vn in'g, beaucoup partu
vvtro Keimte, mais on n'g. rien an, 11 taut voll- voll,.. Huoll« dello diritto!
MellLL belles (Misses! Man sagt, es würde eine französische Truppe nach
Erfurt kommen. Wenn wir nur die Ballets nicht auch mittanzen müssen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/57>, abgerufen am 24.07.2024.