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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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setzen zu können. Eine neue Rekrutirung und Einberufung der nächsten Con-
tingente ist somit erst dann nothwendig, wenn die Armee noch außergewöhn¬
lich über den oben angegebenen systematisirten Stand vermehrt, neue Ba¬
taillone errichtet, oder die im Laufe eines Feldzuges stattfindenden Verluste
ersetzt werden sollen. Wie groß die Hilfsquellen der Monarchie in dieser Be¬
ziehung sind, hat sich schon wiederholt bewährt, und ohne das Land sehr zu
erschöpfen, könnte, wenn es erforderlich sein sollte, die Armee noch bedeutend
vermehrt werden. Und sind von den obigen Zahlen, welche die Stärke der
östreichischen Armee in Kriegszeiten angeben, jetzt gleich nur 450,000 Mann
auswärts verwendbar, so giebt dies zwei Armeen -- die eine für Italien
und die zweite für einen anderen Kriegsschauplatz -- von einer Stärke, wie
sie in europäischen Kriegen bisher nur selten vorzukommen pflegten.

Unter den weiteren militärischen Veranstaltungen, um die Behauptung
der Lombardei gegen einen eventuellen piemontesisch-französischen Angriff zu
sichern, sind hervorzuheben die an einigen Punkten unternommenen und zum grö߬
ten Theil bereits vollendeten Befestigungen. Diese Punkte sind Piacenza, dessen
Befestigung vervollständigt wurde, und das als einer der bedeutendsten Punkte
am oberitalienischen Kriegsschauplatz betrachtet werden muß; sodann der Brücken¬
kopf von Borgoforte über den Po; Pavia am Ticino, welches in einer unglaublich
kurzen Zeit zu einem starken Place du Moment, hart an der piemontesischen
Grenze gemacht wurde; endlich Laveno am Langen See, der Stationsort für
die dortige Flotille, mit Küstenbatterien. Nächstdem ist Venedig gegen die
Seeseite, so wie auch gegen das Land hin bedeutend verstärkt, ein dem neuen,
sehr starken Kriegshafen von Pola sind alle Werke vollendet worden; in
Dalmatien werden zur Vervollständigung der Küstenvcrtheidigung Anordnungen '
getroffen.

In der hiesigen Bevölkerung -- namentlich in den untern Classen, unter
Kleinbürgern und Bauern -- herrscht im Allgemeinen keine besonders gefähr¬
liche Stimmung. Die Einberufung der Urlauber für die italienischen Regi¬
menter geschieht ohne Störung, die Leute rücken willig ein, nur äußerst wenige
Fälle kamen vor, daß einige entwichen, obwol in Piemont, unmittel¬
bar an der Grenze, zum Empfang der Deserteure und Flüchtlinge Werbdepots
eingerichtet sind. Die nach den deutschen Provinzen abgehenden Transporte
der einberufenen Urlauber sieht mau oft sogar singend und soldatisch heiter
mit der Eisenbahn'ihre Heimath verlassen. Bezeichnend für die Denkart
und das Urtheil eines Theils der niedern Volksclassen war eine Scene, bei
der Schreiber dieser Zeilen zufällig gegenwärtig war, und wo einer der ein¬
berufenen italienischen Soldaten laut in Anwesenheit einer großen Anzahl
feiner Landsleute sich über die Helden der hiesigen provocirenden Partei aus-
Ueß, sie als Maulhelden bezeichnete und sie als Leute verwünschte, welche die

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setzen zu können. Eine neue Rekrutirung und Einberufung der nächsten Con-
tingente ist somit erst dann nothwendig, wenn die Armee noch außergewöhn¬
lich über den oben angegebenen systematisirten Stand vermehrt, neue Ba¬
taillone errichtet, oder die im Laufe eines Feldzuges stattfindenden Verluste
ersetzt werden sollen. Wie groß die Hilfsquellen der Monarchie in dieser Be¬
ziehung sind, hat sich schon wiederholt bewährt, und ohne das Land sehr zu
erschöpfen, könnte, wenn es erforderlich sein sollte, die Armee noch bedeutend
vermehrt werden. Und sind von den obigen Zahlen, welche die Stärke der
östreichischen Armee in Kriegszeiten angeben, jetzt gleich nur 450,000 Mann
auswärts verwendbar, so giebt dies zwei Armeen — die eine für Italien
und die zweite für einen anderen Kriegsschauplatz — von einer Stärke, wie
sie in europäischen Kriegen bisher nur selten vorzukommen pflegten.

Unter den weiteren militärischen Veranstaltungen, um die Behauptung
der Lombardei gegen einen eventuellen piemontesisch-französischen Angriff zu
sichern, sind hervorzuheben die an einigen Punkten unternommenen und zum grö߬
ten Theil bereits vollendeten Befestigungen. Diese Punkte sind Piacenza, dessen
Befestigung vervollständigt wurde, und das als einer der bedeutendsten Punkte
am oberitalienischen Kriegsschauplatz betrachtet werden muß; sodann der Brücken¬
kopf von Borgoforte über den Po; Pavia am Ticino, welches in einer unglaublich
kurzen Zeit zu einem starken Place du Moment, hart an der piemontesischen
Grenze gemacht wurde; endlich Laveno am Langen See, der Stationsort für
die dortige Flotille, mit Küstenbatterien. Nächstdem ist Venedig gegen die
Seeseite, so wie auch gegen das Land hin bedeutend verstärkt, ein dem neuen,
sehr starken Kriegshafen von Pola sind alle Werke vollendet worden; in
Dalmatien werden zur Vervollständigung der Küstenvcrtheidigung Anordnungen '
getroffen.

In der hiesigen Bevölkerung — namentlich in den untern Classen, unter
Kleinbürgern und Bauern — herrscht im Allgemeinen keine besonders gefähr¬
liche Stimmung. Die Einberufung der Urlauber für die italienischen Regi¬
menter geschieht ohne Störung, die Leute rücken willig ein, nur äußerst wenige
Fälle kamen vor, daß einige entwichen, obwol in Piemont, unmittel¬
bar an der Grenze, zum Empfang der Deserteure und Flüchtlinge Werbdepots
eingerichtet sind. Die nach den deutschen Provinzen abgehenden Transporte
der einberufenen Urlauber sieht mau oft sogar singend und soldatisch heiter
mit der Eisenbahn'ihre Heimath verlassen. Bezeichnend für die Denkart
und das Urtheil eines Theils der niedern Volksclassen war eine Scene, bei
der Schreiber dieser Zeilen zufällig gegenwärtig war, und wo einer der ein¬
berufenen italienischen Soldaten laut in Anwesenheit einer großen Anzahl
feiner Landsleute sich über die Helden der hiesigen provocirenden Partei aus-
Ueß, sie als Maulhelden bezeichnete und sie als Leute verwünschte, welche die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/523>, abgerufen am 24.07.2024.