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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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denen sich der Vulkan Peschan befindet. Wir kamen dann über die Steppe,
über welche die asiatischen Horden zogen, deren Wanderung de Quincey in
seinem "Exodus der Tartaren" so schön geschildert hat. Ich habe seine Er¬
zählung mit höchstem Interesse gelesen und halte die Schlußscene, wo die
Tartaren und die wilden Kirgisen sich in den See stürzen, für furchtbar
tragisch.

Die Kosaken störten mich in meinem Sinnen, indem sie mir eine sern
im Westen aufsteigende Rauchsäule zeigten, von der wir wußten, sie könne
nicht von unsern Leuten kommen. Es waren unzweifelhaft Kirgisen da, und
jetzt mußten wir auf unsrer Hut sein, da sie westlich von unsrer Route lagerten
und sehr bald den Rauch unsres Feuers gewahr werden konnten. Wir bestie¬
gen unsre Pferde und ritten bergab, der Spur unsrer Freunde folgend, die wir
denn auch in weniger als einer Stunde in einem kleinen grasigen Thal ent¬
deckten, in welchem ein klarer Bach schäumend und hüpfend über sein felsiges
Bett herabrieselte. Alles war vorbereitet, daß wir hier Nachtruhe halten
konnten und es mußten während der Nacht Wachen ausgestellt werden, da
wir leicht einen Besuch jener herumschweifenden Banden bekommen konnten,
welche sich fortwährend in der Steppe hin und herbewegen. Um die Dämmer¬
stunde wurden die Pferde von der Weide geholt und neben uns festgemacht.
Dann schlief jeder neben seinen Waffen, um sie für den Fall eines Angriffs
sofort zur Hand zu haben. Alle wußten, daß unsre Sicherheit von uns allein
abhing, daß wir von niemand Hilfe zu erwarten hatten, wofern wir uns über¬
raschen ließen, daß unser Schicksal dann besiegelt sei und wir sämmtlich in
die Sklaverei verkauft werden würden. Das war ein starker Sporn zur Wach¬
samkeit und Tapferkeit, und alle waren entschlossen, sich auf keinen Fall lebend
fangen zu lassen."

Es ereignete sich indeß während dieser ersten Nacht im Lande der kirgi¬
sischen Räuber nichts, und die kleine Karawane setzte am nächsten Morgen
ihren Ritt weiter fort. "Nachdem wir drei Stunden geritten, zeigte sich ein
eigenthümlicher t'uppelförmigcr Hügel im Südosten. An demselben vorüber¬
zugehen, konnte uns nicht sehr weit von unserm Curs abführen, und ich war
begierig zu wissen, was es damit für eine Bewandtniß habe. Ich stieg vom
Pferde und kletterte den felsigen Abhang der Schlucht neben dem Hügel hinab,
wo ich fand, daß der Boden der Schlucht mit einer Lavaschicht bedeckt war,
welche aus der kuppelförmigen Erhöhung herabgestossen sein mußte. Als ich
den Ort erreichte, sah ich, daß die Substanz aus mehren Stellen ander Seite
des Hügels hervorgequollen war; es war indeß nur eine kleine Quantität,
die sich auf dieser Seite ergossen hatte. Ich beschloß dann die Kuppel zu
ersteigen, um zu sehen, wo sie geplatzt war. Das Ganze war von dunkel¬
grauer, ins Purpurne schillernder Farbe und sah aus, als ob es in weichem,


Grenzboten I. 18S9. 63

denen sich der Vulkan Peschan befindet. Wir kamen dann über die Steppe,
über welche die asiatischen Horden zogen, deren Wanderung de Quincey in
seinem „Exodus der Tartaren" so schön geschildert hat. Ich habe seine Er¬
zählung mit höchstem Interesse gelesen und halte die Schlußscene, wo die
Tartaren und die wilden Kirgisen sich in den See stürzen, für furchtbar
tragisch.

Die Kosaken störten mich in meinem Sinnen, indem sie mir eine sern
im Westen aufsteigende Rauchsäule zeigten, von der wir wußten, sie könne
nicht von unsern Leuten kommen. Es waren unzweifelhaft Kirgisen da, und
jetzt mußten wir auf unsrer Hut sein, da sie westlich von unsrer Route lagerten
und sehr bald den Rauch unsres Feuers gewahr werden konnten. Wir bestie¬
gen unsre Pferde und ritten bergab, der Spur unsrer Freunde folgend, die wir
denn auch in weniger als einer Stunde in einem kleinen grasigen Thal ent¬
deckten, in welchem ein klarer Bach schäumend und hüpfend über sein felsiges
Bett herabrieselte. Alles war vorbereitet, daß wir hier Nachtruhe halten
konnten und es mußten während der Nacht Wachen ausgestellt werden, da
wir leicht einen Besuch jener herumschweifenden Banden bekommen konnten,
welche sich fortwährend in der Steppe hin und herbewegen. Um die Dämmer¬
stunde wurden die Pferde von der Weide geholt und neben uns festgemacht.
Dann schlief jeder neben seinen Waffen, um sie für den Fall eines Angriffs
sofort zur Hand zu haben. Alle wußten, daß unsre Sicherheit von uns allein
abhing, daß wir von niemand Hilfe zu erwarten hatten, wofern wir uns über¬
raschen ließen, daß unser Schicksal dann besiegelt sei und wir sämmtlich in
die Sklaverei verkauft werden würden. Das war ein starker Sporn zur Wach¬
samkeit und Tapferkeit, und alle waren entschlossen, sich auf keinen Fall lebend
fangen zu lassen."

Es ereignete sich indeß während dieser ersten Nacht im Lande der kirgi¬
sischen Räuber nichts, und die kleine Karawane setzte am nächsten Morgen
ihren Ritt weiter fort. „Nachdem wir drei Stunden geritten, zeigte sich ein
eigenthümlicher t'uppelförmigcr Hügel im Südosten. An demselben vorüber¬
zugehen, konnte uns nicht sehr weit von unserm Curs abführen, und ich war
begierig zu wissen, was es damit für eine Bewandtniß habe. Ich stieg vom
Pferde und kletterte den felsigen Abhang der Schlucht neben dem Hügel hinab,
wo ich fand, daß der Boden der Schlucht mit einer Lavaschicht bedeckt war,
welche aus der kuppelförmigen Erhöhung herabgestossen sein mußte. Als ich
den Ort erreichte, sah ich, daß die Substanz aus mehren Stellen ander Seite
des Hügels hervorgequollen war; es war indeß nur eine kleine Quantität,
die sich auf dieser Seite ergossen hatte. Ich beschloß dann die Kuppel zu
ersteigen, um zu sehen, wo sie geplatzt war. Das Ganze war von dunkel¬
grauer, ins Purpurne schillernder Farbe und sah aus, als ob es in weichem,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/507>, abgerufen am 24.07.2024.