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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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zu dem beliebten Schema passen. Daß eines der Projecte die aus Ziegeln
gebildeten Mauerflüchen ungeputzt läßt, ist hierbei sehr unwesentlich, da der
gebrannte Stein eben nicht die Formgebung des Baues bedingt und beherrscht,
sondern nur als Füllung zwischen der Hausteinarchitektur verwandt ist. Schon
das römische Alterthum ließ das Ziegelmaterial, meist in trefflicher Behand¬
lung, sichtbar, ohne sich darum zu einer principiellen Verwendung des ge¬
brannten Steins als formbestimmendcs Material zu erheben. Diese ist aber
einzig und allein das Knterion des Materialbaues. Die Grundpläne endlich
sind jeder monumentalen Auffassung baar und ledig, führt doch in dem Pro¬
jecte: "8ut"z cMsque korwnatz daher" der inmitten der Burgstraßenfac^abe an¬
gebrachte Eingang gradezu auf die Abtritte!

Die dresdner Architektur setzt sich die Kunst des späten sechzehnten und
des siebenzehnten Jahrhunderts zum Vorbild. Diese Kunst aber war eben
der architektonische Ausdruck jener trostlosen Autorität- und Willkürherrschaft.
In dem Copiren ihres Schemas den dem modernen Ideal entsprechenden
Ausdruck suchen zu wollen, ist mindestens Verblendung.

Zur Münchener Schule bekennt sich ein Project. Das Motto desselben
ist uns entfallen. Uebrigens würde dieser Plan so wenig wie die dresdner
Entwürfe der Erwähnung werth gewesen sein, wenn sie uns nicht Veranlas¬
sung gegeben hätten, die Principien der Schule einer näheren Betrachtung
zu unterwerfen. Die Traditionen der Münchener Schule knüpfen sich an
Gärtners Namen. Gärtner wandte bei seinen Bauten fast ausschließlich den
Rundbogenstil an, den er im Geiste der romanischen Kunst, zuweilen mit
Hinneigung zur altitalienischen Bauart durchzubilden bemüht war. -- Im
Rundbogen erkannten wir ein bedeutsames Moment der monumentalen Bau¬
kunst, zugleich aber auch ein wesentlich nationales Element. Hatte nun aber
der romanische Baustil (als welchen wir, jenen Sprachen, die durch Ver¬
schmelzung der alten Römersprache mit germanischen Elementen entstanden,
analog, den Baustil bezeichnen, welcher sich auf Grund altrömischer Tradition
durch Berührung mit germanischem Geiste entwickelte) in Rücksicht auf die cha¬
rakteristische Seite eine hohe Wahrheit und Gesetzmäßigkeit, eine monumentale
Würde und Großartigkeit gewonnen, so war er in Rücksicht aus die formale Seite in
einer ziemlich rohen Nachahmung des antiken Formalismus befangen. Die roma¬
nische Kunst knüpft an die altchristliche Formentradition an. diese aber führt auf die
verderbte spätantike Formenwelt zurück. Daneben findet noch eine directe Nach¬
ahmung des römischen Details statt, die von den erhaltenen römischen Mo¬
numenten ausgeht. Die formale Bildung des Alterthums, als deren Ver¬
mittlerin und Trägerin die mit ihren Traditionen in Rom wurzelnde Geistlichkeit
erschien, war im Leben wie in der Kunst als die giltige anerkannt und auf¬
genommen, der Germanismus hatte eben nichts Anderes an ihre Stelle zu


zu dem beliebten Schema passen. Daß eines der Projecte die aus Ziegeln
gebildeten Mauerflüchen ungeputzt läßt, ist hierbei sehr unwesentlich, da der
gebrannte Stein eben nicht die Formgebung des Baues bedingt und beherrscht,
sondern nur als Füllung zwischen der Hausteinarchitektur verwandt ist. Schon
das römische Alterthum ließ das Ziegelmaterial, meist in trefflicher Behand¬
lung, sichtbar, ohne sich darum zu einer principiellen Verwendung des ge¬
brannten Steins als formbestimmendcs Material zu erheben. Diese ist aber
einzig und allein das Knterion des Materialbaues. Die Grundpläne endlich
sind jeder monumentalen Auffassung baar und ledig, führt doch in dem Pro¬
jecte: „8ut«z cMsque korwnatz daher" der inmitten der Burgstraßenfac^abe an¬
gebrachte Eingang gradezu auf die Abtritte!

Die dresdner Architektur setzt sich die Kunst des späten sechzehnten und
des siebenzehnten Jahrhunderts zum Vorbild. Diese Kunst aber war eben
der architektonische Ausdruck jener trostlosen Autorität- und Willkürherrschaft.
In dem Copiren ihres Schemas den dem modernen Ideal entsprechenden
Ausdruck suchen zu wollen, ist mindestens Verblendung.

Zur Münchener Schule bekennt sich ein Project. Das Motto desselben
ist uns entfallen. Uebrigens würde dieser Plan so wenig wie die dresdner
Entwürfe der Erwähnung werth gewesen sein, wenn sie uns nicht Veranlas¬
sung gegeben hätten, die Principien der Schule einer näheren Betrachtung
zu unterwerfen. Die Traditionen der Münchener Schule knüpfen sich an
Gärtners Namen. Gärtner wandte bei seinen Bauten fast ausschließlich den
Rundbogenstil an, den er im Geiste der romanischen Kunst, zuweilen mit
Hinneigung zur altitalienischen Bauart durchzubilden bemüht war. — Im
Rundbogen erkannten wir ein bedeutsames Moment der monumentalen Bau¬
kunst, zugleich aber auch ein wesentlich nationales Element. Hatte nun aber
der romanische Baustil (als welchen wir, jenen Sprachen, die durch Ver¬
schmelzung der alten Römersprache mit germanischen Elementen entstanden,
analog, den Baustil bezeichnen, welcher sich auf Grund altrömischer Tradition
durch Berührung mit germanischem Geiste entwickelte) in Rücksicht auf die cha¬
rakteristische Seite eine hohe Wahrheit und Gesetzmäßigkeit, eine monumentale
Würde und Großartigkeit gewonnen, so war er in Rücksicht aus die formale Seite in
einer ziemlich rohen Nachahmung des antiken Formalismus befangen. Die roma¬
nische Kunst knüpft an die altchristliche Formentradition an. diese aber führt auf die
verderbte spätantike Formenwelt zurück. Daneben findet noch eine directe Nach¬
ahmung des römischen Details statt, die von den erhaltenen römischen Mo¬
numenten ausgeht. Die formale Bildung des Alterthums, als deren Ver¬
mittlerin und Trägerin die mit ihren Traditionen in Rom wurzelnde Geistlichkeit
erschien, war im Leben wie in der Kunst als die giltige anerkannt und auf¬
genommen, der Germanismus hatte eben nichts Anderes an ihre Stelle zu


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[0482] zu dem beliebten Schema passen. Daß eines der Projecte die aus Ziegeln gebildeten Mauerflüchen ungeputzt läßt, ist hierbei sehr unwesentlich, da der gebrannte Stein eben nicht die Formgebung des Baues bedingt und beherrscht, sondern nur als Füllung zwischen der Hausteinarchitektur verwandt ist. Schon das römische Alterthum ließ das Ziegelmaterial, meist in trefflicher Behand¬ lung, sichtbar, ohne sich darum zu einer principiellen Verwendung des ge¬ brannten Steins als formbestimmendcs Material zu erheben. Diese ist aber einzig und allein das Knterion des Materialbaues. Die Grundpläne endlich sind jeder monumentalen Auffassung baar und ledig, führt doch in dem Pro¬ jecte: „8ut«z cMsque korwnatz daher" der inmitten der Burgstraßenfac^abe an¬ gebrachte Eingang gradezu auf die Abtritte! Die dresdner Architektur setzt sich die Kunst des späten sechzehnten und des siebenzehnten Jahrhunderts zum Vorbild. Diese Kunst aber war eben der architektonische Ausdruck jener trostlosen Autorität- und Willkürherrschaft. In dem Copiren ihres Schemas den dem modernen Ideal entsprechenden Ausdruck suchen zu wollen, ist mindestens Verblendung. Zur Münchener Schule bekennt sich ein Project. Das Motto desselben ist uns entfallen. Uebrigens würde dieser Plan so wenig wie die dresdner Entwürfe der Erwähnung werth gewesen sein, wenn sie uns nicht Veranlas¬ sung gegeben hätten, die Principien der Schule einer näheren Betrachtung zu unterwerfen. Die Traditionen der Münchener Schule knüpfen sich an Gärtners Namen. Gärtner wandte bei seinen Bauten fast ausschließlich den Rundbogenstil an, den er im Geiste der romanischen Kunst, zuweilen mit Hinneigung zur altitalienischen Bauart durchzubilden bemüht war. — Im Rundbogen erkannten wir ein bedeutsames Moment der monumentalen Bau¬ kunst, zugleich aber auch ein wesentlich nationales Element. Hatte nun aber der romanische Baustil (als welchen wir, jenen Sprachen, die durch Ver¬ schmelzung der alten Römersprache mit germanischen Elementen entstanden, analog, den Baustil bezeichnen, welcher sich auf Grund altrömischer Tradition durch Berührung mit germanischem Geiste entwickelte) in Rücksicht auf die cha¬ rakteristische Seite eine hohe Wahrheit und Gesetzmäßigkeit, eine monumentale Würde und Großartigkeit gewonnen, so war er in Rücksicht aus die formale Seite in einer ziemlich rohen Nachahmung des antiken Formalismus befangen. Die roma¬ nische Kunst knüpft an die altchristliche Formentradition an. diese aber führt auf die verderbte spätantike Formenwelt zurück. Daneben findet noch eine directe Nach¬ ahmung des römischen Details statt, die von den erhaltenen römischen Mo¬ numenten ausgeht. Die formale Bildung des Alterthums, als deren Ver¬ mittlerin und Trägerin die mit ihren Traditionen in Rom wurzelnde Geistlichkeit erschien, war im Leben wie in der Kunst als die giltige anerkannt und auf¬ genommen, der Germanismus hatte eben nichts Anderes an ihre Stelle zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/482>, abgerufen am 24.07.2024.