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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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die Nechtssubjecte bilden müssen. Nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung
aber ist jeder Theil der Monarchie, also jedes einzelne Land, in der Ver¬
fassung den andern rechtlich gleichzustellen. Die Berechtigung findet ihren Ausdruck
und ihre Bürgschaft in der Repräsentation. Eine Repräsentation (wie die der
Gesammtverfassung von 1855), welche sich auf die Volkszahl, ohne Rücksicht auf
die einzelnen Länder, welchen die Individuen angehören, stützt, kann mithin nicht
als Gesammtorgan eines aus selbstständigen und gleichberechtigten oder überhaupt
nur aus berechtigten Ländern gebildeten Gesammtstaats. sondern nur als Organ
eines Einheitsstaats, ohne Gliederung desselben durch gleichberechtigte Landes¬
theile gedacht werden. Die Gesammtverfassung von 1855 geht von einem dem
in der Bekanntmachung von 28. Jan. 1852 aufgestellten Grundsatz grade
entgegengesetzten Princip, dem der Nichtberechtigung der verschiedenen Theile
der Monarchie als solchen aus. Eine Repräsentation nach Volkszahl hat nicht
nur die Folge, daß die Länder mit weniger Bewohnern, hier also die Her-
zogthümer, in allen Fällen, wo die Interessen auseinandergehen, sich stets in
der Minorität befinden, sondern ihre politische Selbstständigkeit wird gradezu
vernichtet, weil die Minorität der Majorität gegenüber nicht blos eine geringe,
sondern gar keine Bedeutung hat. Wollte man daher bei der Neubildung
einer gemeinsamen Verfassung seine Vorschläge zugleich auf Schöpfung eines
Gescunmtorgttns richten, so müßte man vor allem fordern, daß jeder Theil
der Monarchie, also auch Holstein, in diesem Gesammtorgan mit jedem der
übrigen Theile eine sowol die Gleichberechtigung als die Selbstständigkeit sichernde
Vertretung bekomme. Dies würde sich nur so realisiren lassen, daß die Ver¬
treter jedes Theils, deren Zahl nach Größe der Theile verschieden sein könnte,
bei Abstimmungen über gemeinschaftliche Angelegenheiten unter sich stimmten,
und das Ergebniß der auf solche Weise gesonderten Abstimmung je eine
Stimme im Ganzen bildete -- für die dänische Monarchie also vier Stim¬
men. Ein Gesammtorgan (Reichsrath), gebildet durch eine gleiche Anzahl von
Stimmen aus jedem Theil der Monarchie, würde nur dem Princip der Gleich¬
berechtigung, nicht aber dem der Selbstständigkeit entsprechen, da in demselben
nur die Gesammtmonarchie als Einheit vertreten sein, die einzelnen Theile als
solche aber in der Einheit untergehen würden. Auch die Bildung eines Or¬
gans mit zwei Kammern, von denen die eine nach Staaten, die andere nach
Volkszahl gebildet wäre, würde dem der Bekanntmachung zu Grunde liegen¬
den Princip nicht entsprechen, da jeder Einfluß, welchen die zweite Kammer
übte, die Selbstständigkeit und Gleichberechtigung der Theile der Monarchie be¬
einträchtigen würde. Die Vertreter Holsteins mußten sich deshalb fragen,
ob den Voraussetzungen der Bekanntmachung nicht in anderer Weise Genüge
zu leisten sei, und sie fanden die Antwort in der Bekanntmachung selbst, wo >
sie sagt, daß auf die Einführung einer gemeinschaftlichen Verfassung zum


die Nechtssubjecte bilden müssen. Nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung
aber ist jeder Theil der Monarchie, also jedes einzelne Land, in der Ver¬
fassung den andern rechtlich gleichzustellen. Die Berechtigung findet ihren Ausdruck
und ihre Bürgschaft in der Repräsentation. Eine Repräsentation (wie die der
Gesammtverfassung von 1855), welche sich auf die Volkszahl, ohne Rücksicht auf
die einzelnen Länder, welchen die Individuen angehören, stützt, kann mithin nicht
als Gesammtorgan eines aus selbstständigen und gleichberechtigten oder überhaupt
nur aus berechtigten Ländern gebildeten Gesammtstaats. sondern nur als Organ
eines Einheitsstaats, ohne Gliederung desselben durch gleichberechtigte Landes¬
theile gedacht werden. Die Gesammtverfassung von 1855 geht von einem dem
in der Bekanntmachung von 28. Jan. 1852 aufgestellten Grundsatz grade
entgegengesetzten Princip, dem der Nichtberechtigung der verschiedenen Theile
der Monarchie als solchen aus. Eine Repräsentation nach Volkszahl hat nicht
nur die Folge, daß die Länder mit weniger Bewohnern, hier also die Her-
zogthümer, in allen Fällen, wo die Interessen auseinandergehen, sich stets in
der Minorität befinden, sondern ihre politische Selbstständigkeit wird gradezu
vernichtet, weil die Minorität der Majorität gegenüber nicht blos eine geringe,
sondern gar keine Bedeutung hat. Wollte man daher bei der Neubildung
einer gemeinsamen Verfassung seine Vorschläge zugleich auf Schöpfung eines
Gescunmtorgttns richten, so müßte man vor allem fordern, daß jeder Theil
der Monarchie, also auch Holstein, in diesem Gesammtorgan mit jedem der
übrigen Theile eine sowol die Gleichberechtigung als die Selbstständigkeit sichernde
Vertretung bekomme. Dies würde sich nur so realisiren lassen, daß die Ver¬
treter jedes Theils, deren Zahl nach Größe der Theile verschieden sein könnte,
bei Abstimmungen über gemeinschaftliche Angelegenheiten unter sich stimmten,
und das Ergebniß der auf solche Weise gesonderten Abstimmung je eine
Stimme im Ganzen bildete — für die dänische Monarchie also vier Stim¬
men. Ein Gesammtorgan (Reichsrath), gebildet durch eine gleiche Anzahl von
Stimmen aus jedem Theil der Monarchie, würde nur dem Princip der Gleich¬
berechtigung, nicht aber dem der Selbstständigkeit entsprechen, da in demselben
nur die Gesammtmonarchie als Einheit vertreten sein, die einzelnen Theile als
solche aber in der Einheit untergehen würden. Auch die Bildung eines Or¬
gans mit zwei Kammern, von denen die eine nach Staaten, die andere nach
Volkszahl gebildet wäre, würde dem der Bekanntmachung zu Grunde liegen¬
den Princip nicht entsprechen, da jeder Einfluß, welchen die zweite Kammer
übte, die Selbstständigkeit und Gleichberechtigung der Theile der Monarchie be¬
einträchtigen würde. Die Vertreter Holsteins mußten sich deshalb fragen,
ob den Voraussetzungen der Bekanntmachung nicht in anderer Weise Genüge
zu leisten sei, und sie fanden die Antwort in der Bekanntmachung selbst, wo >
sie sagt, daß auf die Einführung einer gemeinschaftlichen Verfassung zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/474>, abgerufen am 24.07.2024.