Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.mäßig, ob sie nothwendig sei, hängt davon ab, ob wir glauben, daß die ge¬ Wenn der erste^Versuch einer östreichischen Gesammtverfassung mi߬ In ihrer äußern Erscheinung ist freilich in Oestreich wie überall die Re¬ Die Schwierigkeiten lagen theils in der mangelnden Staatseinheit, theils In Ungarn hatte das an sich vollkommen gerechtfertigte Bestreben, den An der ungarischen Frage scheiterte der allgemeine Reformversuch; die mäßig, ob sie nothwendig sei, hängt davon ab, ob wir glauben, daß die ge¬ Wenn der erste^Versuch einer östreichischen Gesammtverfassung mi߬ In ihrer äußern Erscheinung ist freilich in Oestreich wie überall die Re¬ Die Schwierigkeiten lagen theils in der mangelnden Staatseinheit, theils In Ungarn hatte das an sich vollkommen gerechtfertigte Bestreben, den An der ungarischen Frage scheiterte der allgemeine Reformversuch; die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187406"/> <p xml:id="ID_1316" prev="#ID_1315"> mäßig, ob sie nothwendig sei, hängt davon ab, ob wir glauben, daß die ge¬<lb/> sellschaftlich e Ordnung zu ihrem Schutz dieser Formen entbehren könne<lb/> und ob das Königthum nicht selbst dieser Kräftigung bedürfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1317"> Wenn der erste^Versuch einer östreichischen Gesammtverfassung mi߬<lb/> glückte, so lag das theils in der Fehlerhaftigkeit ihrer Bestimmungen, theils<lb/> darin, daß man sie als ein Erzeugniß der Revolution betrachtete, gegen die<lb/> aus allen Kräften anzukämpfen sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1318"> In ihrer äußern Erscheinung ist freilich in Oestreich wie überall die Re¬<lb/> volution ein Plagiat der französischen gewesen; in ihrem Kern aber ging sie<lb/> aus bestimmten Uebelständen hervor und hatte einen eigenthümlichen Cha¬<lb/> rakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1319"> Die Schwierigkeiten lagen theils in der mangelnden Staatseinheit, theils<lb/> in dem Mißverhältniß der ungarischen Verfassung zu den Einrichtungen in<lb/> den übrigen Theilen der Monarchie — eine dritte, die unklare Stellung zu<lb/> Deutschland, hat der Verfasser übersetzn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1320"> In Ungarn hatte das an sich vollkommen gerechtfertigte Bestreben, den<lb/> Particularismus zu überwinden, zu halben Maßregeln und zur Bildung zweier<lb/> Parteien geführt, die beide in der Hitze des Kampfes nicht an die Möglich¬<lb/> keit des Sieges dachten, und daher in ihren Anforderungen kein Maß kann¬<lb/> ten. Wo der factische Zustand den Gesetzen nicht entspricht, ja wo zwischen<lb/> beiden ein Gegensatz besteht, muß es endlich zum Conflict kommen. Denn<lb/> bei einer systematischen Verletzung anerkannter Gesetze kann kein Staat stehn<lb/> bleiben; und die Klugheit, mit der man gewisse Fragen zu umgehen weiß,<lb/> weil man bei der Entscheidung einen unvermeidlichen Kampf voraussieht,<lb/> dient oft nur dazu, alle Stellungen zu verwirren und den Augenblick der Ent¬<lb/> scheidung dem Zufall zu überlassen, wodurch die Gefahr nur noch größer wird.<lb/> Das Resultat dieser Unklarheit sür Ungarn war zu Anfang des Jahres 1848:<lb/> Haß gegen die Regierung und fast alle Organe der Administration; die wich¬<lb/> tigsten Lebensbeziehungen in Frage gestellt; beide Parteien nur darauf bedacht,<lb/> wie sie ihre Gegner jedes Einflusses berauben können, ohne ein positives,<lb/> wenigstens ohne ein ausführbares Programm auszustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1321" next="#ID_1322"> An der ungarischen Frage scheiterte der allgemeine Reformversuch; die<lb/> Unterwerfung Ungarns mit Hilfe der Russen gab Gelegenheit, ein ganz neues<lb/> System zu verfolgen, das, mit Einsicht und Konsequenz durchgeführt, dennoch<lb/> im Grund revolutionärer ist, als alle frühern Versuche, die wahren Kraft¬<lb/> mittel Oestreichs außer Acht läßt und darum keine Dauer verspricht. „Statt<lb/> des historischen Rechts, welches der Monarchie durch Jahrhunderte als Grund¬<lb/> lage gedient und sich wenigstens fester bewiesen als jene, worauf der centrali-<lb/> sirte Staat Ludwig Philipps gegründet war, sollte das Band der Vereinigung<lb/> in Zukunft blos in dem unbeschränkten Maß der Regierungsgewalt und in einer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0454]
mäßig, ob sie nothwendig sei, hängt davon ab, ob wir glauben, daß die ge¬
sellschaftlich e Ordnung zu ihrem Schutz dieser Formen entbehren könne
und ob das Königthum nicht selbst dieser Kräftigung bedürfe.
Wenn der erste^Versuch einer östreichischen Gesammtverfassung mi߬
glückte, so lag das theils in der Fehlerhaftigkeit ihrer Bestimmungen, theils
darin, daß man sie als ein Erzeugniß der Revolution betrachtete, gegen die
aus allen Kräften anzukämpfen sei.
In ihrer äußern Erscheinung ist freilich in Oestreich wie überall die Re¬
volution ein Plagiat der französischen gewesen; in ihrem Kern aber ging sie
aus bestimmten Uebelständen hervor und hatte einen eigenthümlichen Cha¬
rakter.
Die Schwierigkeiten lagen theils in der mangelnden Staatseinheit, theils
in dem Mißverhältniß der ungarischen Verfassung zu den Einrichtungen in
den übrigen Theilen der Monarchie — eine dritte, die unklare Stellung zu
Deutschland, hat der Verfasser übersetzn.
In Ungarn hatte das an sich vollkommen gerechtfertigte Bestreben, den
Particularismus zu überwinden, zu halben Maßregeln und zur Bildung zweier
Parteien geführt, die beide in der Hitze des Kampfes nicht an die Möglich¬
keit des Sieges dachten, und daher in ihren Anforderungen kein Maß kann¬
ten. Wo der factische Zustand den Gesetzen nicht entspricht, ja wo zwischen
beiden ein Gegensatz besteht, muß es endlich zum Conflict kommen. Denn
bei einer systematischen Verletzung anerkannter Gesetze kann kein Staat stehn
bleiben; und die Klugheit, mit der man gewisse Fragen zu umgehen weiß,
weil man bei der Entscheidung einen unvermeidlichen Kampf voraussieht,
dient oft nur dazu, alle Stellungen zu verwirren und den Augenblick der Ent¬
scheidung dem Zufall zu überlassen, wodurch die Gefahr nur noch größer wird.
Das Resultat dieser Unklarheit sür Ungarn war zu Anfang des Jahres 1848:
Haß gegen die Regierung und fast alle Organe der Administration; die wich¬
tigsten Lebensbeziehungen in Frage gestellt; beide Parteien nur darauf bedacht,
wie sie ihre Gegner jedes Einflusses berauben können, ohne ein positives,
wenigstens ohne ein ausführbares Programm auszustellen.
An der ungarischen Frage scheiterte der allgemeine Reformversuch; die
Unterwerfung Ungarns mit Hilfe der Russen gab Gelegenheit, ein ganz neues
System zu verfolgen, das, mit Einsicht und Konsequenz durchgeführt, dennoch
im Grund revolutionärer ist, als alle frühern Versuche, die wahren Kraft¬
mittel Oestreichs außer Acht läßt und darum keine Dauer verspricht. „Statt
des historischen Rechts, welches der Monarchie durch Jahrhunderte als Grund¬
lage gedient und sich wenigstens fester bewiesen als jene, worauf der centrali-
sirte Staat Ludwig Philipps gegründet war, sollte das Band der Vereinigung
in Zukunft blos in dem unbeschränkten Maß der Regierungsgewalt und in einer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |