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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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versprach. Der treffliche Hafen Samana sollte nach demselben unter dem
Schein eines zwanzigjährigen Pachts an die Union abgetreten, dort Kohlen¬
lager für eine zwischen Neuyork und San Domingo einzurichtende Dampf¬
schiffahrt angelegt werden und die nordamerikanischen Bürger, welche sich hier
niederlassen würden, nur von ihrer einheimischen Behörde abhängig sein.
Man sieht, wenn dies zur Ausführung gekommen wäre, so hätten die Aankees
hier festen Fuß gefaßt, und Dominica wäre wahrscheinlich noch vor Ablauf
jener zwanzig Jahre der Union einverleibt worden. England und Frank¬
reich erhoben bei dem damaligen Präsidenten Santana Einspruch, und so
wurde der bereits unterzeichnete Bertrag nicht rcitisicirt. Soulouque, welcher
wußte, daß die Einfügung der Nachbarrcpublik in den nordamerikanischen
Staatenbund die Eroberung Hallis nach sich ziehen müsse, und dem die Eng¬
länder und Franzosen begreiflich machten, daß seine fortgesetzten Angriffe auf
die Dominicaner, wofern sie Erfolg hätten, die Mulatten nöthigen würden, sich den
Uankees in die Armee zu werfen, ließ die Waffen ruhen, konnte sich aber demun-
geachtet nicht entschließen, die Unabhängigkeit der "Rebellen" anzuerkennen. Im
April 1855 schien er indeß seine Ansicht geändert zu haben, wenigstens theilte San-.
tara dem Senat von Dominica zu dieser Zeit mit, Soulouque habe sich zur
Anerkennung der Republik geneigt erklärt, ja er sei sogar bereit, ein Bünd-
niß mit ihr abzuschließen. Die bald nachher entdeckte Verschwörung in
Dominica und die daraufhin von Santana verfügten grausamen Hinrich¬
tungen und Verfolgungen, welche in dem bis dahin kräftig aufblühenden
Gemeinwesen überall hin Gährung und Zerrüttung verbreiteten, machten
Soulouque wieder andern Sinnes. Aber wenn er hoffte, jetzt mit seinen
Plänen durchzuringen, so hatte er sich auch diesmal getäuscht.

Die Verschwörung in Dominica hing jedenfalls mit Umtrieben der Uan¬
kees zusammen. Die Freundschaft zwischen den beiden bedeutendsten Männern
des Staats, dem Sieger im Kampf mit den Haitiern, General Santana,
und dem Gehilfen desselben beim Aufbau der Verfassung, General Vaöz, war
während der Präsidentur des letztem erkaltet und hatte endlich bitterm Haß
Platz gemacht. Als 1853 Baöz seine Stelle niederlegte, wurde er auf San-
tanas, seines Nachfolgers, Betrieb verbannt und zog sich nach Neuyork zu¬
rück, wo er alles aufbot, um seinen Gegner zu stürzen. Die Verbindungen,
die .er in seinem Vaterland zurückgelassen, 'boten ihm dazu die Handhaben.
Es bildete sich jene Verschwörung, deren Zweck die Zurückberufung des Ver¬
bannten und seine Erhebung auf den Präsidentenstuhl war. Santana ver¬
fuhr gegen die Anhänger seines Gegners mit furchtbarer Strenge, ließ eine
große Anzahl derselben zu Seybo, wo er residirte, erschießen und trieb die
übrigen aus dem Lande. Die Folge war eine allgemeine Verkehrsstockung
und eine fast vollständige Entwerthung des Papiergeldes der Republik, so daß


versprach. Der treffliche Hafen Samana sollte nach demselben unter dem
Schein eines zwanzigjährigen Pachts an die Union abgetreten, dort Kohlen¬
lager für eine zwischen Neuyork und San Domingo einzurichtende Dampf¬
schiffahrt angelegt werden und die nordamerikanischen Bürger, welche sich hier
niederlassen würden, nur von ihrer einheimischen Behörde abhängig sein.
Man sieht, wenn dies zur Ausführung gekommen wäre, so hätten die Aankees
hier festen Fuß gefaßt, und Dominica wäre wahrscheinlich noch vor Ablauf
jener zwanzig Jahre der Union einverleibt worden. England und Frank¬
reich erhoben bei dem damaligen Präsidenten Santana Einspruch, und so
wurde der bereits unterzeichnete Bertrag nicht rcitisicirt. Soulouque, welcher
wußte, daß die Einfügung der Nachbarrcpublik in den nordamerikanischen
Staatenbund die Eroberung Hallis nach sich ziehen müsse, und dem die Eng¬
länder und Franzosen begreiflich machten, daß seine fortgesetzten Angriffe auf
die Dominicaner, wofern sie Erfolg hätten, die Mulatten nöthigen würden, sich den
Uankees in die Armee zu werfen, ließ die Waffen ruhen, konnte sich aber demun-
geachtet nicht entschließen, die Unabhängigkeit der „Rebellen" anzuerkennen. Im
April 1855 schien er indeß seine Ansicht geändert zu haben, wenigstens theilte San-.
tara dem Senat von Dominica zu dieser Zeit mit, Soulouque habe sich zur
Anerkennung der Republik geneigt erklärt, ja er sei sogar bereit, ein Bünd-
niß mit ihr abzuschließen. Die bald nachher entdeckte Verschwörung in
Dominica und die daraufhin von Santana verfügten grausamen Hinrich¬
tungen und Verfolgungen, welche in dem bis dahin kräftig aufblühenden
Gemeinwesen überall hin Gährung und Zerrüttung verbreiteten, machten
Soulouque wieder andern Sinnes. Aber wenn er hoffte, jetzt mit seinen
Plänen durchzuringen, so hatte er sich auch diesmal getäuscht.

Die Verschwörung in Dominica hing jedenfalls mit Umtrieben der Uan¬
kees zusammen. Die Freundschaft zwischen den beiden bedeutendsten Männern
des Staats, dem Sieger im Kampf mit den Haitiern, General Santana,
und dem Gehilfen desselben beim Aufbau der Verfassung, General Vaöz, war
während der Präsidentur des letztem erkaltet und hatte endlich bitterm Haß
Platz gemacht. Als 1853 Baöz seine Stelle niederlegte, wurde er auf San-
tanas, seines Nachfolgers, Betrieb verbannt und zog sich nach Neuyork zu¬
rück, wo er alles aufbot, um seinen Gegner zu stürzen. Die Verbindungen,
die .er in seinem Vaterland zurückgelassen, 'boten ihm dazu die Handhaben.
Es bildete sich jene Verschwörung, deren Zweck die Zurückberufung des Ver¬
bannten und seine Erhebung auf den Präsidentenstuhl war. Santana ver¬
fuhr gegen die Anhänger seines Gegners mit furchtbarer Strenge, ließ eine
große Anzahl derselben zu Seybo, wo er residirte, erschießen und trieb die
übrigen aus dem Lande. Die Folge war eine allgemeine Verkehrsstockung
und eine fast vollständige Entwerthung des Papiergeldes der Republik, so daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/444>, abgerufen am 24.07.2024.