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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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jene Zwangsverordnung ihn nicht mit Strafe bedroht hätte, die Pflege seiner
Kaffeegarten um so lieber aufgegeben und sich dein Schicksal der Armuth über¬
lassen haben, als einige Bananen und Wurzeln hinreichten, ihm das Leben
zu fristen, und Kleider, so wie andere Bedürfnisse civilisirter Völker ihm bei
dem Klima seiner Insel als entbehrlich erschienen.

Erst im Juli 1350 gelang es den fremden Consuln durch energische Vor¬
stellungen, die Aufhebung der Monopolisirung zu erwirken. Der Kaiser sah
darin eine Beeinträchtigung seiner Macht, und da er den Fremden nichts an¬
haben konnte, so mußten es die Mulatten entgelten. Sie wurden des Ein¬
verständnisses mit den Consuln angeklagt, und es begann von neuem eine
Reihe der greulichsten Scenen, Einkerkerungen, Hinrichtungen und Ermordungen.

Für Schulen that Soulouque nichts, er setzte sogar die unter Boyer im
Budget für Zwecke des Unterrichts bestimmte Summe von 20,00" Thalern
auf ein Drittel herab. Man kann sich denken, was dafür bei einer Bevöl¬
kerung von einer halben Million Menschen geleistet werden konnte, wenn man
damit vergleicht, daß eine unserer Mittelstädte jährlich mehr als doppelt so
viel für ihr Schulwesen ausgibt.

Etwas besser scheint für das Heer gesorgt gewesen zu sein. Indeß zahlte
der Kaiser auch hier mehr mit Titeln und Orden als mit Geld. Der Sold
der Offiziere und Soldaten war gering und wurde obendrein unregelmäßig
und mit Verkürzungen, überhaupt aber in dem fast werthlosen Zettelgeld aus¬
gezahlt. Um sich indeß unter den Generalen Freunde zu erhalten, gewährte
ihnen Soulouque gelegentlich einen Antheil an den Unterschleifen bei Liefe¬
rungsverträgen und dergleichen, und im Uebrigen halfen sich die hohem Offi¬
ziere durch Erpressungen oder dadurch, daß sie sich bestechen ließen -- Aus-
kunftsmittel, die auch unter den Civilbeamten an der Tagesordnung waren.
Die Ausrüstung und Uniformirung der Armee war über alle Begriffe kläglich.
Ein Amerikaner, derselbe, der nach dem Obigen die drastische Antwort in Be¬
treff der Produktion Hallis bekam, erzählt davon Folgendes:

"Wir kletterten mühsam über das zerbrochene Holzgerüst der halbvermo-
derten Landungsbrücke (von Jacmcl) und wurden sofort umringt und sehr ge¬
läufig französisch angeredet von dem zerlumptesten Gesindel, unter das ich je¬
mals in meinem Leben gerathen war. Ich dachte zuerst beinahe, es handle
sich um irgend ein pantomimisches Fest, und dieses Sammelsurium von alten
Lappen und Fetzen sei eben der Spaß des Tages. An der Ecke der Ufer¬
bastei stand eine Schildwache auf Posten, daneben war ein Schuppen, der als
Hauptwache zu dienen schien, mit ungefähr einem Dutzend Soldaten an der
Thür. Diese militärischen Neger waren ebenso komisch mit Lumpen und Lap¬
pen behängen wie die anderen. Kaum zwei von ihnen sah ich gleichmüßig
bewaffnet und unisormirt. Es war ein Mummenschanz, der sich ausnahm,


jene Zwangsverordnung ihn nicht mit Strafe bedroht hätte, die Pflege seiner
Kaffeegarten um so lieber aufgegeben und sich dein Schicksal der Armuth über¬
lassen haben, als einige Bananen und Wurzeln hinreichten, ihm das Leben
zu fristen, und Kleider, so wie andere Bedürfnisse civilisirter Völker ihm bei
dem Klima seiner Insel als entbehrlich erschienen.

Erst im Juli 1350 gelang es den fremden Consuln durch energische Vor¬
stellungen, die Aufhebung der Monopolisirung zu erwirken. Der Kaiser sah
darin eine Beeinträchtigung seiner Macht, und da er den Fremden nichts an¬
haben konnte, so mußten es die Mulatten entgelten. Sie wurden des Ein¬
verständnisses mit den Consuln angeklagt, und es begann von neuem eine
Reihe der greulichsten Scenen, Einkerkerungen, Hinrichtungen und Ermordungen.

Für Schulen that Soulouque nichts, er setzte sogar die unter Boyer im
Budget für Zwecke des Unterrichts bestimmte Summe von 20,00« Thalern
auf ein Drittel herab. Man kann sich denken, was dafür bei einer Bevöl¬
kerung von einer halben Million Menschen geleistet werden konnte, wenn man
damit vergleicht, daß eine unserer Mittelstädte jährlich mehr als doppelt so
viel für ihr Schulwesen ausgibt.

Etwas besser scheint für das Heer gesorgt gewesen zu sein. Indeß zahlte
der Kaiser auch hier mehr mit Titeln und Orden als mit Geld. Der Sold
der Offiziere und Soldaten war gering und wurde obendrein unregelmäßig
und mit Verkürzungen, überhaupt aber in dem fast werthlosen Zettelgeld aus¬
gezahlt. Um sich indeß unter den Generalen Freunde zu erhalten, gewährte
ihnen Soulouque gelegentlich einen Antheil an den Unterschleifen bei Liefe¬
rungsverträgen und dergleichen, und im Uebrigen halfen sich die hohem Offi¬
ziere durch Erpressungen oder dadurch, daß sie sich bestechen ließen — Aus-
kunftsmittel, die auch unter den Civilbeamten an der Tagesordnung waren.
Die Ausrüstung und Uniformirung der Armee war über alle Begriffe kläglich.
Ein Amerikaner, derselbe, der nach dem Obigen die drastische Antwort in Be¬
treff der Produktion Hallis bekam, erzählt davon Folgendes:

„Wir kletterten mühsam über das zerbrochene Holzgerüst der halbvermo-
derten Landungsbrücke (von Jacmcl) und wurden sofort umringt und sehr ge¬
läufig französisch angeredet von dem zerlumptesten Gesindel, unter das ich je¬
mals in meinem Leben gerathen war. Ich dachte zuerst beinahe, es handle
sich um irgend ein pantomimisches Fest, und dieses Sammelsurium von alten
Lappen und Fetzen sei eben der Spaß des Tages. An der Ecke der Ufer¬
bastei stand eine Schildwache auf Posten, daneben war ein Schuppen, der als
Hauptwache zu dienen schien, mit ungefähr einem Dutzend Soldaten an der
Thür. Diese militärischen Neger waren ebenso komisch mit Lumpen und Lap¬
pen behängen wie die anderen. Kaum zwei von ihnen sah ich gleichmüßig
bewaffnet und unisormirt. Es war ein Mummenschanz, der sich ausnahm,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/441>, abgerufen am 24.07.2024.