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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Der Streit mit dem Papst machte dem Kaiser in Haiti keine Gegner.
Wol aber fand man seinen Despotismus allmnlig unerträglich. Die Ver¬
fassung bestimmte ihm eine Civilliste von 150,00", der Kaiserin jährlich 50,000
Gourdons, nach unserm Geld etwa 280,000 Thaler. Dies war mehr als
der siebente Theil des gesammten Staatseinkommcns. Soulouque blieb aber
dabei nicht stehen, er griff nach allem, was zur Befriedigung seiner zahlreichen
abenteuerlichen Launen erforderlich war. Zunächst wurden bei Lieserungsver-
trägen heimliche Geschäfte für die kaiserliche Kasse gemacht. Dann ließ er
seine Soldaten, die drei Regimenter Kaisergnrde nicht ausgenommen, als
Handwerker und Tagelöhner für Privatleute arbeiten und strich den dafür ge¬
zählten Lohn ein. Am meisten endlich brachten ihm seine Manöver mit dem
Staatspapiergeld ein. Zur Zeit NiclM belief sich die Summe des im Um¬
lauf befindlichen Papiergeldes auf 17 Millionen Gourdons. unter Sou¬
louque war sie bereits zwei Jahre nach seiner Krönung aus 50 Millionen ge¬
stiegen. Der Kaiser gab geraume Zeit nacheinander täglich sür 20,000 Gourdons
Zettclmünze aus, und wehe dem, der sich weigerte, sie anzunehmen. Sou¬
louque war nach seiner eignen Ansicht überaus gutherzig, nur nicht gegen
Rebellen und Hochverräther. Ein Unterthan aber, der sein Papier nicht für
gut ansah, war ihm ein Hochverräther erster Classe, und für diese gab es
nur eine Strafe, den Tod. Zu Gunsten der fremden Kaufleute mußte er in¬
deß eine Ausnahme machen. Diese nahmen für die Waaren, welche sie im-
portirten, die Soulouqueschen Zettel nicht. Sie ließen sich, da so gut wie
kein anderes Geld vorhanden war -- wenigstens nur in den Truhen des
Kaisers und einiger seiner Günstlinge -- mit Kaffeebohnen bezahlen, die hier
zuletzt beinahe wie die in der Heimath der Schwarzen gebräuchlichen Kauris ge¬
braucht wurden, so daß auch in dieser Beziehung das echte urwüchsige Äfrikaner-
thum sich seiner vollkommenen Wiederherstellung näherte.

Der Kaffee ist das Haupterzeugniß der Insel, er ist die Basis der dor¬
tigen Finanzen und wird ovo Soulouques Negern nach einer Zwangsvcrord-
nung gebaut, was indeß nicht hinderte, daß die Ausfuhr, die unter Boyer
sich noch auf 50 Millionen Pfund belaufen hatte, unter Soulouque auf
35 Millionen Pfund herabsank. Der Kaiser nahm, um sich für seine Aus¬
gaben eine sichere Quelle zu verschaffen, ein Zehntel der ganzen Kaffeeernte
für sich in Anspruch und monopolisiren eine Anzahl von Agenten, an welche
die Besitzer von Kaffecplantagen allein ihren Kaffee verkaufen durften. Diese
Agenten drückten natürlich, da sie keine Concurrenz zu fürchten hatten, die
Producenten aufs äußerste und zahlten ihnen dafür nur Papiergeld, während
sie von den europäischen Exporteuren gutes Geld sür ihre Waare erhielten,
von dem sie dann an die kaiserliche Kasse den erwähnten Zehnten abführten.
Unter solchen Verhältnissen würde der von Natur träge Negcrbauer, wenn


Der Streit mit dem Papst machte dem Kaiser in Haiti keine Gegner.
Wol aber fand man seinen Despotismus allmnlig unerträglich. Die Ver¬
fassung bestimmte ihm eine Civilliste von 150,00», der Kaiserin jährlich 50,000
Gourdons, nach unserm Geld etwa 280,000 Thaler. Dies war mehr als
der siebente Theil des gesammten Staatseinkommcns. Soulouque blieb aber
dabei nicht stehen, er griff nach allem, was zur Befriedigung seiner zahlreichen
abenteuerlichen Launen erforderlich war. Zunächst wurden bei Lieserungsver-
trägen heimliche Geschäfte für die kaiserliche Kasse gemacht. Dann ließ er
seine Soldaten, die drei Regimenter Kaisergnrde nicht ausgenommen, als
Handwerker und Tagelöhner für Privatleute arbeiten und strich den dafür ge¬
zählten Lohn ein. Am meisten endlich brachten ihm seine Manöver mit dem
Staatspapiergeld ein. Zur Zeit NiclM belief sich die Summe des im Um¬
lauf befindlichen Papiergeldes auf 17 Millionen Gourdons. unter Sou¬
louque war sie bereits zwei Jahre nach seiner Krönung aus 50 Millionen ge¬
stiegen. Der Kaiser gab geraume Zeit nacheinander täglich sür 20,000 Gourdons
Zettclmünze aus, und wehe dem, der sich weigerte, sie anzunehmen. Sou¬
louque war nach seiner eignen Ansicht überaus gutherzig, nur nicht gegen
Rebellen und Hochverräther. Ein Unterthan aber, der sein Papier nicht für
gut ansah, war ihm ein Hochverräther erster Classe, und für diese gab es
nur eine Strafe, den Tod. Zu Gunsten der fremden Kaufleute mußte er in¬
deß eine Ausnahme machen. Diese nahmen für die Waaren, welche sie im-
portirten, die Soulouqueschen Zettel nicht. Sie ließen sich, da so gut wie
kein anderes Geld vorhanden war — wenigstens nur in den Truhen des
Kaisers und einiger seiner Günstlinge — mit Kaffeebohnen bezahlen, die hier
zuletzt beinahe wie die in der Heimath der Schwarzen gebräuchlichen Kauris ge¬
braucht wurden, so daß auch in dieser Beziehung das echte urwüchsige Äfrikaner-
thum sich seiner vollkommenen Wiederherstellung näherte.

Der Kaffee ist das Haupterzeugniß der Insel, er ist die Basis der dor¬
tigen Finanzen und wird ovo Soulouques Negern nach einer Zwangsvcrord-
nung gebaut, was indeß nicht hinderte, daß die Ausfuhr, die unter Boyer
sich noch auf 50 Millionen Pfund belaufen hatte, unter Soulouque auf
35 Millionen Pfund herabsank. Der Kaiser nahm, um sich für seine Aus¬
gaben eine sichere Quelle zu verschaffen, ein Zehntel der ganzen Kaffeeernte
für sich in Anspruch und monopolisiren eine Anzahl von Agenten, an welche
die Besitzer von Kaffecplantagen allein ihren Kaffee verkaufen durften. Diese
Agenten drückten natürlich, da sie keine Concurrenz zu fürchten hatten, die
Producenten aufs äußerste und zahlten ihnen dafür nur Papiergeld, während
sie von den europäischen Exporteuren gutes Geld sür ihre Waare erhielten,
von dem sie dann an die kaiserliche Kasse den erwähnten Zehnten abführten.
Unter solchen Verhältnissen würde der von Natur träge Negcrbauer, wenn


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[0440] Der Streit mit dem Papst machte dem Kaiser in Haiti keine Gegner. Wol aber fand man seinen Despotismus allmnlig unerträglich. Die Ver¬ fassung bestimmte ihm eine Civilliste von 150,00», der Kaiserin jährlich 50,000 Gourdons, nach unserm Geld etwa 280,000 Thaler. Dies war mehr als der siebente Theil des gesammten Staatseinkommcns. Soulouque blieb aber dabei nicht stehen, er griff nach allem, was zur Befriedigung seiner zahlreichen abenteuerlichen Launen erforderlich war. Zunächst wurden bei Lieserungsver- trägen heimliche Geschäfte für die kaiserliche Kasse gemacht. Dann ließ er seine Soldaten, die drei Regimenter Kaisergnrde nicht ausgenommen, als Handwerker und Tagelöhner für Privatleute arbeiten und strich den dafür ge¬ zählten Lohn ein. Am meisten endlich brachten ihm seine Manöver mit dem Staatspapiergeld ein. Zur Zeit NiclM belief sich die Summe des im Um¬ lauf befindlichen Papiergeldes auf 17 Millionen Gourdons. unter Sou¬ louque war sie bereits zwei Jahre nach seiner Krönung aus 50 Millionen ge¬ stiegen. Der Kaiser gab geraume Zeit nacheinander täglich sür 20,000 Gourdons Zettclmünze aus, und wehe dem, der sich weigerte, sie anzunehmen. Sou¬ louque war nach seiner eignen Ansicht überaus gutherzig, nur nicht gegen Rebellen und Hochverräther. Ein Unterthan aber, der sein Papier nicht für gut ansah, war ihm ein Hochverräther erster Classe, und für diese gab es nur eine Strafe, den Tod. Zu Gunsten der fremden Kaufleute mußte er in¬ deß eine Ausnahme machen. Diese nahmen für die Waaren, welche sie im- portirten, die Soulouqueschen Zettel nicht. Sie ließen sich, da so gut wie kein anderes Geld vorhanden war — wenigstens nur in den Truhen des Kaisers und einiger seiner Günstlinge — mit Kaffeebohnen bezahlen, die hier zuletzt beinahe wie die in der Heimath der Schwarzen gebräuchlichen Kauris ge¬ braucht wurden, so daß auch in dieser Beziehung das echte urwüchsige Äfrikaner- thum sich seiner vollkommenen Wiederherstellung näherte. Der Kaffee ist das Haupterzeugniß der Insel, er ist die Basis der dor¬ tigen Finanzen und wird ovo Soulouques Negern nach einer Zwangsvcrord- nung gebaut, was indeß nicht hinderte, daß die Ausfuhr, die unter Boyer sich noch auf 50 Millionen Pfund belaufen hatte, unter Soulouque auf 35 Millionen Pfund herabsank. Der Kaiser nahm, um sich für seine Aus¬ gaben eine sichere Quelle zu verschaffen, ein Zehntel der ganzen Kaffeeernte für sich in Anspruch und monopolisiren eine Anzahl von Agenten, an welche die Besitzer von Kaffecplantagen allein ihren Kaffee verkaufen durften. Diese Agenten drückten natürlich, da sie keine Concurrenz zu fürchten hatten, die Producenten aufs äußerste und zahlten ihnen dafür nur Papiergeld, während sie von den europäischen Exporteuren gutes Geld sür ihre Waare erhielten, von dem sie dann an die kaiserliche Kasse den erwähnten Zehnten abführten. Unter solchen Verhältnissen würde der von Natur träge Negcrbauer, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/440>, abgerufen am 24.07.2024.