Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.der seinen vollendetsten Ausdruck im neuen Museum gefunden hat. Die Fä¬ Grenzboten I. 1859. 5
der seinen vollendetsten Ausdruck im neuen Museum gefunden hat. Die Fä¬ Grenzboten I. 1859. 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0043" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186994"/> <p xml:id="ID_113" prev="#ID_112" next="#ID_114"> der seinen vollendetsten Ausdruck im neuen Museum gefunden hat. Die Fä¬<lb/> higkeit einer umfassenden, wir möchten sagen physiognomischen Charatterisnk.<lb/> die innerste Wesenheit monumentaler Baukunst, ging ihm verloren über dem<lb/> Schema und so blieb nur das Schema, dem sich alles fügen mußte. Und<lb/> das Schema ist es, das die Schüler dem Meister abgesehn und dieses Schema,<lb/> was jene berliner Concurrenzentwürfe so leer und langweilig macht. Wol<lb/> bemühte sich Schinkel monumental zu wirken. aber die Mittel antiker Bau-<lb/> Weise beschränken sich nur auf die Säule. So sehn wir Schinkel die Säule<lb/> M Kolossalsäule ausdehnen und zwischen sie die Geschosse quetschen, kannten<lb/> doch die Alten nur den einstöckigen Porticus: — also mußte jenem Vorbild<lb/> gemäß, auch das mehrstöckige Gebäude als eine Süulenstellung wenigstens<lb/> erscheinen. Alles ward dem Schema geopfert; mußten auch die charakteri¬<lb/> stischen Merkmale weichen, das Schema war gerettet, das Haus präsen'tiree<lb/> sich. Wenn auch nur von vorn, als mächtiger Porticus. als Abbild der grie¬<lb/> chischen Tempelhalle. Jene kolossalen Säulenstellungen aber sind es, die bei-<lb/> ^usig gesagt, trotz -himmelweiter Verschiedenheit in der Detailsbildung. Schin¬<lb/> kel mit seinen Vorgängern verknüpfen, den Uebergang der Bauweise des<lb/> 18- Jahrhunderts zu der des 19. bilden. Ward der Mörtel zur Lüge am<lb/> Material, so ward das Schema zur Lüge am Wesen des Bauwerks. Gleich<lb/> wie Schiller das Wesen der Poesie als dem Leben feindlich begriff, die Tren¬<lb/> nung von Kunst und Leben verlangte, so saßte auch Schinkel die Architektur<lb/> als clous vom Boden, darauf es doch wachsen, von den Verhältnissen, unter<lb/> denen es doch nur erwachsen konnte und sollte. Unabhängiges. Freies auf und<lb/> ward unwahr. Und dies der andere Irrthum des nach dem Höchsten stre¬<lb/> benden Künstlers. Vermochte nun aber Schinkel nicht das Wesen des Bau¬<lb/> werks von Innen heraus zu monumentaler Bedeutung zu entwickeln, trug er<lb/> vielmehr das, was ihm zur monumentalen Erscheinung desselben erforderlich<lb/> schien, von Außen hinzu, so erreichte er auch eine wahrhaft monumentale<lb/> Raumdisposition nicht. Das Innere ward dem Anbau, das Sein dem<lb/> Schein geopfert, die Ineinsbildung von Sein und Schein blieb Schinkel ver¬<lb/> schlossen und damit der Kern und das Wesen monumentaler Baukunst über¬<lb/> haupt. Nicht auf das Nacheinander folgender, sich steigernder Eindrücke, die<lb/> auf das Letzte vorbereiten, zu ihm hinführen, mit ihm sich zu harmonischer<lb/> Stimmung, zu einer mächtigen Gesammtwirkung verbinden, nicht auf perspec-<lb/> tivische Wirkungen, die schon beim Eintritt das Kommende ahnen, das Ganze<lb/> in mächtiger Anrede zusammenklingen lassen, die nichts kosten als eine künst¬<lb/> lerische Anordnung, acht auf.solche Compositionsgesctze basirte Schinkel seine<lb/> Raumbildung. Die vor das Haus gestellte gewaltige Säulenhalle gibt den<lb/> Maßstab, läßt alles Folgende klein und ärmlich erscheinen. Statt erhoben zu<lb/> werden, fühlt der Beschauer sich gedrückt, das Innere hält nicht, was das</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1859. 5</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
der seinen vollendetsten Ausdruck im neuen Museum gefunden hat. Die Fä¬
higkeit einer umfassenden, wir möchten sagen physiognomischen Charatterisnk.
die innerste Wesenheit monumentaler Baukunst, ging ihm verloren über dem
Schema und so blieb nur das Schema, dem sich alles fügen mußte. Und
das Schema ist es, das die Schüler dem Meister abgesehn und dieses Schema,
was jene berliner Concurrenzentwürfe so leer und langweilig macht. Wol
bemühte sich Schinkel monumental zu wirken. aber die Mittel antiker Bau-
Weise beschränken sich nur auf die Säule. So sehn wir Schinkel die Säule
M Kolossalsäule ausdehnen und zwischen sie die Geschosse quetschen, kannten
doch die Alten nur den einstöckigen Porticus: — also mußte jenem Vorbild
gemäß, auch das mehrstöckige Gebäude als eine Süulenstellung wenigstens
erscheinen. Alles ward dem Schema geopfert; mußten auch die charakteri¬
stischen Merkmale weichen, das Schema war gerettet, das Haus präsen'tiree
sich. Wenn auch nur von vorn, als mächtiger Porticus. als Abbild der grie¬
chischen Tempelhalle. Jene kolossalen Säulenstellungen aber sind es, die bei-
^usig gesagt, trotz -himmelweiter Verschiedenheit in der Detailsbildung. Schin¬
kel mit seinen Vorgängern verknüpfen, den Uebergang der Bauweise des
18- Jahrhunderts zu der des 19. bilden. Ward der Mörtel zur Lüge am
Material, so ward das Schema zur Lüge am Wesen des Bauwerks. Gleich
wie Schiller das Wesen der Poesie als dem Leben feindlich begriff, die Tren¬
nung von Kunst und Leben verlangte, so saßte auch Schinkel die Architektur
als clous vom Boden, darauf es doch wachsen, von den Verhältnissen, unter
denen es doch nur erwachsen konnte und sollte. Unabhängiges. Freies auf und
ward unwahr. Und dies der andere Irrthum des nach dem Höchsten stre¬
benden Künstlers. Vermochte nun aber Schinkel nicht das Wesen des Bau¬
werks von Innen heraus zu monumentaler Bedeutung zu entwickeln, trug er
vielmehr das, was ihm zur monumentalen Erscheinung desselben erforderlich
schien, von Außen hinzu, so erreichte er auch eine wahrhaft monumentale
Raumdisposition nicht. Das Innere ward dem Anbau, das Sein dem
Schein geopfert, die Ineinsbildung von Sein und Schein blieb Schinkel ver¬
schlossen und damit der Kern und das Wesen monumentaler Baukunst über¬
haupt. Nicht auf das Nacheinander folgender, sich steigernder Eindrücke, die
auf das Letzte vorbereiten, zu ihm hinführen, mit ihm sich zu harmonischer
Stimmung, zu einer mächtigen Gesammtwirkung verbinden, nicht auf perspec-
tivische Wirkungen, die schon beim Eintritt das Kommende ahnen, das Ganze
in mächtiger Anrede zusammenklingen lassen, die nichts kosten als eine künst¬
lerische Anordnung, acht auf.solche Compositionsgesctze basirte Schinkel seine
Raumbildung. Die vor das Haus gestellte gewaltige Säulenhalle gibt den
Maßstab, läßt alles Folgende klein und ärmlich erscheinen. Statt erhoben zu
werden, fühlt der Beschauer sich gedrückt, das Innere hält nicht, was das
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