Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.Am wunderbarsten sind die Grundstcucrverhältnisse in der Provinz Sachsen. Es ist nun eine von Rechtslehrern vielfach ventilirte, schwer zu entscheidende Darüber kann aber kein Streit sein, daß es für die Verwaltung eine Am wunderbarsten sind die Grundstcucrverhältnisse in der Provinz Sachsen. Es ist nun eine von Rechtslehrern vielfach ventilirte, schwer zu entscheidende Darüber kann aber kein Streit sein, daß es für die Verwaltung eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187368"/> <p xml:id="ID_1181"> Am wunderbarsten sind die Grundstcucrverhältnisse in der Provinz Sachsen.<lb/> Theile der Regierungsbezirke Magdeburg, 210 Q.M., Merseburg, 31 Q.M.,<lb/> Erfurt, 31 Q.M., folgen der schon oben erwähnten westfälischen Grundsteuer¬<lb/> verfassung. Im Uebrigen bestehen für die Erdtaube, die Oberlausitz. die<lb/> Niederlausih, die Aemter Jüterbogk und Dahme, für Altquerfurt, für<lb/> Henneberg und endlich Nienburg abgesonderte Grundsteuerversassungen. so daß<lb/> unter 35 verschiedenen Kolonnen Schocksteuer, Donativgeldcr, Kontribution<lb/> nach jenen alten historischen Einteilungen der sächsischen Lande noch heute<lb/> die Grundsteuern erhoben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1182"> Es ist nun eine von Rechtslehrern vielfach ventilirte, schwer zu entscheidende<lb/> Frage, ob es besser sei, bei einem Staate, der sich aus verschiedenen, wenn¬<lb/> gleich ähnlichen ^Elementen entwickelt hat, für die einzelnen Theile das in<lb/> diesem historisch vorgefundene Recht zu erhalten, um so das alte Andenken<lb/> der Bevölkerung an ihre Geschichte zu erhalten und die für Rechtsfragen häusig<lb/> so schwierigen Aenderungen, zu deren Bewußtsein die doch mehr oder minder<lb/> rechtsunkundige Bevölkerung erst sehr allmälig gelangt, zu vermeiden, oder,<lb/> ohne Rücksicht auf die Individualität der einzelnen Theile der Bevölkerung<lb/> des Staats zu nehmen, aus Nützlichkeitsgründen alles historisch Gegebene<lb/> aufzuheben und eine neue, die Gesammtheit bindende Gesetzgebung zu schaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> Darüber kann aber kein Streit sein, daß es für die Verwaltung eine<lb/> der wichtigsten Aufgaben ist, bei Fragen über die Besteuerung der zu einem<lb/> Staate gehörigen Bevölkerung ein einheitliches Princip aufzustellen, da hier<lb/> wegen des materiellen Interesses bei einer solchen vielleicht historisch wohlbe-<lb/> gründeten Verschiedenheit gar zu leicht die wichtigste und Hauptanforderung,<lb/> nämlich die, daß der Gerechtigkeit der Besteuerung Genüge geleistet werde,<lb/> nicht erfüllt wird. Uebrigens sind ja auch solche Verschiedenheiten in der Art<lb/> und Auffassung der Besteuerung durchaus nicht wie die Verschiedenheiten in<lb/> der Rechtsauffassung aus dem Rechtsbewußtsein des Volkes, sondern aus<lb/> irgend welchen historischen oder politischen Ereignissen hervorgegangen. Wenn<lb/> nun aber, wie aus dem Edict von 1810 hervorgeht, der König Friedrich<lb/> Wilhelm der Dritte selbst die Wichtigkeit der Regulirung der Grundsteuer-<lb/> Verhältnisse anerkannte und wenn man später das Interesse in Betreff dieser<lb/> Fragen als ein provinzielles, kein allgemein staatliches bezeichnete, um doch<lb/> einen Grund dafür zu haben, daß man einer definitiven Entscheidung aus¬<lb/> wich, so gibt uns beides den besten Beweis einmal für die politische und<lb/> dann für die wirthschaftliche Wichtigkeit, dann aber auch für die Schwierig¬<lb/> keit der Grundstcuerfrage. Und kann man auch mit Bestimmtheit behaupten,<lb/> daß der in seinem materiellen Interesse durch eine durchgreifende Entscheidung<lb/> über die Grundsteuern wesentlich angegriffene Adel alles aufgeboten hat, um<lb/> eine solche Entscheidung möglichst weit hinauszuschieben, so würde er doch,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
Am wunderbarsten sind die Grundstcucrverhältnisse in der Provinz Sachsen.
Theile der Regierungsbezirke Magdeburg, 210 Q.M., Merseburg, 31 Q.M.,
Erfurt, 31 Q.M., folgen der schon oben erwähnten westfälischen Grundsteuer¬
verfassung. Im Uebrigen bestehen für die Erdtaube, die Oberlausitz. die
Niederlausih, die Aemter Jüterbogk und Dahme, für Altquerfurt, für
Henneberg und endlich Nienburg abgesonderte Grundsteuerversassungen. so daß
unter 35 verschiedenen Kolonnen Schocksteuer, Donativgeldcr, Kontribution
nach jenen alten historischen Einteilungen der sächsischen Lande noch heute
die Grundsteuern erhoben werden.
Es ist nun eine von Rechtslehrern vielfach ventilirte, schwer zu entscheidende
Frage, ob es besser sei, bei einem Staate, der sich aus verschiedenen, wenn¬
gleich ähnlichen ^Elementen entwickelt hat, für die einzelnen Theile das in
diesem historisch vorgefundene Recht zu erhalten, um so das alte Andenken
der Bevölkerung an ihre Geschichte zu erhalten und die für Rechtsfragen häusig
so schwierigen Aenderungen, zu deren Bewußtsein die doch mehr oder minder
rechtsunkundige Bevölkerung erst sehr allmälig gelangt, zu vermeiden, oder,
ohne Rücksicht auf die Individualität der einzelnen Theile der Bevölkerung
des Staats zu nehmen, aus Nützlichkeitsgründen alles historisch Gegebene
aufzuheben und eine neue, die Gesammtheit bindende Gesetzgebung zu schaffen.
Darüber kann aber kein Streit sein, daß es für die Verwaltung eine
der wichtigsten Aufgaben ist, bei Fragen über die Besteuerung der zu einem
Staate gehörigen Bevölkerung ein einheitliches Princip aufzustellen, da hier
wegen des materiellen Interesses bei einer solchen vielleicht historisch wohlbe-
gründeten Verschiedenheit gar zu leicht die wichtigste und Hauptanforderung,
nämlich die, daß der Gerechtigkeit der Besteuerung Genüge geleistet werde,
nicht erfüllt wird. Uebrigens sind ja auch solche Verschiedenheiten in der Art
und Auffassung der Besteuerung durchaus nicht wie die Verschiedenheiten in
der Rechtsauffassung aus dem Rechtsbewußtsein des Volkes, sondern aus
irgend welchen historischen oder politischen Ereignissen hervorgegangen. Wenn
nun aber, wie aus dem Edict von 1810 hervorgeht, der König Friedrich
Wilhelm der Dritte selbst die Wichtigkeit der Regulirung der Grundsteuer-
Verhältnisse anerkannte und wenn man später das Interesse in Betreff dieser
Fragen als ein provinzielles, kein allgemein staatliches bezeichnete, um doch
einen Grund dafür zu haben, daß man einer definitiven Entscheidung aus¬
wich, so gibt uns beides den besten Beweis einmal für die politische und
dann für die wirthschaftliche Wichtigkeit, dann aber auch für die Schwierig¬
keit der Grundstcuerfrage. Und kann man auch mit Bestimmtheit behaupten,
daß der in seinem materiellen Interesse durch eine durchgreifende Entscheidung
über die Grundsteuern wesentlich angegriffene Adel alles aufgeboten hat, um
eine solche Entscheidung möglichst weit hinauszuschieben, so würde er doch,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |