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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Königsberg und Bromberg besteht eine eigene Grundstcucrverfassung. Diese
Länder, zusammen 430 Q.M., wesentlich das frühere Besitzthum des deutschen
Ordens, zahlten seit dem Jahre 1460--1772 unter polnischer Oberhoheit
eine von den Landtagen bestimmte Kontribution, wo der adlige Grundbesitz
fast ganz von Lasten befreit blieb. Friedrich der Große verhieß gleich bei
Besitznahme dieser Länder eine Regelung der Grundsteuer binnen kurzem,
und schon im Juni 1772 trat eine Commission zu diesem Zweck zusammen.
Die adligen Güter wurden nach einer allgemeinen Vermessung und Abschätzung
des Landes, je nachdem sie Nitterdienstgclder früher entrichtet hatten, mit
25, 28 oder 33'/" Procent des Reinertrags besteuert, die Bauerngüter
ohne Unterschied mit 33^/, Procent. Die hier in diesen Ländern getroffenen
Einrichtungen waren vollkommen denen Friedrich Wilhelm des Ersten in Ost¬
preußen nachgebildet. Trotz diesen generalisircnden Maßregeln bestehen noch
bis heut in diesen Gebietstheilen ehemals polnische Abgaben, und finden sich
neben der Hauptgrundsteuer vom Jahre 1772 unter diese mit einbegriffen
Ritterdienstgelder, Schutzgelder, Trnnksteuer!, so daß auch hier von einer Ein¬
heit nicht die Rede ist, --

Die älteste polnische Grundsteuer sind die Rauchfanggelder nach einem
Verzeichnis; der Häuser tarifmäßig entrichtet und daneben für Geistlichkeit und
Adel durch ein polnisches Neichsgesctz vom Jahre 1789 die Offiaza d. h. eine
nach ganz allgemeiner Abschätzung erhobene zehnprocentige Grundsteuer, die
seit 1789 auf 24 Procent erhöht wurde. Auch Lehnpferdegelder kamen vor.
Das warschauer Gouvernement bemühte sich 1809 und dann 1810 besonders
die Osfiazn zu erhöhen und die Verfassung zu vereinfachen, auch die Verord¬
nung vom 14. October 1844 "trug zur Vereinfachung der Grundsteuern bei,
doch fehlt auch hier die Einheit. In Schlesien, 680 Q.M., griff Friedrich
der Zweite bei der Eroberung des Landes in gründlicher Weise ein. Ein im
Jahre 1743 angeordnetes, 1748 vollendetes Kataster, das unveränderlich
sein sollte, besteuerte die geistlichen Güter mit 50 Procent, die Rittercommen-
den des maltheser und deutschen Ordens mit 40^ Procent, die adligen
Güter mit 28'/, und die bäuerlichen mit 34 Procent. Diese Abgabe besteht
mit geringen Modificationen noch heute. Natürlich wurden nicht, was eine
factische Unmöglichkeit, in Wirklichkeit 50 Procent des Reinertrags gezahlt, da
das sogenannte Kataster Friedrichs des Zweiten sehr allgemein gehalten war;
trotzdem bestehen noch heute neben dieser allgemeinen Grundsteuer Haussteuer,
Quittungsgroschen und Aehnliches.

In den Provinzen Pommern und Brandenburg hat die ständische
Verfassung, indem der Adel durch Lehnpferdegelder sich frei zu machen wußte,
bis diesen Tag durchgesetzt, daß der sogenannte contribuablc Stand, der
Bauer, die Kontribution d. h. die Grundsteuer wesentlich trügt.


Königsberg und Bromberg besteht eine eigene Grundstcucrverfassung. Diese
Länder, zusammen 430 Q.M., wesentlich das frühere Besitzthum des deutschen
Ordens, zahlten seit dem Jahre 1460—1772 unter polnischer Oberhoheit
eine von den Landtagen bestimmte Kontribution, wo der adlige Grundbesitz
fast ganz von Lasten befreit blieb. Friedrich der Große verhieß gleich bei
Besitznahme dieser Länder eine Regelung der Grundsteuer binnen kurzem,
und schon im Juni 1772 trat eine Commission zu diesem Zweck zusammen.
Die adligen Güter wurden nach einer allgemeinen Vermessung und Abschätzung
des Landes, je nachdem sie Nitterdienstgclder früher entrichtet hatten, mit
25, 28 oder 33'/» Procent des Reinertrags besteuert, die Bauerngüter
ohne Unterschied mit 33^/, Procent. Die hier in diesen Ländern getroffenen
Einrichtungen waren vollkommen denen Friedrich Wilhelm des Ersten in Ost¬
preußen nachgebildet. Trotz diesen generalisircnden Maßregeln bestehen noch
bis heut in diesen Gebietstheilen ehemals polnische Abgaben, und finden sich
neben der Hauptgrundsteuer vom Jahre 1772 unter diese mit einbegriffen
Ritterdienstgelder, Schutzgelder, Trnnksteuer!, so daß auch hier von einer Ein¬
heit nicht die Rede ist, —

Die älteste polnische Grundsteuer sind die Rauchfanggelder nach einem
Verzeichnis; der Häuser tarifmäßig entrichtet und daneben für Geistlichkeit und
Adel durch ein polnisches Neichsgesctz vom Jahre 1789 die Offiaza d. h. eine
nach ganz allgemeiner Abschätzung erhobene zehnprocentige Grundsteuer, die
seit 1789 auf 24 Procent erhöht wurde. Auch Lehnpferdegelder kamen vor.
Das warschauer Gouvernement bemühte sich 1809 und dann 1810 besonders
die Osfiazn zu erhöhen und die Verfassung zu vereinfachen, auch die Verord¬
nung vom 14. October 1844 «trug zur Vereinfachung der Grundsteuern bei,
doch fehlt auch hier die Einheit. In Schlesien, 680 Q.M., griff Friedrich
der Zweite bei der Eroberung des Landes in gründlicher Weise ein. Ein im
Jahre 1743 angeordnetes, 1748 vollendetes Kataster, das unveränderlich
sein sollte, besteuerte die geistlichen Güter mit 50 Procent, die Rittercommen-
den des maltheser und deutschen Ordens mit 40^ Procent, die adligen
Güter mit 28'/, und die bäuerlichen mit 34 Procent. Diese Abgabe besteht
mit geringen Modificationen noch heute. Natürlich wurden nicht, was eine
factische Unmöglichkeit, in Wirklichkeit 50 Procent des Reinertrags gezahlt, da
das sogenannte Kataster Friedrichs des Zweiten sehr allgemein gehalten war;
trotzdem bestehen noch heute neben dieser allgemeinen Grundsteuer Haussteuer,
Quittungsgroschen und Aehnliches.

In den Provinzen Pommern und Brandenburg hat die ständische
Verfassung, indem der Adel durch Lehnpferdegelder sich frei zu machen wußte,
bis diesen Tag durchgesetzt, daß der sogenannte contribuablc Stand, der
Bauer, die Kontribution d. h. die Grundsteuer wesentlich trügt.


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[0415] Königsberg und Bromberg besteht eine eigene Grundstcucrverfassung. Diese Länder, zusammen 430 Q.M., wesentlich das frühere Besitzthum des deutschen Ordens, zahlten seit dem Jahre 1460—1772 unter polnischer Oberhoheit eine von den Landtagen bestimmte Kontribution, wo der adlige Grundbesitz fast ganz von Lasten befreit blieb. Friedrich der Große verhieß gleich bei Besitznahme dieser Länder eine Regelung der Grundsteuer binnen kurzem, und schon im Juni 1772 trat eine Commission zu diesem Zweck zusammen. Die adligen Güter wurden nach einer allgemeinen Vermessung und Abschätzung des Landes, je nachdem sie Nitterdienstgclder früher entrichtet hatten, mit 25, 28 oder 33'/» Procent des Reinertrags besteuert, die Bauerngüter ohne Unterschied mit 33^/, Procent. Die hier in diesen Ländern getroffenen Einrichtungen waren vollkommen denen Friedrich Wilhelm des Ersten in Ost¬ preußen nachgebildet. Trotz diesen generalisircnden Maßregeln bestehen noch bis heut in diesen Gebietstheilen ehemals polnische Abgaben, und finden sich neben der Hauptgrundsteuer vom Jahre 1772 unter diese mit einbegriffen Ritterdienstgelder, Schutzgelder, Trnnksteuer!, so daß auch hier von einer Ein¬ heit nicht die Rede ist, — Die älteste polnische Grundsteuer sind die Rauchfanggelder nach einem Verzeichnis; der Häuser tarifmäßig entrichtet und daneben für Geistlichkeit und Adel durch ein polnisches Neichsgesctz vom Jahre 1789 die Offiaza d. h. eine nach ganz allgemeiner Abschätzung erhobene zehnprocentige Grundsteuer, die seit 1789 auf 24 Procent erhöht wurde. Auch Lehnpferdegelder kamen vor. Das warschauer Gouvernement bemühte sich 1809 und dann 1810 besonders die Osfiazn zu erhöhen und die Verfassung zu vereinfachen, auch die Verord¬ nung vom 14. October 1844 «trug zur Vereinfachung der Grundsteuern bei, doch fehlt auch hier die Einheit. In Schlesien, 680 Q.M., griff Friedrich der Zweite bei der Eroberung des Landes in gründlicher Weise ein. Ein im Jahre 1743 angeordnetes, 1748 vollendetes Kataster, das unveränderlich sein sollte, besteuerte die geistlichen Güter mit 50 Procent, die Rittercommen- den des maltheser und deutschen Ordens mit 40^ Procent, die adligen Güter mit 28'/, und die bäuerlichen mit 34 Procent. Diese Abgabe besteht mit geringen Modificationen noch heute. Natürlich wurden nicht, was eine factische Unmöglichkeit, in Wirklichkeit 50 Procent des Reinertrags gezahlt, da das sogenannte Kataster Friedrichs des Zweiten sehr allgemein gehalten war; trotzdem bestehen noch heute neben dieser allgemeinen Grundsteuer Haussteuer, Quittungsgroschen und Aehnliches. In den Provinzen Pommern und Brandenburg hat die ständische Verfassung, indem der Adel durch Lehnpferdegelder sich frei zu machen wußte, bis diesen Tag durchgesetzt, daß der sogenannte contribuablc Stand, der Bauer, die Kontribution d. h. die Grundsteuer wesentlich trügt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/415>, abgerufen am 24.07.2024.