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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Zur Grundstenersrnge in Preußen.

Wir stellen uns im folgenden Aufsatz die Aufgabe, die Frage zu beant¬
worten, was die Einführung einer einheitlichen, alle Classen umfassenden
Grundsteuer im preußischen Staat bisher verhindert hat. Diese Frage ist
eine gerechtfertigte, wenn man sieht, wie Preußen in verschiedenen wichtigen
Einrichtungen andern Staaten Deutschlands vorausgegangen ist, während es
in dieser Beziehung mehren derselben nachsteht. Ein Blick auf die Geschichte
der letzten Jahrzehnte wird zeigen, daß der Wille, hier der Gerechtigkeit Rech¬
nung zu tragen, allerdings schon vor einem halben Jahrhundert vorhan¬
den war.

Wie König Friedrich Wilhelm der Dritte in den Jahren der äußern Erniedri¬
gung und des allmäligen innern Erstartens, gestützt auf den Rath und Beistand
von Stein, Hardenberg und andern Regeneratoren des Staates neben den
Gaben persönlicher und Besitzesfreiheit auch verschiedene glückliche Aenderungen
in der Art der Besteuerung eintreten ließ, so versuchte er auch die Regelung
der Grundsteuerverhältnisse anzubahnen. Dies geht aus dem Edict über die
Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben vom
27. October 1810 hervor, wo es heißt: . ,

"Ueberhaupt soll das Drückende jener neuen Auflagen dadurch möglichst
vergütigt werden, daß Wir mittelst einer gänzlichen Reform des Abgabesysteins
alle nach gleichen Grundsätzen für Unsre ganze Monarchie von jedermann wollen
tragen lassen. Auf dem kürzesten Wege wird daher auch ein neues Kataster
angelegt werden, um die Grundsteuer danach zu bestimmen.

Unsere Absicht ist dabei keineswegs auf eine Vermehrung der bisher auf¬
gekommenen gerichtet, nur auf eine gleiche und verhältnißmäßige Bertheilung
auf alle Grundsteuerpflichtigeu. Jedoch sollen alle Exemtionen wegfallen,
die weder mit der natürlichen Gerechtigkeit, noch mit dem Geist der Verwal¬
tung in benachbarten Staaten länger vereinbar sind. Die bis jetzt von der
Grundsteuer befreit gebliebenen Grundstücke sollen ohne Ausnahme damit be¬
legt werden. -- Wir hoffen, daß diejenigen, auf welche diese Maßregel An-


Grcnzbotcn I. 18S9, 51
Zur Grundstenersrnge in Preußen.

Wir stellen uns im folgenden Aufsatz die Aufgabe, die Frage zu beant¬
worten, was die Einführung einer einheitlichen, alle Classen umfassenden
Grundsteuer im preußischen Staat bisher verhindert hat. Diese Frage ist
eine gerechtfertigte, wenn man sieht, wie Preußen in verschiedenen wichtigen
Einrichtungen andern Staaten Deutschlands vorausgegangen ist, während es
in dieser Beziehung mehren derselben nachsteht. Ein Blick auf die Geschichte
der letzten Jahrzehnte wird zeigen, daß der Wille, hier der Gerechtigkeit Rech¬
nung zu tragen, allerdings schon vor einem halben Jahrhundert vorhan¬
den war.

Wie König Friedrich Wilhelm der Dritte in den Jahren der äußern Erniedri¬
gung und des allmäligen innern Erstartens, gestützt auf den Rath und Beistand
von Stein, Hardenberg und andern Regeneratoren des Staates neben den
Gaben persönlicher und Besitzesfreiheit auch verschiedene glückliche Aenderungen
in der Art der Besteuerung eintreten ließ, so versuchte er auch die Regelung
der Grundsteuerverhältnisse anzubahnen. Dies geht aus dem Edict über die
Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben vom
27. October 1810 hervor, wo es heißt: . ,

„Ueberhaupt soll das Drückende jener neuen Auflagen dadurch möglichst
vergütigt werden, daß Wir mittelst einer gänzlichen Reform des Abgabesysteins
alle nach gleichen Grundsätzen für Unsre ganze Monarchie von jedermann wollen
tragen lassen. Auf dem kürzesten Wege wird daher auch ein neues Kataster
angelegt werden, um die Grundsteuer danach zu bestimmen.

Unsere Absicht ist dabei keineswegs auf eine Vermehrung der bisher auf¬
gekommenen gerichtet, nur auf eine gleiche und verhältnißmäßige Bertheilung
auf alle Grundsteuerpflichtigeu. Jedoch sollen alle Exemtionen wegfallen,
die weder mit der natürlichen Gerechtigkeit, noch mit dem Geist der Verwal¬
tung in benachbarten Staaten länger vereinbar sind. Die bis jetzt von der
Grundsteuer befreit gebliebenen Grundstücke sollen ohne Ausnahme damit be¬
legt werden. — Wir hoffen, daß diejenigen, auf welche diese Maßregel An-


Grcnzbotcn I. 18S9, 51
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[0411] Zur Grundstenersrnge in Preußen. Wir stellen uns im folgenden Aufsatz die Aufgabe, die Frage zu beant¬ worten, was die Einführung einer einheitlichen, alle Classen umfassenden Grundsteuer im preußischen Staat bisher verhindert hat. Diese Frage ist eine gerechtfertigte, wenn man sieht, wie Preußen in verschiedenen wichtigen Einrichtungen andern Staaten Deutschlands vorausgegangen ist, während es in dieser Beziehung mehren derselben nachsteht. Ein Blick auf die Geschichte der letzten Jahrzehnte wird zeigen, daß der Wille, hier der Gerechtigkeit Rech¬ nung zu tragen, allerdings schon vor einem halben Jahrhundert vorhan¬ den war. Wie König Friedrich Wilhelm der Dritte in den Jahren der äußern Erniedri¬ gung und des allmäligen innern Erstartens, gestützt auf den Rath und Beistand von Stein, Hardenberg und andern Regeneratoren des Staates neben den Gaben persönlicher und Besitzesfreiheit auch verschiedene glückliche Aenderungen in der Art der Besteuerung eintreten ließ, so versuchte er auch die Regelung der Grundsteuerverhältnisse anzubahnen. Dies geht aus dem Edict über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben vom 27. October 1810 hervor, wo es heißt: . , „Ueberhaupt soll das Drückende jener neuen Auflagen dadurch möglichst vergütigt werden, daß Wir mittelst einer gänzlichen Reform des Abgabesysteins alle nach gleichen Grundsätzen für Unsre ganze Monarchie von jedermann wollen tragen lassen. Auf dem kürzesten Wege wird daher auch ein neues Kataster angelegt werden, um die Grundsteuer danach zu bestimmen. Unsere Absicht ist dabei keineswegs auf eine Vermehrung der bisher auf¬ gekommenen gerichtet, nur auf eine gleiche und verhältnißmäßige Bertheilung auf alle Grundsteuerpflichtigeu. Jedoch sollen alle Exemtionen wegfallen, die weder mit der natürlichen Gerechtigkeit, noch mit dem Geist der Verwal¬ tung in benachbarten Staaten länger vereinbar sind. Die bis jetzt von der Grundsteuer befreit gebliebenen Grundstücke sollen ohne Ausnahme damit be¬ legt werden. — Wir hoffen, daß diejenigen, auf welche diese Maßregel An- Grcnzbotcn I. 18S9, 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/411>, abgerufen am 24.07.2024.