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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Frankreich leicht mit Sinn, welches mit der französischen Regierung seit einiger
Zeit auf gutem Fuße steht, verbünden, so daß wahrend die Franzosen von Osten
vorrückten, ein "siamesisches Heer von Westen her einbräche. Sodann ist in An¬
schlag zu bringen, daß in Aram noch immer gegen 200,000 Christen wohnen,
unter denen die Franzosen, wenn sie in die Gegenden vorgedrungen sind, wo
die christliche Bevölkerung am dichtesten ist, Aushebungen veranstalten können,
die den Vortheil haben würden, daß sie das heiße Klima besser vertrügen,
als die Europäer. Endlich möchte sich unter Umständen auch der Fürst des
angrenzenden Kambodjcha, der zu Aram jetzt im Verhältniß eines Lehnsfürsteir
steht, bereit finden lassen, mit den Franzosen gegen den Kaiser in Hu6 ge¬
meinschaftliche Sache zu machen.

Dieser König, Namens Ong Düong, zeigt recht deutlich, was die Herr¬
scher Altans sich von den Missionären zu versehen haben. Unzufrieden mit
der Stellung eines tributpflichtigen Fürsten, begann er in den letzten Jahren
auf Mittel zu denken, sich von dem Kaiser in Huu völlig unabhängig zu
machen. Er dachte dabei sofort an die Missionäre, die sich in Niederkochin-
china aufhielten und ließ durch Christen seines Landes heimlich Verbindun¬
gen mit ihnen anknüpfen und anfragen, ob man ihm für den Fall eines
Krieges mit Aram den Beistand Frankreichs verschaffen könne. Der Priester
Miche, Coadjutor des apostolischen Vicars für Südkochinchina, ging auf den
Antrag ein und begab sich zum Zweck weiterer Verhandlungen nach Kambodscha,
wo er vom König sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Es wurden zunächst
christliche Gemeinden gegründet, dann schrieb der Missionär nach Frankreich, um
den obenerwähnten Agenten de Montigny einzuladen, sich bei seiner Reise
durch Siam und Kochinchina auch am Hofe von Kambodscha einzufinden.
Inzwischen war jedoch bei dem König die Furcht rege geworden, man könne
in Hu6 von seinen Intriguen Kenntniß erhalten und ihn zur Rechenschaft
ziehen, und so ließ er de Montigny. als dieser sich anschickte, ihm den gewünsch¬
ten Besuch abzustatten, wissen, daß er ihn nicht empfangen könne, und der
Unterhändler Frankreichs mußte sich unverrichteter Sache zurückziehen. Haben
die Frauzosen in Kochinchina eine Schlacht von Bedeutung gewonnen, so
wird der Hof von Kambodscha sicher andern Sinnes werden, und eine rasche
Unterwerfung Altans wird die Folge sein.

Wir knüpfen hieran noch einige Nachrichten über das bisher wenig be¬
kannte Land. Dieselben sind auszugsweise dem im vorigen Jahre erschiene¬
nen neuesten Werte über diese Reiche: "Voz^go dans 1'ImIo-L!Inmz xar Louill"
veaux" entnommen. Das Reich Aram hat bei seiner großen Länge nur
im Norden und im Süden eine verhältnißmäßige Breites die übrigen Theile
des Landes sind nirgend breiter als 1Ä deutsche Meilen. Kochinchina bildet
die südliche, Tongking die nördliche Hälfte des Kaisertums. Kochinchina


Frankreich leicht mit Sinn, welches mit der französischen Regierung seit einiger
Zeit auf gutem Fuße steht, verbünden, so daß wahrend die Franzosen von Osten
vorrückten, ein «siamesisches Heer von Westen her einbräche. Sodann ist in An¬
schlag zu bringen, daß in Aram noch immer gegen 200,000 Christen wohnen,
unter denen die Franzosen, wenn sie in die Gegenden vorgedrungen sind, wo
die christliche Bevölkerung am dichtesten ist, Aushebungen veranstalten können,
die den Vortheil haben würden, daß sie das heiße Klima besser vertrügen,
als die Europäer. Endlich möchte sich unter Umständen auch der Fürst des
angrenzenden Kambodjcha, der zu Aram jetzt im Verhältniß eines Lehnsfürsteir
steht, bereit finden lassen, mit den Franzosen gegen den Kaiser in Hu6 ge¬
meinschaftliche Sache zu machen.

Dieser König, Namens Ong Düong, zeigt recht deutlich, was die Herr¬
scher Altans sich von den Missionären zu versehen haben. Unzufrieden mit
der Stellung eines tributpflichtigen Fürsten, begann er in den letzten Jahren
auf Mittel zu denken, sich von dem Kaiser in Huu völlig unabhängig zu
machen. Er dachte dabei sofort an die Missionäre, die sich in Niederkochin-
china aufhielten und ließ durch Christen seines Landes heimlich Verbindun¬
gen mit ihnen anknüpfen und anfragen, ob man ihm für den Fall eines
Krieges mit Aram den Beistand Frankreichs verschaffen könne. Der Priester
Miche, Coadjutor des apostolischen Vicars für Südkochinchina, ging auf den
Antrag ein und begab sich zum Zweck weiterer Verhandlungen nach Kambodscha,
wo er vom König sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Es wurden zunächst
christliche Gemeinden gegründet, dann schrieb der Missionär nach Frankreich, um
den obenerwähnten Agenten de Montigny einzuladen, sich bei seiner Reise
durch Siam und Kochinchina auch am Hofe von Kambodscha einzufinden.
Inzwischen war jedoch bei dem König die Furcht rege geworden, man könne
in Hu6 von seinen Intriguen Kenntniß erhalten und ihn zur Rechenschaft
ziehen, und so ließ er de Montigny. als dieser sich anschickte, ihm den gewünsch¬
ten Besuch abzustatten, wissen, daß er ihn nicht empfangen könne, und der
Unterhändler Frankreichs mußte sich unverrichteter Sache zurückziehen. Haben
die Frauzosen in Kochinchina eine Schlacht von Bedeutung gewonnen, so
wird der Hof von Kambodscha sicher andern Sinnes werden, und eine rasche
Unterwerfung Altans wird die Folge sein.

Wir knüpfen hieran noch einige Nachrichten über das bisher wenig be¬
kannte Land. Dieselben sind auszugsweise dem im vorigen Jahre erschiene¬
nen neuesten Werte über diese Reiche: „Voz^go dans 1'ImIo-L!Inmz xar Louill»
veaux" entnommen. Das Reich Aram hat bei seiner großen Länge nur
im Norden und im Süden eine verhältnißmäßige Breites die übrigen Theile
des Landes sind nirgend breiter als 1Ä deutsche Meilen. Kochinchina bildet
die südliche, Tongking die nördliche Hälfte des Kaisertums. Kochinchina


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[0385] Frankreich leicht mit Sinn, welches mit der französischen Regierung seit einiger Zeit auf gutem Fuße steht, verbünden, so daß wahrend die Franzosen von Osten vorrückten, ein «siamesisches Heer von Westen her einbräche. Sodann ist in An¬ schlag zu bringen, daß in Aram noch immer gegen 200,000 Christen wohnen, unter denen die Franzosen, wenn sie in die Gegenden vorgedrungen sind, wo die christliche Bevölkerung am dichtesten ist, Aushebungen veranstalten können, die den Vortheil haben würden, daß sie das heiße Klima besser vertrügen, als die Europäer. Endlich möchte sich unter Umständen auch der Fürst des angrenzenden Kambodjcha, der zu Aram jetzt im Verhältniß eines Lehnsfürsteir steht, bereit finden lassen, mit den Franzosen gegen den Kaiser in Hu6 ge¬ meinschaftliche Sache zu machen. Dieser König, Namens Ong Düong, zeigt recht deutlich, was die Herr¬ scher Altans sich von den Missionären zu versehen haben. Unzufrieden mit der Stellung eines tributpflichtigen Fürsten, begann er in den letzten Jahren auf Mittel zu denken, sich von dem Kaiser in Huu völlig unabhängig zu machen. Er dachte dabei sofort an die Missionäre, die sich in Niederkochin- china aufhielten und ließ durch Christen seines Landes heimlich Verbindun¬ gen mit ihnen anknüpfen und anfragen, ob man ihm für den Fall eines Krieges mit Aram den Beistand Frankreichs verschaffen könne. Der Priester Miche, Coadjutor des apostolischen Vicars für Südkochinchina, ging auf den Antrag ein und begab sich zum Zweck weiterer Verhandlungen nach Kambodscha, wo er vom König sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Es wurden zunächst christliche Gemeinden gegründet, dann schrieb der Missionär nach Frankreich, um den obenerwähnten Agenten de Montigny einzuladen, sich bei seiner Reise durch Siam und Kochinchina auch am Hofe von Kambodscha einzufinden. Inzwischen war jedoch bei dem König die Furcht rege geworden, man könne in Hu6 von seinen Intriguen Kenntniß erhalten und ihn zur Rechenschaft ziehen, und so ließ er de Montigny. als dieser sich anschickte, ihm den gewünsch¬ ten Besuch abzustatten, wissen, daß er ihn nicht empfangen könne, und der Unterhändler Frankreichs mußte sich unverrichteter Sache zurückziehen. Haben die Frauzosen in Kochinchina eine Schlacht von Bedeutung gewonnen, so wird der Hof von Kambodscha sicher andern Sinnes werden, und eine rasche Unterwerfung Altans wird die Folge sein. Wir knüpfen hieran noch einige Nachrichten über das bisher wenig be¬ kannte Land. Dieselben sind auszugsweise dem im vorigen Jahre erschiene¬ nen neuesten Werte über diese Reiche: „Voz^go dans 1'ImIo-L!Inmz xar Louill» veaux" entnommen. Das Reich Aram hat bei seiner großen Länge nur im Norden und im Süden eine verhältnißmäßige Breites die übrigen Theile des Landes sind nirgend breiter als 1Ä deutsche Meilen. Kochinchina bildet die südliche, Tongking die nördliche Hälfte des Kaisertums. Kochinchina

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/385>, abgerufen am 24.07.2024.