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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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ihn darin, daß den Fremden den kleinen Finger geben, ihnen die ganze Hand
geben heißt, glaubt, der Einfluß der Missionare werde, wenn er sich ungehin¬
dert ausbreiten dürfe, in kurzem den Einfluß seiner Mandarinen verdrängen,
und mag in seinem Reiche keine Menschen, welche ihr Oberhaupt in Rom
und in dem Kaiser der Franzosen einen Protector haben. Das ist das ganze
Geheimniß seines Widerstandes, und man kann ihm darin nur beipflichten. Die
Frage ist nur, ob er diesen Widerstand auf die Dauer wird durchführen können.
Hat er es doch nicht einmal hindern können, daß ihm von einem heimlichen
Christen in seinem eignen Palaste zu Hu6 ein sterbendes Kind durch Bespritzen
mit Taufwasser in das Christenthum hineincscamotirt wurde.

Der Kaiser Napoleon der Dritte sandte zunächst im Jahre 185K in der
Person des Herrn de Montigny einen Unterhändler nach Aram. Derselbe
wurde jedoch Mit seiner Forderung auf Herausgabe der Bucht von Turon und
der im Vertrag von 1787 genannten Inseln kurz abgewiesen. Die Beendi¬
gung des chinesischen Krieges machte im Sommer 1853 die französische Flotte
in den ostasiatischen Gewässern verfügbar. Spanien hatte für die Hinrich¬
tung des am 20. Juli 1857 geköpften Bischofs Diaz Genugthuung zu fordern
und stellte ein Contingent von Schiffen und Soldaten zu dem Geschwader,
welches Admiral Rigault de Gcnouilly gegen Aram zu führen Befehl erhalten.
Am 31. August warf dieses in der Bucht von Tnron Anker. Am folgenden
Morgen forderte der Admiral brieflich die Mandarinen, welche die Hafcnfvrts
besetzt hielten, zur Räumung derselben binnen zwei Stunden auf. Es erfolgte
keine Antwort, die Anamiten verließen sich auf die Stärke der Werke, welche
von den französischen Mandarinen Schialongs angelegt waren, und von denen
zwei die Einfahrt in den Fluß vertheidigten, andere mit ihren Kanonen die
Rhede bestrichen. Die europäischen Schiffe, die inzwischen die ihnen angewie¬
senen Stellungen eingenommen hatten, begannen auf ein Signal vom Admiral¬
schiff Nemesis ihr Feuer. Die größern Fahrzeuge beschossen die Forts der
Rhede und brachten sie nach einem halbstündigen Bombardement zum Schwei¬
gen, worauf französische und spanische Truppen gelandet wurden, um die
Werke zu besetzen. Die Kanonenboote griffen die Forts am West- und Ost¬
ufer des Stromes an, und schon nach einer Stunde flog das östliche Fort,
dessen Pulvermagazin von einer glühenden Kugel getroffen worden, mit
furchtbarem Krachen in die Luft. Das andere Fort hielt sich bis zum
nächsten Morgen, wo es ebenfalls aufflog. Der Admiral verschanzte sich
hierauf in der Bucht und richtete sich überhaupt zum Bleiben ein. Die ana-
mitische Armee, welche, 10,000 Mann stark, von Hu6 heranrückte, wagte nichts
zu unternehmen, und sie hat auch nach den neuesten Nachrichten keinen An¬
griff auf d,le Feinde gewagt. Dagegen hat die große Hitze und die Urgesund-
heit des Klimas überhaupt unter den Franzosen wie unter den Spaniern be-


ihn darin, daß den Fremden den kleinen Finger geben, ihnen die ganze Hand
geben heißt, glaubt, der Einfluß der Missionare werde, wenn er sich ungehin¬
dert ausbreiten dürfe, in kurzem den Einfluß seiner Mandarinen verdrängen,
und mag in seinem Reiche keine Menschen, welche ihr Oberhaupt in Rom
und in dem Kaiser der Franzosen einen Protector haben. Das ist das ganze
Geheimniß seines Widerstandes, und man kann ihm darin nur beipflichten. Die
Frage ist nur, ob er diesen Widerstand auf die Dauer wird durchführen können.
Hat er es doch nicht einmal hindern können, daß ihm von einem heimlichen
Christen in seinem eignen Palaste zu Hu6 ein sterbendes Kind durch Bespritzen
mit Taufwasser in das Christenthum hineincscamotirt wurde.

Der Kaiser Napoleon der Dritte sandte zunächst im Jahre 185K in der
Person des Herrn de Montigny einen Unterhändler nach Aram. Derselbe
wurde jedoch Mit seiner Forderung auf Herausgabe der Bucht von Turon und
der im Vertrag von 1787 genannten Inseln kurz abgewiesen. Die Beendi¬
gung des chinesischen Krieges machte im Sommer 1853 die französische Flotte
in den ostasiatischen Gewässern verfügbar. Spanien hatte für die Hinrich¬
tung des am 20. Juli 1857 geköpften Bischofs Diaz Genugthuung zu fordern
und stellte ein Contingent von Schiffen und Soldaten zu dem Geschwader,
welches Admiral Rigault de Gcnouilly gegen Aram zu führen Befehl erhalten.
Am 31. August warf dieses in der Bucht von Tnron Anker. Am folgenden
Morgen forderte der Admiral brieflich die Mandarinen, welche die Hafcnfvrts
besetzt hielten, zur Räumung derselben binnen zwei Stunden auf. Es erfolgte
keine Antwort, die Anamiten verließen sich auf die Stärke der Werke, welche
von den französischen Mandarinen Schialongs angelegt waren, und von denen
zwei die Einfahrt in den Fluß vertheidigten, andere mit ihren Kanonen die
Rhede bestrichen. Die europäischen Schiffe, die inzwischen die ihnen angewie¬
senen Stellungen eingenommen hatten, begannen auf ein Signal vom Admiral¬
schiff Nemesis ihr Feuer. Die größern Fahrzeuge beschossen die Forts der
Rhede und brachten sie nach einem halbstündigen Bombardement zum Schwei¬
gen, worauf französische und spanische Truppen gelandet wurden, um die
Werke zu besetzen. Die Kanonenboote griffen die Forts am West- und Ost¬
ufer des Stromes an, und schon nach einer Stunde flog das östliche Fort,
dessen Pulvermagazin von einer glühenden Kugel getroffen worden, mit
furchtbarem Krachen in die Luft. Das andere Fort hielt sich bis zum
nächsten Morgen, wo es ebenfalls aufflog. Der Admiral verschanzte sich
hierauf in der Bucht und richtete sich überhaupt zum Bleiben ein. Die ana-
mitische Armee, welche, 10,000 Mann stark, von Hu6 heranrückte, wagte nichts
zu unternehmen, und sie hat auch nach den neuesten Nachrichten keinen An¬
griff auf d,le Feinde gewagt. Dagegen hat die große Hitze und die Urgesund-
heit des Klimas überhaupt unter den Franzosen wie unter den Spaniern be-


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[0383] ihn darin, daß den Fremden den kleinen Finger geben, ihnen die ganze Hand geben heißt, glaubt, der Einfluß der Missionare werde, wenn er sich ungehin¬ dert ausbreiten dürfe, in kurzem den Einfluß seiner Mandarinen verdrängen, und mag in seinem Reiche keine Menschen, welche ihr Oberhaupt in Rom und in dem Kaiser der Franzosen einen Protector haben. Das ist das ganze Geheimniß seines Widerstandes, und man kann ihm darin nur beipflichten. Die Frage ist nur, ob er diesen Widerstand auf die Dauer wird durchführen können. Hat er es doch nicht einmal hindern können, daß ihm von einem heimlichen Christen in seinem eignen Palaste zu Hu6 ein sterbendes Kind durch Bespritzen mit Taufwasser in das Christenthum hineincscamotirt wurde. Der Kaiser Napoleon der Dritte sandte zunächst im Jahre 185K in der Person des Herrn de Montigny einen Unterhändler nach Aram. Derselbe wurde jedoch Mit seiner Forderung auf Herausgabe der Bucht von Turon und der im Vertrag von 1787 genannten Inseln kurz abgewiesen. Die Beendi¬ gung des chinesischen Krieges machte im Sommer 1853 die französische Flotte in den ostasiatischen Gewässern verfügbar. Spanien hatte für die Hinrich¬ tung des am 20. Juli 1857 geköpften Bischofs Diaz Genugthuung zu fordern und stellte ein Contingent von Schiffen und Soldaten zu dem Geschwader, welches Admiral Rigault de Gcnouilly gegen Aram zu führen Befehl erhalten. Am 31. August warf dieses in der Bucht von Tnron Anker. Am folgenden Morgen forderte der Admiral brieflich die Mandarinen, welche die Hafcnfvrts besetzt hielten, zur Räumung derselben binnen zwei Stunden auf. Es erfolgte keine Antwort, die Anamiten verließen sich auf die Stärke der Werke, welche von den französischen Mandarinen Schialongs angelegt waren, und von denen zwei die Einfahrt in den Fluß vertheidigten, andere mit ihren Kanonen die Rhede bestrichen. Die europäischen Schiffe, die inzwischen die ihnen angewie¬ senen Stellungen eingenommen hatten, begannen auf ein Signal vom Admiral¬ schiff Nemesis ihr Feuer. Die größern Fahrzeuge beschossen die Forts der Rhede und brachten sie nach einem halbstündigen Bombardement zum Schwei¬ gen, worauf französische und spanische Truppen gelandet wurden, um die Werke zu besetzen. Die Kanonenboote griffen die Forts am West- und Ost¬ ufer des Stromes an, und schon nach einer Stunde flog das östliche Fort, dessen Pulvermagazin von einer glühenden Kugel getroffen worden, mit furchtbarem Krachen in die Luft. Das andere Fort hielt sich bis zum nächsten Morgen, wo es ebenfalls aufflog. Der Admiral verschanzte sich hierauf in der Bucht und richtete sich überhaupt zum Bleiben ein. Die ana- mitische Armee, welche, 10,000 Mann stark, von Hu6 heranrückte, wagte nichts zu unternehmen, und sie hat auch nach den neuesten Nachrichten keinen An¬ griff auf d,le Feinde gewagt. Dagegen hat die große Hitze und die Urgesund- heit des Klimas überhaupt unter den Franzosen wie unter den Spaniern be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/383>, abgerufen am 24.07.2024.