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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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rung durch ihre aufgedrungene Theilnahme an dem chinesischen Kriege, durch
ihre Expedition nach Cochinchina und durch ihre Bedrohung Madagascars
gezeigt, daß sie beabsichtigt, die französische Flagge neben der britischen in
den indischen Meeren wieder wehen zu lassen. Es ist allerdings wahr, Frank¬
reich bedarf nicht des Suezkanals, um seinen Weg nach Indien und China
zu finden. Wie früher würden seine Kriegsschiffe auch jetzt den Einzug in
die südlichen Gewässer um das Kap der guten Hoffnung herum halten. Aber
der sichern Herstellung einer französisch-indischen Position, der Gründung von
Hand^lsctablissements, Ackerbaucolonien u. s. w. würde der abgekürzte Weg
zwischen Asien und Afrika hindurch unstreitig großen Vorschub leisten. Frank¬
reich -- so viel steht auf alle Fälle fest -- könnte mittels des neuen Seewegs
leichter als sonst in den ostasiatischen Meeren die Grundlagen für eine poli¬
tische Machtstellung gewinnen, und diese würde um so bedrohlicher für Eng¬
land sein, als auch Nußland, Frankreichs natürlichster Verbündeter, nicht blos
gegen Mitteleuropa, sondern auch gegen Großbritannien, von verschiedenen
Seiten gegen Indien vordringt.

So lange daher England irgend welchen Einfluß in der Türkei besitzt
und so lange die Türkei ihrerseits in Acgvpten zu befehlen und zu versagen
hat, wird der Kanal über den Isthmus vou Suez ungegraben bleiben. Auch
Oestreich, welches allerdings alle Veranlassung zu haben schien, das Lessepssche
Unternehmen zu fördern -- ein Blick auf die Lage Triests sagt, was zu sagen
ist -- ist allmälig lau und zuletzt stumm in der Sache geworden. Der Jnter-
nuntius in Konstantinopel hat bei der Pforte nichts sür das Project gethan,
als Lesseps den Fernau zu holen kam, und die östreichische Presse hat, nach¬
dem sie drei Jahre hindurch Loblieder auf die Weisheit gesungen, welche in
Aegypten "dem deutschen Handel das Thor nach Indiens Reichthümern öff¬
nen" gewollt, sich schon vor Monaten dahin erklärt, es werde am besten sein,
wenn der Kanal vorläufig zu den Acten gelegt würde. Man wird eben ein¬
gesehen haben, daß man im Fall der Betheiligung an der Sache, sein Geld
nur aufgäbe, um den Franzosen die Herrschaft im Mittelmeer zu erleichtern.

Nicht unwahrscheinlich ist, daß der Plan noch einmal auftaucht, nicht
völlig unmöglich, daß er ausgeführt, möglich sogar, wenn auch nur unter
Voraussetzung großer Opfer vou Seiten Frankreichs, daß der Kanal eine Zeit lang
fahrbar erhalten wird. Für diesen Fall aber hat England sich bereits vor¬
gesehen. Noch das letzte Ministerium hat durch, die Besitzergreifung von der
Insel Perim einen Schritt gethan, welcher beweist, daß man in London das
Aeußerste zu wagen entschlossen ist. um in der Angelegenheit das Heft in der
Hand zu behalten. Jenes felsige Eiland, weiches den Aus- und Eingang in
das rothe Meer vollkommen beherrscht, wird seitdem in einen festen Hafen
und eine drohende Zwingburg verwandelt. Der Platz kann, wenn die Bauten


rung durch ihre aufgedrungene Theilnahme an dem chinesischen Kriege, durch
ihre Expedition nach Cochinchina und durch ihre Bedrohung Madagascars
gezeigt, daß sie beabsichtigt, die französische Flagge neben der britischen in
den indischen Meeren wieder wehen zu lassen. Es ist allerdings wahr, Frank¬
reich bedarf nicht des Suezkanals, um seinen Weg nach Indien und China
zu finden. Wie früher würden seine Kriegsschiffe auch jetzt den Einzug in
die südlichen Gewässer um das Kap der guten Hoffnung herum halten. Aber
der sichern Herstellung einer französisch-indischen Position, der Gründung von
Hand^lsctablissements, Ackerbaucolonien u. s. w. würde der abgekürzte Weg
zwischen Asien und Afrika hindurch unstreitig großen Vorschub leisten. Frank¬
reich — so viel steht auf alle Fälle fest — könnte mittels des neuen Seewegs
leichter als sonst in den ostasiatischen Meeren die Grundlagen für eine poli¬
tische Machtstellung gewinnen, und diese würde um so bedrohlicher für Eng¬
land sein, als auch Nußland, Frankreichs natürlichster Verbündeter, nicht blos
gegen Mitteleuropa, sondern auch gegen Großbritannien, von verschiedenen
Seiten gegen Indien vordringt.

So lange daher England irgend welchen Einfluß in der Türkei besitzt
und so lange die Türkei ihrerseits in Acgvpten zu befehlen und zu versagen
hat, wird der Kanal über den Isthmus vou Suez ungegraben bleiben. Auch
Oestreich, welches allerdings alle Veranlassung zu haben schien, das Lessepssche
Unternehmen zu fördern — ein Blick auf die Lage Triests sagt, was zu sagen
ist — ist allmälig lau und zuletzt stumm in der Sache geworden. Der Jnter-
nuntius in Konstantinopel hat bei der Pforte nichts sür das Project gethan,
als Lesseps den Fernau zu holen kam, und die östreichische Presse hat, nach¬
dem sie drei Jahre hindurch Loblieder auf die Weisheit gesungen, welche in
Aegypten „dem deutschen Handel das Thor nach Indiens Reichthümern öff¬
nen" gewollt, sich schon vor Monaten dahin erklärt, es werde am besten sein,
wenn der Kanal vorläufig zu den Acten gelegt würde. Man wird eben ein¬
gesehen haben, daß man im Fall der Betheiligung an der Sache, sein Geld
nur aufgäbe, um den Franzosen die Herrschaft im Mittelmeer zu erleichtern.

Nicht unwahrscheinlich ist, daß der Plan noch einmal auftaucht, nicht
völlig unmöglich, daß er ausgeführt, möglich sogar, wenn auch nur unter
Voraussetzung großer Opfer vou Seiten Frankreichs, daß der Kanal eine Zeit lang
fahrbar erhalten wird. Für diesen Fall aber hat England sich bereits vor¬
gesehen. Noch das letzte Ministerium hat durch, die Besitzergreifung von der
Insel Perim einen Schritt gethan, welcher beweist, daß man in London das
Aeußerste zu wagen entschlossen ist. um in der Angelegenheit das Heft in der
Hand zu behalten. Jenes felsige Eiland, weiches den Aus- und Eingang in
das rothe Meer vollkommen beherrscht, wird seitdem in einen festen Hafen
und eine drohende Zwingburg verwandelt. Der Platz kann, wenn die Bauten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/367>, abgerufen am 24.07.2024.