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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Besitznahme Aegyptens. Der erste Schritt dazu war die Eroberung Maltas
und der Erwerb der jonischen Inseln. Den zweiten Schritt that man von Indien
Ms. Aden, das Gibraltar des rothen Meeres, wurde erobert und befestigt.
Inzwischen regten sich auch andere Mächte, und zwar zunächst Oestreich. Es
war nach dem Ende des ägyptisch-türkischen Krieges. Mehemed Ali und Ib¬
rahim Pascha hatten erkannt, daß die Sicherheit ihrer Stellung wesentlich
auf dem Willen der europäischen Mächte beruhe. Von diesen Mächten fürch¬
teten sie England, weil es die größten Interessen mit der größten Kraft zu
vertreten fähig war. Auf Frankreich konnte^ sie nicht bauen, weil es damals
völlig isolirt dastand. So war ein Platz offen, und diesen nahm die östrei¬
chische Diplomatie ein, welche hier die Verluste, die sie auf anderm Terrain
der orientalischen Frage erlitten, wieder einzubringen versuchte.

Von England aus hatte man den Plan entworfen, das Mittelmeer mit
dem rothen dnrch eine Eisenbahn zu verbinden. Diese konnte die Schiffahrts-
verhältnissc zwischen Europa und Indien nicht ändern. Sie hätte in den Hän¬
den der Engländer ihren Besitzern so gut wie ausschließlich gedient. Da ließ
das wiener Cabinet bei dem Vicekönig den Gedanken eines Kanals neu anregen,
und denselben zugleich den französischen Agenten mittheilen. Es wurde Me-
hemed Ali klar gemacht, daß ein im Besitz und uuter der Bürgschaft aller
europäischen Mächte stehender Kanal allein im Stande sein werde, sein Land
vor Gefährdung durch eine einzelne Macht zu sichern. Die französische Diplo¬
matie, welche lange Zeit vergeblich den englischen Bestrebungen entgegengewirkt
hatte, trat nunmehr auf Oestreichs Seite, und von dieser Zeit an ist das
^Verständniß der beiden Großmächte in dieser Frage bis aus die letzten
^ahre ein dauerndes gewesen.

So wurde bereits 1842 die Zustimmung des Vicekönigs zu dem Kanal-
gegen das Versprechen gewonnen, daß die rechtlichen Verhältnisse des
"eum Wasserwegs und zwar zuerst die Kanalabgaben, dann das erbliche
^'ehe nuf den Kanal unter Oestreichs Vermittlung durch eine gemeinsame
Garantie der Großmächte festgestellt werden sollten. Nachdem dieser Punkt
°Uedigt schien, entstand die Frage, woher das Geld zu nehmen sei. Es wurde
"vn Oestreich vorgeschlagen, den Bau aus Kosten der drei betheiligten Regie¬
rungen auszuführen, und zwar dachte man in Wien sein Dritttheü mit Hilfe
Deutschlands zusammenzubringen. Ob zu diesem Zweck Unterhandlungen mit
en deutschen Regierungen gepflogen worden sind, ist uns unbekannt. War es
^ Fall, so müssen sie nicht zum Zweck geführt haben; denn man beschloß
^ Ende, den Plan einer Ausführung des Kanals auf Negierungskosten auf¬
zugeben.

Inzwischen hatte man in England eine Gegenmine gelegt. Man hatte
^"und, daß das Mittel gegen den Einfluß Frankreichs und Oestreichs mit


Besitznahme Aegyptens. Der erste Schritt dazu war die Eroberung Maltas
und der Erwerb der jonischen Inseln. Den zweiten Schritt that man von Indien
Ms. Aden, das Gibraltar des rothen Meeres, wurde erobert und befestigt.
Inzwischen regten sich auch andere Mächte, und zwar zunächst Oestreich. Es
war nach dem Ende des ägyptisch-türkischen Krieges. Mehemed Ali und Ib¬
rahim Pascha hatten erkannt, daß die Sicherheit ihrer Stellung wesentlich
auf dem Willen der europäischen Mächte beruhe. Von diesen Mächten fürch¬
teten sie England, weil es die größten Interessen mit der größten Kraft zu
vertreten fähig war. Auf Frankreich konnte^ sie nicht bauen, weil es damals
völlig isolirt dastand. So war ein Platz offen, und diesen nahm die östrei¬
chische Diplomatie ein, welche hier die Verluste, die sie auf anderm Terrain
der orientalischen Frage erlitten, wieder einzubringen versuchte.

Von England aus hatte man den Plan entworfen, das Mittelmeer mit
dem rothen dnrch eine Eisenbahn zu verbinden. Diese konnte die Schiffahrts-
verhältnissc zwischen Europa und Indien nicht ändern. Sie hätte in den Hän¬
den der Engländer ihren Besitzern so gut wie ausschließlich gedient. Da ließ
das wiener Cabinet bei dem Vicekönig den Gedanken eines Kanals neu anregen,
und denselben zugleich den französischen Agenten mittheilen. Es wurde Me-
hemed Ali klar gemacht, daß ein im Besitz und uuter der Bürgschaft aller
europäischen Mächte stehender Kanal allein im Stande sein werde, sein Land
vor Gefährdung durch eine einzelne Macht zu sichern. Die französische Diplo¬
matie, welche lange Zeit vergeblich den englischen Bestrebungen entgegengewirkt
hatte, trat nunmehr auf Oestreichs Seite, und von dieser Zeit an ist das
^Verständniß der beiden Großmächte in dieser Frage bis aus die letzten
^ahre ein dauerndes gewesen.

So wurde bereits 1842 die Zustimmung des Vicekönigs zu dem Kanal-
gegen das Versprechen gewonnen, daß die rechtlichen Verhältnisse des
"eum Wasserwegs und zwar zuerst die Kanalabgaben, dann das erbliche
^'ehe nuf den Kanal unter Oestreichs Vermittlung durch eine gemeinsame
Garantie der Großmächte festgestellt werden sollten. Nachdem dieser Punkt
°Uedigt schien, entstand die Frage, woher das Geld zu nehmen sei. Es wurde
"vn Oestreich vorgeschlagen, den Bau aus Kosten der drei betheiligten Regie¬
rungen auszuführen, und zwar dachte man in Wien sein Dritttheü mit Hilfe
Deutschlands zusammenzubringen. Ob zu diesem Zweck Unterhandlungen mit
en deutschen Regierungen gepflogen worden sind, ist uns unbekannt. War es
^ Fall, so müssen sie nicht zum Zweck geführt haben; denn man beschloß
^ Ende, den Plan einer Ausführung des Kanals auf Negierungskosten auf¬
zugeben.

Inzwischen hatte man in England eine Gegenmine gelegt. Man hatte
^"und, daß das Mittel gegen den Einfluß Frankreichs und Oestreichs mit


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[0359] Besitznahme Aegyptens. Der erste Schritt dazu war die Eroberung Maltas und der Erwerb der jonischen Inseln. Den zweiten Schritt that man von Indien Ms. Aden, das Gibraltar des rothen Meeres, wurde erobert und befestigt. Inzwischen regten sich auch andere Mächte, und zwar zunächst Oestreich. Es war nach dem Ende des ägyptisch-türkischen Krieges. Mehemed Ali und Ib¬ rahim Pascha hatten erkannt, daß die Sicherheit ihrer Stellung wesentlich auf dem Willen der europäischen Mächte beruhe. Von diesen Mächten fürch¬ teten sie England, weil es die größten Interessen mit der größten Kraft zu vertreten fähig war. Auf Frankreich konnte^ sie nicht bauen, weil es damals völlig isolirt dastand. So war ein Platz offen, und diesen nahm die östrei¬ chische Diplomatie ein, welche hier die Verluste, die sie auf anderm Terrain der orientalischen Frage erlitten, wieder einzubringen versuchte. Von England aus hatte man den Plan entworfen, das Mittelmeer mit dem rothen dnrch eine Eisenbahn zu verbinden. Diese konnte die Schiffahrts- verhältnissc zwischen Europa und Indien nicht ändern. Sie hätte in den Hän¬ den der Engländer ihren Besitzern so gut wie ausschließlich gedient. Da ließ das wiener Cabinet bei dem Vicekönig den Gedanken eines Kanals neu anregen, und denselben zugleich den französischen Agenten mittheilen. Es wurde Me- hemed Ali klar gemacht, daß ein im Besitz und uuter der Bürgschaft aller europäischen Mächte stehender Kanal allein im Stande sein werde, sein Land vor Gefährdung durch eine einzelne Macht zu sichern. Die französische Diplo¬ matie, welche lange Zeit vergeblich den englischen Bestrebungen entgegengewirkt hatte, trat nunmehr auf Oestreichs Seite, und von dieser Zeit an ist das ^Verständniß der beiden Großmächte in dieser Frage bis aus die letzten ^ahre ein dauerndes gewesen. So wurde bereits 1842 die Zustimmung des Vicekönigs zu dem Kanal- gegen das Versprechen gewonnen, daß die rechtlichen Verhältnisse des "eum Wasserwegs und zwar zuerst die Kanalabgaben, dann das erbliche ^'ehe nuf den Kanal unter Oestreichs Vermittlung durch eine gemeinsame Garantie der Großmächte festgestellt werden sollten. Nachdem dieser Punkt °Uedigt schien, entstand die Frage, woher das Geld zu nehmen sei. Es wurde "vn Oestreich vorgeschlagen, den Bau aus Kosten der drei betheiligten Regie¬ rungen auszuführen, und zwar dachte man in Wien sein Dritttheü mit Hilfe Deutschlands zusammenzubringen. Ob zu diesem Zweck Unterhandlungen mit en deutschen Regierungen gepflogen worden sind, ist uns unbekannt. War es ^ Fall, so müssen sie nicht zum Zweck geführt haben; denn man beschloß ^ Ende, den Plan einer Ausführung des Kanals auf Negierungskosten auf¬ zugeben. Inzwischen hatte man in England eine Gegenmine gelegt. Man hatte ^"und, daß das Mittel gegen den Einfluß Frankreichs und Oestreichs mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/359>, abgerufen am 24.07.2024.