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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Tübet vom Uhu: ,,Der Adler that, als hört er nicht, und sah ins junge
Morgenlicht;" -- zu Knuts großer Zufriedenheit. -- Man kann nicht leugnen
^ und Herbst hätte es nicht verschweigen sollen -- daß Claudius in seinen
Verdächtigungen gegen die Aufklärung zuweilen hämisch wurde; freilich war
°r durch bittere Ausfälle sehr gereizt. und in seinem Kreise -- Jacobi, Stol-
bttg. die Neventlows. die Fürstin Galizin (die ihn 1791, 179Z und 1797 in
Ncmdsbeck besuchte und deren Besuch er erwiederte) -- steigerte einer den
"übern; Claudius provocirte um so mehr zu leidenschaftlichen Angriffen, da
er über die Hauptfragen, um die es sich handelte, offenbare Unwissenheit
verrieth. -- Auch gegen die Kantische Philosophie, die er sich 1791 durch
Aacobi erklären ließ, hatte er große Abneigung, und ließ sich leider verleiten,
^ehe Abneigung auszusprechen, wie er auch auf die Angriffe der Xenien die
Erwiederung nicht schuldig blieb. W. v. Humboldt, der ihn 179K besuchte,
se>ut ihn völlig Null: die neue ästhetische Schule hatte für den Naturdichter
und die ungeschulte Gemüthlichkeit das Verständniß verloren.

Wenn diese Einmischung in Dinge, die ihm eigentlich fremd lagen, ihn
unerquickliche Beziehungen brachten, so blieb sein Privatleben rein, un-
^nflich und beglückt; diese Schilderung muß man in dem Buch selbst nach-
^n, sie ist schön und des Gegenstandes würdig. "Was man auch." erzählt
°'N Beobachter 1799, "von seinen religiösen und politischen Meinungen sagen
'"Ng. der Mann ist kein anderer geworden. Er hat keinen finstern Blick be-
^numen. ist allen Menschen herzlich gut, ein braver Gatte, Vater, Freund und
Mensch. ^ kunst herzlich über manche Dinge, worüber sich viele unserer
^°lercmz- und Humanitätsprediger halb todt ärgern winden." In die Ge¬
richte der Literatur gehört sein Alter nicht mehr; wer aber im Stande ist,
über ein Stück echten Menschenlebens zu freuen, wird an diesem Seelen-
^lieu Bilde ein warmes Behagen finden. Er starb 21. Januar 1815; die
Listen seiner Freunde waren vor ihm dahingegangen; er hinterließ eine zahl-
^>che und glückliche Familie. Die älteste Tochter war Perthes Frau, drei
^ner Söhne waren Theologen. Seine geliebte Rebekka folgte ihm 1832,
^ehrt von allen, die sie kannten.




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Tübet vom Uhu: ,,Der Adler that, als hört er nicht, und sah ins junge
Morgenlicht;" — zu Knuts großer Zufriedenheit. — Man kann nicht leugnen
^ und Herbst hätte es nicht verschweigen sollen — daß Claudius in seinen
Verdächtigungen gegen die Aufklärung zuweilen hämisch wurde; freilich war
°r durch bittere Ausfälle sehr gereizt. und in seinem Kreise — Jacobi, Stol-
bttg. die Neventlows. die Fürstin Galizin (die ihn 1791, 179Z und 1797 in
Ncmdsbeck besuchte und deren Besuch er erwiederte) — steigerte einer den
«übern; Claudius provocirte um so mehr zu leidenschaftlichen Angriffen, da
er über die Hauptfragen, um die es sich handelte, offenbare Unwissenheit
verrieth. — Auch gegen die Kantische Philosophie, die er sich 1791 durch
Aacobi erklären ließ, hatte er große Abneigung, und ließ sich leider verleiten,
^ehe Abneigung auszusprechen, wie er auch auf die Angriffe der Xenien die
Erwiederung nicht schuldig blieb. W. v. Humboldt, der ihn 179K besuchte,
se>ut ihn völlig Null: die neue ästhetische Schule hatte für den Naturdichter
und die ungeschulte Gemüthlichkeit das Verständniß verloren.

Wenn diese Einmischung in Dinge, die ihm eigentlich fremd lagen, ihn
unerquickliche Beziehungen brachten, so blieb sein Privatleben rein, un-
^nflich und beglückt; diese Schilderung muß man in dem Buch selbst nach-
^n, sie ist schön und des Gegenstandes würdig. „Was man auch." erzählt
°'N Beobachter 1799, „von seinen religiösen und politischen Meinungen sagen
'"Ng. der Mann ist kein anderer geworden. Er hat keinen finstern Blick be-
^numen. ist allen Menschen herzlich gut, ein braver Gatte, Vater, Freund und
Mensch. ^ kunst herzlich über manche Dinge, worüber sich viele unserer
^°lercmz- und Humanitätsprediger halb todt ärgern winden." In die Ge¬
richte der Literatur gehört sein Alter nicht mehr; wer aber im Stande ist,
über ein Stück echten Menschenlebens zu freuen, wird an diesem Seelen-
^lieu Bilde ein warmes Behagen finden. Er starb 21. Januar 1815; die
Listen seiner Freunde waren vor ihm dahingegangen; er hinterließ eine zahl-
^>che und glückliche Familie. Die älteste Tochter war Perthes Frau, drei
^ner Söhne waren Theologen. Seine geliebte Rebekka folgte ihm 1832,
^ehrt von allen, die sie kannten.




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[0357] Tübet vom Uhu: ,,Der Adler that, als hört er nicht, und sah ins junge Morgenlicht;" — zu Knuts großer Zufriedenheit. — Man kann nicht leugnen ^ und Herbst hätte es nicht verschweigen sollen — daß Claudius in seinen Verdächtigungen gegen die Aufklärung zuweilen hämisch wurde; freilich war °r durch bittere Ausfälle sehr gereizt. und in seinem Kreise — Jacobi, Stol- bttg. die Neventlows. die Fürstin Galizin (die ihn 1791, 179Z und 1797 in Ncmdsbeck besuchte und deren Besuch er erwiederte) — steigerte einer den «übern; Claudius provocirte um so mehr zu leidenschaftlichen Angriffen, da er über die Hauptfragen, um die es sich handelte, offenbare Unwissenheit verrieth. — Auch gegen die Kantische Philosophie, die er sich 1791 durch Aacobi erklären ließ, hatte er große Abneigung, und ließ sich leider verleiten, ^ehe Abneigung auszusprechen, wie er auch auf die Angriffe der Xenien die Erwiederung nicht schuldig blieb. W. v. Humboldt, der ihn 179K besuchte, se>ut ihn völlig Null: die neue ästhetische Schule hatte für den Naturdichter und die ungeschulte Gemüthlichkeit das Verständniß verloren. Wenn diese Einmischung in Dinge, die ihm eigentlich fremd lagen, ihn unerquickliche Beziehungen brachten, so blieb sein Privatleben rein, un- ^nflich und beglückt; diese Schilderung muß man in dem Buch selbst nach- ^n, sie ist schön und des Gegenstandes würdig. „Was man auch." erzählt °'N Beobachter 1799, „von seinen religiösen und politischen Meinungen sagen '"Ng. der Mann ist kein anderer geworden. Er hat keinen finstern Blick be- ^numen. ist allen Menschen herzlich gut, ein braver Gatte, Vater, Freund und Mensch. ^ kunst herzlich über manche Dinge, worüber sich viele unserer ^°lercmz- und Humanitätsprediger halb todt ärgern winden." In die Ge¬ richte der Literatur gehört sein Alter nicht mehr; wer aber im Stande ist, über ein Stück echten Menschenlebens zu freuen, wird an diesem Seelen- ^lieu Bilde ein warmes Behagen finden. Er starb 21. Januar 1815; die Listen seiner Freunde waren vor ihm dahingegangen; er hinterließ eine zahl- ^>che und glückliche Familie. Die älteste Tochter war Perthes Frau, drei ^ner Söhne waren Theologen. Seine geliebte Rebekka folgte ihm 1832, ^ehrt von allen, die sie kannten. 44*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/357>, abgerufen am 24.07.2024.