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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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(Virgil läßt auch oft Verse leer)
Von dem verschwiegnen Freymäurcr
Vielleicht wol auch, doch heimlicher,
Von Fried Tractaten, Krieg und Wehr.
Von Couriers, die von ungefähr
Gewiß nicht reiten hin und her u. s. w.

Das Blatt erschien viermal wöchentlich auf je zwei Quartblättern in sehr
bescheidener Ausstattung. Der politische Theil, aus andern Zeitungen zu¬
sammengestellt, nimmt in der Regel drei Seiten ein, dann folgen die meist
ziemlich ungelehrten "gelehrten Artikel", aus Poesien, kleinen Prosaaufsätze"
und kurzen Kritiken bestehend; die Gedichte werden spater auch wol in eine"
besondern ..poetischen Winkel" verwiesen. Zu den Mitarbeitern gehörten
Herder, Stolberg, Voß u. s. w. Eine durchgreifende Tendenz ist nicht sichtbar,
doch hält Claudius im Ganzen die Fahne Klopstocks fest und polemisirt ziemlich
lebhaft gegen Wieland (z. B. in der Anzeige des neuen Amadis 1771). Des
alten Freundes Alberti Tod (1772) wird mit Theilnahme gemeldet, und gege"
Götze der christliche Friede vertreten. Lessings Emilie (1772) erhält das g°'
bührende Lob; gegen das Motiv der Sinnlichkeit bei der Heldin werden ge<
rechte Einwendungen gemacht. Auch später, bei der Veröffentlichung der Frag'
mente, sagte sich Claudius keineswegs von Lessing los: "er meint, wer Ne^
hat, Wird wol Recht behalten; der solls aber auch behalten, und darf das
freie Feld nicht scheuen!" In seiner Antwort (April 1778) erklärt Lessing, d-r
ehrliche Herr Asmus habe seine Gesinnungen ganz richtig interpretirt. M>t
großer Freude wird (Juli 1773) Götz von Berlichingen begrüßt: ..Der Ver¬
fasser bricht gerade durch alle Schranken und Regeln durch, wie sein edler
tapferer Götz durch die blanken Escadrons feindlicher Reiter, kehrt das Bild
aus der Höhe unterst zu oberst und setzt sich aufs Fußgestelle hin hohnlachet
Das macht er nun freilich etwas bunt, und es läßt sich Mit Fug gege"
diesen Unfug manches sagen, das man auch sagen würde, wenn einen der >
Verfasser durch einige Weisen, die er an sich hat. nicht versöhnte." ^'
Werther (1774) wird bei aller Anerkennung auf die Gefahr der falschen E>"'
psindscnnkeit hingewiesen; in diesem Sinn werden (1775) selbst Nicola^
"Freuden" als Abkühlungsmittel empfohlen, und auf.einen Ausfall im .M"'
metheus". als dessen Verfasser Goethe galt, ziemlich scharf geantwortet:
der Aufklärung dieses Mißverständnisses stellte sich dann das gute Einvernck'
men zwischen den beiden Dichtern wieder her. -- Ueber Claudius poctis^
Form, die sich in jener Periode bereits vollständig entwickelte, macht der Ver¬
fasser einige sehr seine Bemerkungen. "Man suchte nach den Elemente''
des Lebens, da die vorliegenden Lebenszustände so gemischt, complicirt ur>°
verworren erschienen." Claudius unterschied sich dadurch von den ander"'


(Virgil läßt auch oft Verse leer)
Von dem verschwiegnen Freymäurcr
Vielleicht wol auch, doch heimlicher,
Von Fried Tractaten, Krieg und Wehr.
Von Couriers, die von ungefähr
Gewiß nicht reiten hin und her u. s. w.

Das Blatt erschien viermal wöchentlich auf je zwei Quartblättern in sehr
bescheidener Ausstattung. Der politische Theil, aus andern Zeitungen zu¬
sammengestellt, nimmt in der Regel drei Seiten ein, dann folgen die meist
ziemlich ungelehrten „gelehrten Artikel", aus Poesien, kleinen Prosaaufsätze"
und kurzen Kritiken bestehend; die Gedichte werden spater auch wol in eine»
besondern ..poetischen Winkel" verwiesen. Zu den Mitarbeitern gehörten
Herder, Stolberg, Voß u. s. w. Eine durchgreifende Tendenz ist nicht sichtbar,
doch hält Claudius im Ganzen die Fahne Klopstocks fest und polemisirt ziemlich
lebhaft gegen Wieland (z. B. in der Anzeige des neuen Amadis 1771). Des
alten Freundes Alberti Tod (1772) wird mit Theilnahme gemeldet, und gege»
Götze der christliche Friede vertreten. Lessings Emilie (1772) erhält das g°'
bührende Lob; gegen das Motiv der Sinnlichkeit bei der Heldin werden ge<
rechte Einwendungen gemacht. Auch später, bei der Veröffentlichung der Frag'
mente, sagte sich Claudius keineswegs von Lessing los: „er meint, wer Ne^
hat, Wird wol Recht behalten; der solls aber auch behalten, und darf das
freie Feld nicht scheuen!" In seiner Antwort (April 1778) erklärt Lessing, d-r
ehrliche Herr Asmus habe seine Gesinnungen ganz richtig interpretirt. M>t
großer Freude wird (Juli 1773) Götz von Berlichingen begrüßt: ..Der Ver¬
fasser bricht gerade durch alle Schranken und Regeln durch, wie sein edler
tapferer Götz durch die blanken Escadrons feindlicher Reiter, kehrt das Bild
aus der Höhe unterst zu oberst und setzt sich aufs Fußgestelle hin hohnlachet
Das macht er nun freilich etwas bunt, und es läßt sich Mit Fug gege"
diesen Unfug manches sagen, das man auch sagen würde, wenn einen der >
Verfasser durch einige Weisen, die er an sich hat. nicht versöhnte." ^'
Werther (1774) wird bei aller Anerkennung auf die Gefahr der falschen E>"'
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„Freuden" als Abkühlungsmittel empfohlen, und auf.einen Ausfall im .M"'
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der Aufklärung dieses Mißverständnisses stellte sich dann das gute Einvernck'
men zwischen den beiden Dichtern wieder her. — Ueber Claudius poctis^
Form, die sich in jener Periode bereits vollständig entwickelte, macht der Ver¬
fasser einige sehr seine Bemerkungen. „Man suchte nach den Elemente''
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/346>, abgerufen am 24.07.2024.