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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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schaftlichen und grausamen V.alens die Anhänger der alten Religion, be¬
gierig nach einem heidnischen Kaiser, durchaus den Namen des Nachfolgers
zu erforschen strebten, wurde auch die Astrologie wieder lebendig. Welch
abenteuerliche Mittel nebenbei in Anwendung kamen, wäre uns kaum glaub¬
lich, wenn wir nicht selbst im Zeitalter des Tischrückens und Geistcrklopscns
lebten. So schrieb der Sophist Libanius 24 Buchstaben in den Staub und
legte zu jedem derselben ein Weizenkorn. Dann ließ er einen Hahn herbei'
schaffen und beobachtete, während er gewisse Formeln recitirte. welche Körner
derselbe zuerst fraß. Einige Beamte des Hofes construirten ans Stäbchen vo"
Lorbeer ein dreifüßiges Tischchen. Dasselbe diente einer metallenen Schuld
als Unterlage, in deren Rand die 24 Buchstaben eingravirt waren. Dann
stellte sich Einer über die Schüssel, in der Rechten einen Faden mit einem
weihten Ringe haltend, der in Schwingung gerathend endlich einzelne Buch'
Stäben berührte. Während der Hahn des Libanius bis Theod gekomiue"
war, hatte der Ring erst die Buchstaben bis Theo gewählt, als ein Vorland
schrie, es könne niemand anders gemeint sein, als Theodorus, ein eing^
bildeter kaiserlicher Secretär. Leider verstand der Kaiser keinen Scherz und
wüthete mit Folter, Feuer und Schwert gegen Schuldige und Unschuldig^
Unter anderm büßte ein vornehmer Mann, der vor der Entbindung sen>^
Frau das Geschlecht des Sprößlings zu erfahren gesucht hatte, mit dem
tust seines Vermögens, und ein armer Provinzbewohncr, bei dem man d>^
Nativität eines längst verstorbenen Bruders fand, der unglücklicherweise
Kaisers Namensbruder gewesen war, wurde ohne Untersuchung enthaupt^
Eine Unmasse Bücher wurden gesammelt und verbrannt und ein neues Geh^'
bedrohte Lehrer und Schüler der Astrologie mit dem Tod.

Die alten christlichen Kirchenlehrer machten einstimmig gegen die Ast^'
logie Front und wußten noch nichts von den Spitzfindigkeiten, durch die n>a>'
sich im Mittelalter vom astrologischen Standpunkt aus gegen die Consequen"
eines fatalistischen Determinismus zu verwahren suchte. Daß von der Ku'^
die Sterndeuterei als etwas specifisch Heidnisches eingesehn wurde, ergibt si"
auch aus dem letzten Gesetze der Art. das Honorius im Jahre 409 geg"'
sie erließ; es lautet: "Wir befehlen, daß die Mathematiker, wenn sie nich
bereit sind, nach Verbrennung ihrer Bücher vor den Augen der Bischöfe
versprechen, daß sie der katholischen Religion treu bleiben und nie zu >b^
frühern Irrthümern zurückkehren wollen, nicht allein aus der Stadt ni>"''
sondern auch aus allen andern Städten vertrieben werden. Wenn sie b'
dennoch nicht entfernen und bei Ausübung ihrer Profession ergriffen ward^
sollen sie die Strafe der Deportation empfangen." Die erwähnten Gefti^
der Kaiser Diocletian, Konstantins und Valens wurden später auch von
H- ^' stinian adoptirt.




schaftlichen und grausamen V.alens die Anhänger der alten Religion, be¬
gierig nach einem heidnischen Kaiser, durchaus den Namen des Nachfolgers
zu erforschen strebten, wurde auch die Astrologie wieder lebendig. Welch
abenteuerliche Mittel nebenbei in Anwendung kamen, wäre uns kaum glaub¬
lich, wenn wir nicht selbst im Zeitalter des Tischrückens und Geistcrklopscns
lebten. So schrieb der Sophist Libanius 24 Buchstaben in den Staub und
legte zu jedem derselben ein Weizenkorn. Dann ließ er einen Hahn herbei'
schaffen und beobachtete, während er gewisse Formeln recitirte. welche Körner
derselbe zuerst fraß. Einige Beamte des Hofes construirten ans Stäbchen vo»
Lorbeer ein dreifüßiges Tischchen. Dasselbe diente einer metallenen Schuld
als Unterlage, in deren Rand die 24 Buchstaben eingravirt waren. Dann
stellte sich Einer über die Schüssel, in der Rechten einen Faden mit einem
weihten Ringe haltend, der in Schwingung gerathend endlich einzelne Buch'
Stäben berührte. Während der Hahn des Libanius bis Theod gekomiue»
war, hatte der Ring erst die Buchstaben bis Theo gewählt, als ein Vorland
schrie, es könne niemand anders gemeint sein, als Theodorus, ein eing^
bildeter kaiserlicher Secretär. Leider verstand der Kaiser keinen Scherz und
wüthete mit Folter, Feuer und Schwert gegen Schuldige und Unschuldig^
Unter anderm büßte ein vornehmer Mann, der vor der Entbindung sen>^
Frau das Geschlecht des Sprößlings zu erfahren gesucht hatte, mit dem
tust seines Vermögens, und ein armer Provinzbewohncr, bei dem man d>^
Nativität eines längst verstorbenen Bruders fand, der unglücklicherweise
Kaisers Namensbruder gewesen war, wurde ohne Untersuchung enthaupt^
Eine Unmasse Bücher wurden gesammelt und verbrannt und ein neues Geh^'
bedrohte Lehrer und Schüler der Astrologie mit dem Tod.

Die alten christlichen Kirchenlehrer machten einstimmig gegen die Ast^'
logie Front und wußten noch nichts von den Spitzfindigkeiten, durch die n>a>'
sich im Mittelalter vom astrologischen Standpunkt aus gegen die Consequen»
eines fatalistischen Determinismus zu verwahren suchte. Daß von der Ku'^
die Sterndeuterei als etwas specifisch Heidnisches eingesehn wurde, ergibt si"
auch aus dem letzten Gesetze der Art. das Honorius im Jahre 409 geg"'
sie erließ; es lautet: „Wir befehlen, daß die Mathematiker, wenn sie nich
bereit sind, nach Verbrennung ihrer Bücher vor den Augen der Bischöfe
versprechen, daß sie der katholischen Religion treu bleiben und nie zu >b^
frühern Irrthümern zurückkehren wollen, nicht allein aus der Stadt ni>"''
sondern auch aus allen andern Städten vertrieben werden. Wenn sie b'
dennoch nicht entfernen und bei Ausübung ihrer Profession ergriffen ward^
sollen sie die Strafe der Deportation empfangen." Die erwähnten Gefti^
der Kaiser Diocletian, Konstantins und Valens wurden später auch von
H- ^' stinian adoptirt.




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[0322] schaftlichen und grausamen V.alens die Anhänger der alten Religion, be¬ gierig nach einem heidnischen Kaiser, durchaus den Namen des Nachfolgers zu erforschen strebten, wurde auch die Astrologie wieder lebendig. Welch abenteuerliche Mittel nebenbei in Anwendung kamen, wäre uns kaum glaub¬ lich, wenn wir nicht selbst im Zeitalter des Tischrückens und Geistcrklopscns lebten. So schrieb der Sophist Libanius 24 Buchstaben in den Staub und legte zu jedem derselben ein Weizenkorn. Dann ließ er einen Hahn herbei' schaffen und beobachtete, während er gewisse Formeln recitirte. welche Körner derselbe zuerst fraß. Einige Beamte des Hofes construirten ans Stäbchen vo» Lorbeer ein dreifüßiges Tischchen. Dasselbe diente einer metallenen Schuld als Unterlage, in deren Rand die 24 Buchstaben eingravirt waren. Dann stellte sich Einer über die Schüssel, in der Rechten einen Faden mit einem weihten Ringe haltend, der in Schwingung gerathend endlich einzelne Buch' Stäben berührte. Während der Hahn des Libanius bis Theod gekomiue» war, hatte der Ring erst die Buchstaben bis Theo gewählt, als ein Vorland schrie, es könne niemand anders gemeint sein, als Theodorus, ein eing^ bildeter kaiserlicher Secretär. Leider verstand der Kaiser keinen Scherz und wüthete mit Folter, Feuer und Schwert gegen Schuldige und Unschuldig^ Unter anderm büßte ein vornehmer Mann, der vor der Entbindung sen>^ Frau das Geschlecht des Sprößlings zu erfahren gesucht hatte, mit dem tust seines Vermögens, und ein armer Provinzbewohncr, bei dem man d>^ Nativität eines längst verstorbenen Bruders fand, der unglücklicherweise Kaisers Namensbruder gewesen war, wurde ohne Untersuchung enthaupt^ Eine Unmasse Bücher wurden gesammelt und verbrannt und ein neues Geh^' bedrohte Lehrer und Schüler der Astrologie mit dem Tod. Die alten christlichen Kirchenlehrer machten einstimmig gegen die Ast^' logie Front und wußten noch nichts von den Spitzfindigkeiten, durch die n>a>' sich im Mittelalter vom astrologischen Standpunkt aus gegen die Consequen» eines fatalistischen Determinismus zu verwahren suchte. Daß von der Ku'^ die Sterndeuterei als etwas specifisch Heidnisches eingesehn wurde, ergibt si" auch aus dem letzten Gesetze der Art. das Honorius im Jahre 409 geg"' sie erließ; es lautet: „Wir befehlen, daß die Mathematiker, wenn sie nich bereit sind, nach Verbrennung ihrer Bücher vor den Augen der Bischöfe versprechen, daß sie der katholischen Religion treu bleiben und nie zu >b^ frühern Irrthümern zurückkehren wollen, nicht allein aus der Stadt ni>"'' sondern auch aus allen andern Städten vertrieben werden. Wenn sie b' dennoch nicht entfernen und bei Ausübung ihrer Profession ergriffen ward^ sollen sie die Strafe der Deportation empfangen." Die erwähnten Gefti^ der Kaiser Diocletian, Konstantins und Valens wurden später auch von H- ^' stinian adoptirt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/322>, abgerufen am 24.07.2024.