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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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zu zittern und rief endlich voll Staunen und Furcht: "die Stunde ist für mich
sehr bedenklich, es droht mir eine sehr große Gefahr!" Da umarmte ihn
Tiberius und wünschte ihm Glück dazu, daß er durch die Sicherheit seines
Wissens der Gefahr entronnen sei. Einen zweiten Beweis zu seinen Gunsten
lieferte der Astrolog dadurch, daß er, als das Regierungsschiff in Sicht kam,
welches dem Verbannten die Erlaubniß zur Rückkehr brachte, vorhersagte, das
Schiff berge eine freudige Nachricht. Tiberius konnte sich nun von Thrasnllus
nicht mehr trennen, nahm ihn mit sich nach Rom und behielt ihn bis ans
Ende seines Lebens in seiner Nähe. Sehr klug hatte sich der Astrolog vor
jeder gefährlichen Ungnade seines Herrn geschützt, indem er stets behauptete.
Tiberius werde zehn Jahre später als er selbst sterben; ja er erwarb sich da¬
durch, vielleicht ohne es zu wollen, ein Verdienst um andere insofern, als der
grausame Tyrann gegen das Ende seines Lebens trotz der zunehmenden
Schwäche manche blutige Maßregel aufgeschoben haben soll, weil ja sein ge¬
treuer Thrasyllus noch lebte! -- Uebrigens gab der kaiserliche Adept auch Pro¬
ben seiner eignen Kunstfertigkeit und soll unter anderem dem unglücklichen
Galba. als derselbe noch Consul war, gesagt haben: "Auch du wirst einst
die Herrschaft kosten!" Trotzdem hegte er aus angebornem Argwohn und eig¬
ner Erfahrung Mißtrauen gegen die Chaldäer und gestattete ihnen nur auf
ihr Versprechen, die Ausübung ihres Gewerbes unterlassen zu wollen, den
Ausenthalt in Italien. Ais aber später die Untersuchungen gegen Scribonius.
Lido und Lepida darthaten, wie leicht jenes Gelichter selbst schwache Gemüther
"ut nichtigen Hoffnungen erfüllen und zu gefährlichen Unternehmungen reizen
konnte, veranlaßte er einen Senatsbeschluß zur Vertreibung der Chaldäer und
Magier und ließ einen derselben vom tarpejischen Felsen herabstürzen, einen
""dem auf dem NichtPlatz der Sklaven enthaupten. Allein die Charlatane
waren längst der Hauptstadt unentbehrlich geworden, alle Verbote blieben
erfolglos; "den Mächtigen unzuverlässig und trügerisch den Hoffenden," wie
Tucitus sie nennt, fanden sie sich stets wieder ein. Der unsinnige Caligula
scheint wenig auf chaldäische Weisheit gegeben zu haben und man erzählte
sich bei Hofe, er habe den ungeheuern, zwecklosen Brückenbau über die
3."00 Schritte lange Wasscrstrccke von Bauli nach Puteoli blos deshalb unter¬
nommen, um die Prophezeiung des berühmten Thrasyllus zu nichte zu machen:
d"ß Caligula ebenso wenig zur Regierung gelangen könnte, als über die Bucht
""n Baja mit Rossen fahren. Allein gegen sein Ende hin soll er sich doch
^abgelassen haben, den Mathematiker Su ita über seine Zukunft zu befragen
"ut mit der bestimmtesten Verkündigung des nahen Todes bedacht worden
^'in. Unter Claudius waren einige Hochverrathsprocessc wegen Befragung
Chaldäer über Verhältnisse des kaiserlichen Hauses die Ursache zu einem
Abermaligen "harten und vergeblichen" Verbannungsdecrct. Desto sehnlicher


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zu zittern und rief endlich voll Staunen und Furcht: „die Stunde ist für mich
sehr bedenklich, es droht mir eine sehr große Gefahr!" Da umarmte ihn
Tiberius und wünschte ihm Glück dazu, daß er durch die Sicherheit seines
Wissens der Gefahr entronnen sei. Einen zweiten Beweis zu seinen Gunsten
lieferte der Astrolog dadurch, daß er, als das Regierungsschiff in Sicht kam,
welches dem Verbannten die Erlaubniß zur Rückkehr brachte, vorhersagte, das
Schiff berge eine freudige Nachricht. Tiberius konnte sich nun von Thrasnllus
nicht mehr trennen, nahm ihn mit sich nach Rom und behielt ihn bis ans
Ende seines Lebens in seiner Nähe. Sehr klug hatte sich der Astrolog vor
jeder gefährlichen Ungnade seines Herrn geschützt, indem er stets behauptete.
Tiberius werde zehn Jahre später als er selbst sterben; ja er erwarb sich da¬
durch, vielleicht ohne es zu wollen, ein Verdienst um andere insofern, als der
grausame Tyrann gegen das Ende seines Lebens trotz der zunehmenden
Schwäche manche blutige Maßregel aufgeschoben haben soll, weil ja sein ge¬
treuer Thrasyllus noch lebte! — Uebrigens gab der kaiserliche Adept auch Pro¬
ben seiner eignen Kunstfertigkeit und soll unter anderem dem unglücklichen
Galba. als derselbe noch Consul war, gesagt haben: „Auch du wirst einst
die Herrschaft kosten!" Trotzdem hegte er aus angebornem Argwohn und eig¬
ner Erfahrung Mißtrauen gegen die Chaldäer und gestattete ihnen nur auf
ihr Versprechen, die Ausübung ihres Gewerbes unterlassen zu wollen, den
Ausenthalt in Italien. Ais aber später die Untersuchungen gegen Scribonius.
Lido und Lepida darthaten, wie leicht jenes Gelichter selbst schwache Gemüther
"ut nichtigen Hoffnungen erfüllen und zu gefährlichen Unternehmungen reizen
konnte, veranlaßte er einen Senatsbeschluß zur Vertreibung der Chaldäer und
Magier und ließ einen derselben vom tarpejischen Felsen herabstürzen, einen
"»dem auf dem NichtPlatz der Sklaven enthaupten. Allein die Charlatane
waren längst der Hauptstadt unentbehrlich geworden, alle Verbote blieben
erfolglos; „den Mächtigen unzuverlässig und trügerisch den Hoffenden," wie
Tucitus sie nennt, fanden sie sich stets wieder ein. Der unsinnige Caligula
scheint wenig auf chaldäische Weisheit gegeben zu haben und man erzählte
sich bei Hofe, er habe den ungeheuern, zwecklosen Brückenbau über die
3.«00 Schritte lange Wasscrstrccke von Bauli nach Puteoli blos deshalb unter¬
nommen, um die Prophezeiung des berühmten Thrasyllus zu nichte zu machen:
d"ß Caligula ebenso wenig zur Regierung gelangen könnte, als über die Bucht
""n Baja mit Rossen fahren. Allein gegen sein Ende hin soll er sich doch
^abgelassen haben, den Mathematiker Su ita über seine Zukunft zu befragen
"ut mit der bestimmtesten Verkündigung des nahen Todes bedacht worden
^'in. Unter Claudius waren einige Hochverrathsprocessc wegen Befragung
Chaldäer über Verhältnisse des kaiserlichen Hauses die Ursache zu einem
Abermaligen „harten und vergeblichen" Verbannungsdecrct. Desto sehnlicher


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[0317] zu zittern und rief endlich voll Staunen und Furcht: „die Stunde ist für mich sehr bedenklich, es droht mir eine sehr große Gefahr!" Da umarmte ihn Tiberius und wünschte ihm Glück dazu, daß er durch die Sicherheit seines Wissens der Gefahr entronnen sei. Einen zweiten Beweis zu seinen Gunsten lieferte der Astrolog dadurch, daß er, als das Regierungsschiff in Sicht kam, welches dem Verbannten die Erlaubniß zur Rückkehr brachte, vorhersagte, das Schiff berge eine freudige Nachricht. Tiberius konnte sich nun von Thrasnllus nicht mehr trennen, nahm ihn mit sich nach Rom und behielt ihn bis ans Ende seines Lebens in seiner Nähe. Sehr klug hatte sich der Astrolog vor jeder gefährlichen Ungnade seines Herrn geschützt, indem er stets behauptete. Tiberius werde zehn Jahre später als er selbst sterben; ja er erwarb sich da¬ durch, vielleicht ohne es zu wollen, ein Verdienst um andere insofern, als der grausame Tyrann gegen das Ende seines Lebens trotz der zunehmenden Schwäche manche blutige Maßregel aufgeschoben haben soll, weil ja sein ge¬ treuer Thrasyllus noch lebte! — Uebrigens gab der kaiserliche Adept auch Pro¬ ben seiner eignen Kunstfertigkeit und soll unter anderem dem unglücklichen Galba. als derselbe noch Consul war, gesagt haben: „Auch du wirst einst die Herrschaft kosten!" Trotzdem hegte er aus angebornem Argwohn und eig¬ ner Erfahrung Mißtrauen gegen die Chaldäer und gestattete ihnen nur auf ihr Versprechen, die Ausübung ihres Gewerbes unterlassen zu wollen, den Ausenthalt in Italien. Ais aber später die Untersuchungen gegen Scribonius. Lido und Lepida darthaten, wie leicht jenes Gelichter selbst schwache Gemüther "ut nichtigen Hoffnungen erfüllen und zu gefährlichen Unternehmungen reizen konnte, veranlaßte er einen Senatsbeschluß zur Vertreibung der Chaldäer und Magier und ließ einen derselben vom tarpejischen Felsen herabstürzen, einen "»dem auf dem NichtPlatz der Sklaven enthaupten. Allein die Charlatane waren längst der Hauptstadt unentbehrlich geworden, alle Verbote blieben erfolglos; „den Mächtigen unzuverlässig und trügerisch den Hoffenden," wie Tucitus sie nennt, fanden sie sich stets wieder ein. Der unsinnige Caligula scheint wenig auf chaldäische Weisheit gegeben zu haben und man erzählte sich bei Hofe, er habe den ungeheuern, zwecklosen Brückenbau über die 3.«00 Schritte lange Wasscrstrccke von Bauli nach Puteoli blos deshalb unter¬ nommen, um die Prophezeiung des berühmten Thrasyllus zu nichte zu machen: d"ß Caligula ebenso wenig zur Regierung gelangen könnte, als über die Bucht ""n Baja mit Rossen fahren. Allein gegen sein Ende hin soll er sich doch ^abgelassen haben, den Mathematiker Su ita über seine Zukunft zu befragen "ut mit der bestimmtesten Verkündigung des nahen Todes bedacht worden ^'in. Unter Claudius waren einige Hochverrathsprocessc wegen Befragung Chaldäer über Verhältnisse des kaiserlichen Hauses die Ursache zu einem Abermaligen „harten und vergeblichen" Verbannungsdecrct. Desto sehnlicher 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/317>, abgerufen am 24.07.2024.