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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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er brachte zwei Tage vor demselben das zweiundzwanzigste Buch seiner Me-,
Moiren zu Ende, in welchem er meldet, daß ihm die Chaldäer vorhergesagt
hätten, er werde im höchsten Glücke sein Leben beschließen." Traf hier die
Verheißung des Erwünschten zufällig ein. so heißt es dagegen bei Cicero:
.Wie vieler Aussprüche der Chaldäer erinnere ich mich in Bezug auf Pompe-
Nis. auf Crassus und selbst Cäsar, dahin lautend, daß jeder derselben im
Greisenalter, zu Hause, im höchsten Glänze des Ruhmes sterben würde! Es
ist mir wunderbar, daß es überhaupt noch jemanden gibt, der ihren Prophe-
Zeihungen glaubt, da dieselben doch täglich durch den Erfolg widerlegt wer¬
den." Es finden sich diese Worte des großen Redners in seinem Buch "über
die Weissagung", in welchem er in einem längeren Abschnitt gegen die Ver¬
nunftwidrigkeit und den verderblichen Einfluß der astrologischen Grundsätze
eifert. Es hatten diese damals aber bereits eine solche Gewalt über die Ge¬
müther erlangt, daß ein gewisser Tarutius Firmanus es wagen konnte,
dle Geburtsstunde der Stadt Rom zu berechnen, zu behaupten, daß zu jener
Zeit der Mond im Zeichen der Wage gestanden habe und darnach die wei¬
teren Schicksale zu bestimmen. Ein anderer Zeitgenosse Ciceros, der berühmte
Grammatiker P. Nigidius Figulus. soll als eifriger Astronom und Na-
twitütssteller. sobald er die Nachricht von der Geburt Octavians erhielt, den¬
selben als künftigen Herrn des Reiches bezeichnet haben. Weniger auf diese
Aeußerung als auf ein anderes Begegniß gründete sich spater Octavians Zu¬
versicht auf seinen glücklichen Stern. Wenige Monate vor seines Oheims Er¬
mordung war er nach Apollonia in Jllyrien gesandt worden, um sich dort
Mit dem Heer bekannt zu macheu und seine Studien fortzusetzen. Da trieb
ihn einst die Neugierde und das Beispiel anderer, den in der Nähe wohnen¬
den Seher Thcogenes zu besuchen. In Begleitung Agrippas erstieg er die
Höhe, auf der das astronomische Observatorium stand, und ungekannt betraten
^e dasselbe. Agrippa fragte zuerst und erhielt so große und beinahe unglaub¬
liche Versprechungen, daß der junge Octavian, aus Furcht, ein geringeres
^°os zu ziehn, sich weigerte, die Stunde seiner Geburt anzugeben. Schüchtern
that er es endlich aus vieles Zureden; Theogenes verstummte und -- bezeugte
^drü fußfällig seine Verehrung. Wer kann wissen, ob nicht dieser Vorgang
die schlummernde Herrschsucht in Cäsars Neffen weckte, ihn wenigstens mäch¬
tig in den Entschlüssen stärkte, welche er vielleicht wenige Wochen später als
^klarier Erbe von Cäsars Namen und Vermögen faßte? Thatsache ist. daß
^ als Kaiser eine silberne Münze mit dem bei seiner Geburt dominirenden
Zeichen des Steinbocks prägen ließ und die Widmung der astrologischen Ge¬
richte des Manilius annahm. Natürlich kam unter ihm die- Genethlialogie
^ der Hauptstadt immer mehr in Aufnahme; sorgfältig notirte man bei jedem
Kinde die entscheidende Stunde, und selbst die Damen interessirten sich schon


Grenzboten I. 18S9. , 39

er brachte zwei Tage vor demselben das zweiundzwanzigste Buch seiner Me-,
Moiren zu Ende, in welchem er meldet, daß ihm die Chaldäer vorhergesagt
hätten, er werde im höchsten Glücke sein Leben beschließen." Traf hier die
Verheißung des Erwünschten zufällig ein. so heißt es dagegen bei Cicero:
.Wie vieler Aussprüche der Chaldäer erinnere ich mich in Bezug auf Pompe-
Nis. auf Crassus und selbst Cäsar, dahin lautend, daß jeder derselben im
Greisenalter, zu Hause, im höchsten Glänze des Ruhmes sterben würde! Es
ist mir wunderbar, daß es überhaupt noch jemanden gibt, der ihren Prophe-
Zeihungen glaubt, da dieselben doch täglich durch den Erfolg widerlegt wer¬
den." Es finden sich diese Worte des großen Redners in seinem Buch „über
die Weissagung", in welchem er in einem längeren Abschnitt gegen die Ver¬
nunftwidrigkeit und den verderblichen Einfluß der astrologischen Grundsätze
eifert. Es hatten diese damals aber bereits eine solche Gewalt über die Ge¬
müther erlangt, daß ein gewisser Tarutius Firmanus es wagen konnte,
dle Geburtsstunde der Stadt Rom zu berechnen, zu behaupten, daß zu jener
Zeit der Mond im Zeichen der Wage gestanden habe und darnach die wei¬
teren Schicksale zu bestimmen. Ein anderer Zeitgenosse Ciceros, der berühmte
Grammatiker P. Nigidius Figulus. soll als eifriger Astronom und Na-
twitütssteller. sobald er die Nachricht von der Geburt Octavians erhielt, den¬
selben als künftigen Herrn des Reiches bezeichnet haben. Weniger auf diese
Aeußerung als auf ein anderes Begegniß gründete sich spater Octavians Zu¬
versicht auf seinen glücklichen Stern. Wenige Monate vor seines Oheims Er¬
mordung war er nach Apollonia in Jllyrien gesandt worden, um sich dort
Mit dem Heer bekannt zu macheu und seine Studien fortzusetzen. Da trieb
ihn einst die Neugierde und das Beispiel anderer, den in der Nähe wohnen¬
den Seher Thcogenes zu besuchen. In Begleitung Agrippas erstieg er die
Höhe, auf der das astronomische Observatorium stand, und ungekannt betraten
^e dasselbe. Agrippa fragte zuerst und erhielt so große und beinahe unglaub¬
liche Versprechungen, daß der junge Octavian, aus Furcht, ein geringeres
^°os zu ziehn, sich weigerte, die Stunde seiner Geburt anzugeben. Schüchtern
that er es endlich aus vieles Zureden; Theogenes verstummte und — bezeugte
^drü fußfällig seine Verehrung. Wer kann wissen, ob nicht dieser Vorgang
die schlummernde Herrschsucht in Cäsars Neffen weckte, ihn wenigstens mäch¬
tig in den Entschlüssen stärkte, welche er vielleicht wenige Wochen später als
^klarier Erbe von Cäsars Namen und Vermögen faßte? Thatsache ist. daß
^ als Kaiser eine silberne Münze mit dem bei seiner Geburt dominirenden
Zeichen des Steinbocks prägen ließ und die Widmung der astrologischen Ge¬
richte des Manilius annahm. Natürlich kam unter ihm die- Genethlialogie
^ der Hauptstadt immer mehr in Aufnahme; sorgfältig notirte man bei jedem
Kinde die entscheidende Stunde, und selbst die Damen interessirten sich schon


Grenzboten I. 18S9. , 39
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[0315] er brachte zwei Tage vor demselben das zweiundzwanzigste Buch seiner Me-, Moiren zu Ende, in welchem er meldet, daß ihm die Chaldäer vorhergesagt hätten, er werde im höchsten Glücke sein Leben beschließen." Traf hier die Verheißung des Erwünschten zufällig ein. so heißt es dagegen bei Cicero: .Wie vieler Aussprüche der Chaldäer erinnere ich mich in Bezug auf Pompe- Nis. auf Crassus und selbst Cäsar, dahin lautend, daß jeder derselben im Greisenalter, zu Hause, im höchsten Glänze des Ruhmes sterben würde! Es ist mir wunderbar, daß es überhaupt noch jemanden gibt, der ihren Prophe- Zeihungen glaubt, da dieselben doch täglich durch den Erfolg widerlegt wer¬ den." Es finden sich diese Worte des großen Redners in seinem Buch „über die Weissagung", in welchem er in einem längeren Abschnitt gegen die Ver¬ nunftwidrigkeit und den verderblichen Einfluß der astrologischen Grundsätze eifert. Es hatten diese damals aber bereits eine solche Gewalt über die Ge¬ müther erlangt, daß ein gewisser Tarutius Firmanus es wagen konnte, dle Geburtsstunde der Stadt Rom zu berechnen, zu behaupten, daß zu jener Zeit der Mond im Zeichen der Wage gestanden habe und darnach die wei¬ teren Schicksale zu bestimmen. Ein anderer Zeitgenosse Ciceros, der berühmte Grammatiker P. Nigidius Figulus. soll als eifriger Astronom und Na- twitütssteller. sobald er die Nachricht von der Geburt Octavians erhielt, den¬ selben als künftigen Herrn des Reiches bezeichnet haben. Weniger auf diese Aeußerung als auf ein anderes Begegniß gründete sich spater Octavians Zu¬ versicht auf seinen glücklichen Stern. Wenige Monate vor seines Oheims Er¬ mordung war er nach Apollonia in Jllyrien gesandt worden, um sich dort Mit dem Heer bekannt zu macheu und seine Studien fortzusetzen. Da trieb ihn einst die Neugierde und das Beispiel anderer, den in der Nähe wohnen¬ den Seher Thcogenes zu besuchen. In Begleitung Agrippas erstieg er die Höhe, auf der das astronomische Observatorium stand, und ungekannt betraten ^e dasselbe. Agrippa fragte zuerst und erhielt so große und beinahe unglaub¬ liche Versprechungen, daß der junge Octavian, aus Furcht, ein geringeres ^°os zu ziehn, sich weigerte, die Stunde seiner Geburt anzugeben. Schüchtern that er es endlich aus vieles Zureden; Theogenes verstummte und — bezeugte ^drü fußfällig seine Verehrung. Wer kann wissen, ob nicht dieser Vorgang die schlummernde Herrschsucht in Cäsars Neffen weckte, ihn wenigstens mäch¬ tig in den Entschlüssen stärkte, welche er vielleicht wenige Wochen später als ^klarier Erbe von Cäsars Namen und Vermögen faßte? Thatsache ist. daß ^ als Kaiser eine silberne Münze mit dem bei seiner Geburt dominirenden Zeichen des Steinbocks prägen ließ und die Widmung der astrologischen Ge¬ richte des Manilius annahm. Natürlich kam unter ihm die- Genethlialogie ^ der Hauptstadt immer mehr in Aufnahme; sorgfältig notirte man bei jedem Kinde die entscheidende Stunde, und selbst die Damen interessirten sich schon Grenzboten I. 18S9. , 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/315>, abgerufen am 24.07.2024.