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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Seite des Lebens hat nun einmal für den Deutschen eine so große Bedeu¬
tung, daß wo ihr nicht eine freie, uneingeschränkte Entfaltung gegönnt ist,
deutsche Gemüth sich nicht befriedigt, sondern gradezu abgestoßen fühlt. --
^euch Oestreich, das im letzten Decennium so bedeutende Schöpfungen ins
Leben rief, wie kaum in einer andern Periode seiner tausendjährigen Geschichte
und die größten Hemmnisse seiner innern Erstarrung und seiner äußern Macht¬
entfaltung aus dem Wege räumte; jenes Oestreich, das die Zwischenzolllinien
beseitigte, das gleiche Privat- und Verwaltungsrecht in allen Marken seines
Zeiten Gebietes einführte, vollkommene Rechtssicherheit herstellte, den Feudal-
basten ein Ende machte, den Bodcncredit festigte, mit der Durchführung eines
einheitlichen Münzsystems auch die Baarzahlungen der Bank wieder möglich
'Nachte; jenes Oestreich, welches ein weitverzweigtes Eisenbahnsystem feststellte,
Zum Theil schon durchführte und bereits die mannigfaltigsten Bedingungen
Materieller Prosperität ins Leben rief, wird auch die Mittel in Händen haben
(auch den Willen? d. Red.), das bedeutendste Hinderniß einer massenhaften,
materiellen Aufschwung der östlichen Kronländer fördernden Einwanderung
aus dem Wege zu räumen, d. i. die factisch zwischen seinen katholischen und
^inen evangelischen Unterthanen bestehenden Rechtsunterschiede zu beseitigen,
und dem preußischen Banner, das ein edler deutscher Prinz in der jüngsten
5>eit so hoch geschwungen, auf dem Gebiet der geizigen und religiösen Inter¬
essen Deutschlands eine ehrenwerthe Concurrenz zu machen. Nachdem das
östreichische Concordat im Jahre 1855 erschienen war, erklärte und versicherte
^e "Wiener Zeitung", das officielle Organ der Regierung, in ihrer 261. Num¬
mer den östreichischen Protestanten beruhigend: "In dieser rückhaltsloser An¬
erkennung der Rechte der katholischen Kirche liegt übrigens für alle andern
Religiösen Genossenschaften des Kaiserstaates eine sichere Gewähr der ihrigen,
^as Rechtsgefühl, das hier vorwaltete, wird auch der Maßstab bei Regelung
Hrer Verhältnisse sein und sie, welche mit anerkannten gesetzlichen Bestände
erprobt in Treue und Anhänglichkeit an das Allerhöchste Kaiserhaus den Schutz
es Gesetzes und den Schirm einer unparteiischen, väterlich-weisen Negierung
eanspruchen, werden in ihren Erwartungen sich nicht getäuscht finden. Die
Weichheit vor dem Gesetz, das über alle sich erstreckende gleiche bürgerliche
echt, die Unparteilichkeit der in entscheidenden Kreisen vorwaltenden An¬
stauungen, endlich die ungehemmte Feststellung ihres innern Organismus
Und der Schutz für dessen Bestand, gibt ihnen genügende Garantien eines
^higen Fortbestandes und einer ungetrübten Entwicklung." -- Was die Na-
^mag den fünf Millionen Protestanten in Oestreich damals erklärte, verpflichtet
'^e auch für die Gegenwart noch, und es ist Zeit, daß man endlich seinen
Zusagen nachkomme.




Seite des Lebens hat nun einmal für den Deutschen eine so große Bedeu¬
tung, daß wo ihr nicht eine freie, uneingeschränkte Entfaltung gegönnt ist,
deutsche Gemüth sich nicht befriedigt, sondern gradezu abgestoßen fühlt. —
^euch Oestreich, das im letzten Decennium so bedeutende Schöpfungen ins
Leben rief, wie kaum in einer andern Periode seiner tausendjährigen Geschichte
und die größten Hemmnisse seiner innern Erstarrung und seiner äußern Macht¬
entfaltung aus dem Wege räumte; jenes Oestreich, das die Zwischenzolllinien
beseitigte, das gleiche Privat- und Verwaltungsrecht in allen Marken seines
Zeiten Gebietes einführte, vollkommene Rechtssicherheit herstellte, den Feudal-
basten ein Ende machte, den Bodcncredit festigte, mit der Durchführung eines
einheitlichen Münzsystems auch die Baarzahlungen der Bank wieder möglich
'Nachte; jenes Oestreich, welches ein weitverzweigtes Eisenbahnsystem feststellte,
Zum Theil schon durchführte und bereits die mannigfaltigsten Bedingungen
Materieller Prosperität ins Leben rief, wird auch die Mittel in Händen haben
(auch den Willen? d. Red.), das bedeutendste Hinderniß einer massenhaften,
materiellen Aufschwung der östlichen Kronländer fördernden Einwanderung
aus dem Wege zu räumen, d. i. die factisch zwischen seinen katholischen und
^inen evangelischen Unterthanen bestehenden Rechtsunterschiede zu beseitigen,
und dem preußischen Banner, das ein edler deutscher Prinz in der jüngsten
5>eit so hoch geschwungen, auf dem Gebiet der geizigen und religiösen Inter¬
essen Deutschlands eine ehrenwerthe Concurrenz zu machen. Nachdem das
östreichische Concordat im Jahre 1855 erschienen war, erklärte und versicherte
^e „Wiener Zeitung", das officielle Organ der Regierung, in ihrer 261. Num¬
mer den östreichischen Protestanten beruhigend: „In dieser rückhaltsloser An¬
erkennung der Rechte der katholischen Kirche liegt übrigens für alle andern
Religiösen Genossenschaften des Kaiserstaates eine sichere Gewähr der ihrigen,
^as Rechtsgefühl, das hier vorwaltete, wird auch der Maßstab bei Regelung
Hrer Verhältnisse sein und sie, welche mit anerkannten gesetzlichen Bestände
erprobt in Treue und Anhänglichkeit an das Allerhöchste Kaiserhaus den Schutz
es Gesetzes und den Schirm einer unparteiischen, väterlich-weisen Negierung
eanspruchen, werden in ihren Erwartungen sich nicht getäuscht finden. Die
Weichheit vor dem Gesetz, das über alle sich erstreckende gleiche bürgerliche
echt, die Unparteilichkeit der in entscheidenden Kreisen vorwaltenden An¬
stauungen, endlich die ungehemmte Feststellung ihres innern Organismus
Und der Schutz für dessen Bestand, gibt ihnen genügende Garantien eines
^higen Fortbestandes und einer ungetrübten Entwicklung." — Was die Na-
^mag den fünf Millionen Protestanten in Oestreich damals erklärte, verpflichtet
'^e auch für die Gegenwart noch, und es ist Zeit, daß man endlich seinen
Zusagen nachkomme.




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[0279] Seite des Lebens hat nun einmal für den Deutschen eine so große Bedeu¬ tung, daß wo ihr nicht eine freie, uneingeschränkte Entfaltung gegönnt ist, deutsche Gemüth sich nicht befriedigt, sondern gradezu abgestoßen fühlt. — ^euch Oestreich, das im letzten Decennium so bedeutende Schöpfungen ins Leben rief, wie kaum in einer andern Periode seiner tausendjährigen Geschichte und die größten Hemmnisse seiner innern Erstarrung und seiner äußern Macht¬ entfaltung aus dem Wege räumte; jenes Oestreich, das die Zwischenzolllinien beseitigte, das gleiche Privat- und Verwaltungsrecht in allen Marken seines Zeiten Gebietes einführte, vollkommene Rechtssicherheit herstellte, den Feudal- basten ein Ende machte, den Bodcncredit festigte, mit der Durchführung eines einheitlichen Münzsystems auch die Baarzahlungen der Bank wieder möglich 'Nachte; jenes Oestreich, welches ein weitverzweigtes Eisenbahnsystem feststellte, Zum Theil schon durchführte und bereits die mannigfaltigsten Bedingungen Materieller Prosperität ins Leben rief, wird auch die Mittel in Händen haben (auch den Willen? d. Red.), das bedeutendste Hinderniß einer massenhaften, materiellen Aufschwung der östlichen Kronländer fördernden Einwanderung aus dem Wege zu räumen, d. i. die factisch zwischen seinen katholischen und ^inen evangelischen Unterthanen bestehenden Rechtsunterschiede zu beseitigen, und dem preußischen Banner, das ein edler deutscher Prinz in der jüngsten 5>eit so hoch geschwungen, auf dem Gebiet der geizigen und religiösen Inter¬ essen Deutschlands eine ehrenwerthe Concurrenz zu machen. Nachdem das östreichische Concordat im Jahre 1855 erschienen war, erklärte und versicherte ^e „Wiener Zeitung", das officielle Organ der Regierung, in ihrer 261. Num¬ mer den östreichischen Protestanten beruhigend: „In dieser rückhaltsloser An¬ erkennung der Rechte der katholischen Kirche liegt übrigens für alle andern Religiösen Genossenschaften des Kaiserstaates eine sichere Gewähr der ihrigen, ^as Rechtsgefühl, das hier vorwaltete, wird auch der Maßstab bei Regelung Hrer Verhältnisse sein und sie, welche mit anerkannten gesetzlichen Bestände erprobt in Treue und Anhänglichkeit an das Allerhöchste Kaiserhaus den Schutz es Gesetzes und den Schirm einer unparteiischen, väterlich-weisen Negierung eanspruchen, werden in ihren Erwartungen sich nicht getäuscht finden. Die Weichheit vor dem Gesetz, das über alle sich erstreckende gleiche bürgerliche echt, die Unparteilichkeit der in entscheidenden Kreisen vorwaltenden An¬ stauungen, endlich die ungehemmte Feststellung ihres innern Organismus Und der Schutz für dessen Bestand, gibt ihnen genügende Garantien eines ^higen Fortbestandes und einer ungetrübten Entwicklung." — Was die Na- ^mag den fünf Millionen Protestanten in Oestreich damals erklärte, verpflichtet '^e auch für die Gegenwart noch, und es ist Zeit, daß man endlich seinen Zusagen nachkomme.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/279>, abgerufen am 24.07.2024.