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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Vereinsactc schon kannte, während die denuncirte Vereinigung der bürgerlichen
Gutsbesitzer durchaus keine Verbindung, sondern nur ein durch Besprechung
ihrer Interessen hervorgerufenes, vorübergehendes, cimnüthigcs Streben und
Handeln war! Das gab natürlich zu manchen Protesten und Neprotesten An¬
laß, wobei sich die gesammte Landschaft den bürgerlichen Gutsbesitzern an¬
schloß und erklärte, das Directorium habe seine Befugnis; überschritten. Es
erfolgte aber doch unterm 5. Dec. ein landesherrliches Rescript. welches jene
aufforderte, sich über die denuncirte angebliche Verbindung zu erklären, da¬
gegen bald darauf am 8. Dec. ein weiteres Rescript producirt wurde, welches
eine Vervollständigung" des Verzeichnisses der Eingebornen und Necipirten f^'
derte, imMeiw also abermals die Corporation des Adels anerkannte (wenige
Tage nach der Denunciation eines thatsächlich gar nicht einmal bestehenden
Vereines der Bürgerlichen und während landesgrundgesetzlich alle Landstände
gleichberechtigt sind!). Aber der Adel schlug auch noch dem alten Herkommen
eine Wunde, indem am 9. Dec. von drei adligen Gutsbesitzern ein Antrag
zur Beschlußnahme für den nächsten Landtag (1845) intimirt wurde, welche"'
eine Erleichterung der Reception bezweckte. Es wurde nämlich vorgeschlagen
und demnächst angenommen, daß -- ohne grade den frühern Modus (hundert¬
jährige Ansässigkeit u. s. w.) umzustoßen -- 1) "eine fünfzigjährige ununter¬
brochene Ansässigkeit mit einem und demselben Gute den Anspruch auf Agn^
lion Hinsort begründen solle; 2) der Besitz eines von einem verstorbenen
Vorgänger zu dauerhaftem Fideicommiß errichteten Gutes Anspruch auf Agn>'
lion begründe, auch, wenn das Gut noch nicht 50 Jahre in der Familie ge'
Wesen sein sollte; 3) daß bei der Neception das Erforderniß der Unter-
schrcibung der Vereinsacte vom 3. Dec. 1795 sür die Zukunft aufgehoben
werde" (womit aber nicht gesagt ist, daß jene Acte nicht mehr bindend sei"
soll, und noch weniger ein Verzicht aus die Corporationseigenschaft ausgesprochen
ist); 4) daß von jeder Agnition und Neception Anzeige an die Landesherrn
gemacht werden solle.")"



fache Vorrechte beansprucht, z. B, die Entscheidung, ob ein Antrag vorgelegt werden solle oder
nicht, über die Aufnahme ins Protokoll, das Recht einen Landtagsbeschluß zu sanctionire"
resp, umzustoßen u. a. in.
Auch diese Aenderungen sind noch nicht die leizrcn. welche das "alte Herkommen" ^
litten hat. Heute kann jeder adlige GutsbesHer. dessen Vorfahren nachweisbar wenigstens
100 Jahren im Lande angesessen waren, die Agnition verlangen und diese darf nicht versag
werden (aguoscirter Adel). Ueber die Billigkeit der Nachweise entscheiden der alte und scho" "ü'
noscirte Adel allein. -- Adlige, welche 50 Jahre angesessen gewesen sind (aber auch jungem
können um Neception nachsuchen. Hierüber entscheidet der ganze Adel gemeinschaftlich rw
kann das Gesuch event, abgelehnt werden. Die Erlegnisse betragen 1000 Thlr., doch g'l't ^
und gab von jeher auch eine selten geübte Reception in-ciptoi,- dene moi'itlr, welche natüru
kostenfrei geschah. -- Der Unterschied zwischen Agnition und Neception ergibt sich hieraus zu¬
gleich mit. --

Vereinsactc schon kannte, während die denuncirte Vereinigung der bürgerlichen
Gutsbesitzer durchaus keine Verbindung, sondern nur ein durch Besprechung
ihrer Interessen hervorgerufenes, vorübergehendes, cimnüthigcs Streben und
Handeln war! Das gab natürlich zu manchen Protesten und Neprotesten An¬
laß, wobei sich die gesammte Landschaft den bürgerlichen Gutsbesitzern an¬
schloß und erklärte, das Directorium habe seine Befugnis; überschritten. Es
erfolgte aber doch unterm 5. Dec. ein landesherrliches Rescript. welches jene
aufforderte, sich über die denuncirte angebliche Verbindung zu erklären, da¬
gegen bald darauf am 8. Dec. ein weiteres Rescript producirt wurde, welches
eine Vervollständigung" des Verzeichnisses der Eingebornen und Necipirten f^'
derte, imMeiw also abermals die Corporation des Adels anerkannte (wenige
Tage nach der Denunciation eines thatsächlich gar nicht einmal bestehenden
Vereines der Bürgerlichen und während landesgrundgesetzlich alle Landstände
gleichberechtigt sind!). Aber der Adel schlug auch noch dem alten Herkommen
eine Wunde, indem am 9. Dec. von drei adligen Gutsbesitzern ein Antrag
zur Beschlußnahme für den nächsten Landtag (1845) intimirt wurde, welche»'
eine Erleichterung der Reception bezweckte. Es wurde nämlich vorgeschlagen
und demnächst angenommen, daß — ohne grade den frühern Modus (hundert¬
jährige Ansässigkeit u. s. w.) umzustoßen — 1) „eine fünfzigjährige ununter¬
brochene Ansässigkeit mit einem und demselben Gute den Anspruch auf Agn^
lion Hinsort begründen solle; 2) der Besitz eines von einem verstorbenen
Vorgänger zu dauerhaftem Fideicommiß errichteten Gutes Anspruch auf Agn>'
lion begründe, auch, wenn das Gut noch nicht 50 Jahre in der Familie ge'
Wesen sein sollte; 3) daß bei der Neception das Erforderniß der Unter-
schrcibung der Vereinsacte vom 3. Dec. 1795 sür die Zukunft aufgehoben
werde" (womit aber nicht gesagt ist, daß jene Acte nicht mehr bindend sei"
soll, und noch weniger ein Verzicht aus die Corporationseigenschaft ausgesprochen
ist); 4) daß von jeder Agnition und Neception Anzeige an die Landesherrn
gemacht werden solle.")"



fache Vorrechte beansprucht, z. B, die Entscheidung, ob ein Antrag vorgelegt werden solle oder
nicht, über die Aufnahme ins Protokoll, das Recht einen Landtagsbeschluß zu sanctionire»
resp, umzustoßen u. a. in.
Auch diese Aenderungen sind noch nicht die leizrcn. welche das „alte Herkommen" ^
litten hat. Heute kann jeder adlige GutsbesHer. dessen Vorfahren nachweisbar wenigstens
100 Jahren im Lande angesessen waren, die Agnition verlangen und diese darf nicht versag
werden (aguoscirter Adel). Ueber die Billigkeit der Nachweise entscheiden der alte und scho» "ü'
noscirte Adel allein. — Adlige, welche 50 Jahre angesessen gewesen sind (aber auch jungem
können um Neception nachsuchen. Hierüber entscheidet der ganze Adel gemeinschaftlich rw
kann das Gesuch event, abgelehnt werden. Die Erlegnisse betragen 1000 Thlr., doch g'l't ^
und gab von jeher auch eine selten geübte Reception in-ciptoi,- dene moi'itlr, welche natüru
kostenfrei geschah. — Der Unterschied zwischen Agnition und Neception ergibt sich hieraus zu¬
gleich mit. —
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/262>, abgerufen am 24.07.2024.