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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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ßem Segen und erhielt nicht nur den Gesammtbestand des Landes, sondern
auch später (1701), als sich Schwerin und Strelitz trennten, deren noch be¬
stehende Gemeinschaft in Verfassungsangelegenheiten. Die nächste Folge der
erneuerten Union zeigte sich darin, daß der Herzog -- freilich erst aus eine
Beschwerde der Stunde beim Reichshofrathe -- deren Gerechtsame (1662) an¬
erkannte, und nun zeigten sich auch diese durch Bezahlung seiner sämmtlichen
Schulden dankbar. Freilich übernahmen sie damit keine Verpflichtung des
Beitrages zu den Staatskosten, so daß die eben beseitigten Streitigkeiten
gleich wieder beginnen mußten. Diese aber gereichten ihnen zum Vortheil-
sie erkannten und befestigten ihre Machtstellung mehr und mehr, vorzüglich
dadurch, daß sie sich bei jedem Zwiste an den Reichshofrath wandten, von
welchem sie -- im Besitz größerer Mittel als die Fürsten -- ihre Zwecke
leicht erreichten. Blieb aber der ständische Beitrag zu den Staatskosten ein
freiwilliger, der ohne Kampf nie geleistet wurde, so mußte hieraus ein Bruch
früher oder später nothwendig entstehen. Der Herzog Friedrich Wilhelm er¬
hielt die Sachen noch einigermaßen in der Schwebe; unter seinem Bruder und
Nachfolger Karl Leopold aber trat jener Bruch ein, welcher, da man von
beiden Seiten an ein Nachgeben nicht dachte, und der Herzog höchst roi^
kürlich und eigenmächtig verfuhr, im Jahre 1732 mit dessen Absetzung
und der Einsetzung seines Bruders Christian Ludwig (zunächst als kaiser'
licher Commissarius) endigte. Dieser Fürst war unter den obwaltenden Um¬
ständen ein wahres Glück für das Land, da er große Willensfestigkeit und
hinreichende Klugheit besaß. Er stand in der kaiserlichen Gunst und operirt^
so weise, daß im Jahre 1755 zwischen ihm und den Ständen der sogenannte
landesgrundgesetzliche Erbvergleich zu Stande kam, welcher noch heute
Staatsgrundgesetz Mecklenburgs ist. Der Herzog gab zwar in demselben de"
Ständen in manchen wesentlichen Punkten nach; wer das aber tadeln
der bedenke, welche Lehren ihm Karl Leopolds Schicksal hatte geben müsste
und berücksichtige, daß dieser Erbvergleich lange Zeit hindurch dem La"^
zum großen Segen gereicht hat.

So bildete und festigte sich die Macht der Stände, oder -- was h'^
gleichbedeutend ist -- des Adels in Mecklenburg. Mit dem Anfange des 18. I"^
Hunderts trat aber ein neues Element ins Staatsleben, welches in Schrei
Folge anwachsen und sich dem Bestehenden in mancher Hinsicht feindlich ^
Seite stellen sollte, wir meinen die bürgerlichen Gutsbesitzer, deren es 1^
schon 30 gegen 680 adlige gab. Man muß es als einen Beweis von ^
Staatsklugen Voraussicht des Adels erkennen, daß ihm schon jetzt die Mögt^
keit einer Gefahr von dieser Seite vorgeschwebt zu haben scheint. Wir sah^
ßer das nämlich daraus, daß schon auf dem Landtage des Jahres 1706
Antrag gestellt wurde, "es solle niemand zu den Landtagen zugelassen werd^'


ßem Segen und erhielt nicht nur den Gesammtbestand des Landes, sondern
auch später (1701), als sich Schwerin und Strelitz trennten, deren noch be¬
stehende Gemeinschaft in Verfassungsangelegenheiten. Die nächste Folge der
erneuerten Union zeigte sich darin, daß der Herzog — freilich erst aus eine
Beschwerde der Stunde beim Reichshofrathe — deren Gerechtsame (1662) an¬
erkannte, und nun zeigten sich auch diese durch Bezahlung seiner sämmtlichen
Schulden dankbar. Freilich übernahmen sie damit keine Verpflichtung des
Beitrages zu den Staatskosten, so daß die eben beseitigten Streitigkeiten
gleich wieder beginnen mußten. Diese aber gereichten ihnen zum Vortheil-
sie erkannten und befestigten ihre Machtstellung mehr und mehr, vorzüglich
dadurch, daß sie sich bei jedem Zwiste an den Reichshofrath wandten, von
welchem sie — im Besitz größerer Mittel als die Fürsten — ihre Zwecke
leicht erreichten. Blieb aber der ständische Beitrag zu den Staatskosten ein
freiwilliger, der ohne Kampf nie geleistet wurde, so mußte hieraus ein Bruch
früher oder später nothwendig entstehen. Der Herzog Friedrich Wilhelm er¬
hielt die Sachen noch einigermaßen in der Schwebe; unter seinem Bruder und
Nachfolger Karl Leopold aber trat jener Bruch ein, welcher, da man von
beiden Seiten an ein Nachgeben nicht dachte, und der Herzog höchst roi^
kürlich und eigenmächtig verfuhr, im Jahre 1732 mit dessen Absetzung
und der Einsetzung seines Bruders Christian Ludwig (zunächst als kaiser'
licher Commissarius) endigte. Dieser Fürst war unter den obwaltenden Um¬
ständen ein wahres Glück für das Land, da er große Willensfestigkeit und
hinreichende Klugheit besaß. Er stand in der kaiserlichen Gunst und operirt^
so weise, daß im Jahre 1755 zwischen ihm und den Ständen der sogenannte
landesgrundgesetzliche Erbvergleich zu Stande kam, welcher noch heute
Staatsgrundgesetz Mecklenburgs ist. Der Herzog gab zwar in demselben de"
Ständen in manchen wesentlichen Punkten nach; wer das aber tadeln
der bedenke, welche Lehren ihm Karl Leopolds Schicksal hatte geben müsste
und berücksichtige, daß dieser Erbvergleich lange Zeit hindurch dem La"^
zum großen Segen gereicht hat.

So bildete und festigte sich die Macht der Stände, oder — was h'^
gleichbedeutend ist — des Adels in Mecklenburg. Mit dem Anfange des 18. I"^
Hunderts trat aber ein neues Element ins Staatsleben, welches in Schrei
Folge anwachsen und sich dem Bestehenden in mancher Hinsicht feindlich ^
Seite stellen sollte, wir meinen die bürgerlichen Gutsbesitzer, deren es 1^
schon 30 gegen 680 adlige gab. Man muß es als einen Beweis von ^
Staatsklugen Voraussicht des Adels erkennen, daß ihm schon jetzt die Mögt^
keit einer Gefahr von dieser Seite vorgeschwebt zu haben scheint. Wir sah^
ßer das nämlich daraus, daß schon auf dem Landtage des Jahres 1706
Antrag gestellt wurde, „es solle niemand zu den Landtagen zugelassen werd^'


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[0254] ßem Segen und erhielt nicht nur den Gesammtbestand des Landes, sondern auch später (1701), als sich Schwerin und Strelitz trennten, deren noch be¬ stehende Gemeinschaft in Verfassungsangelegenheiten. Die nächste Folge der erneuerten Union zeigte sich darin, daß der Herzog — freilich erst aus eine Beschwerde der Stunde beim Reichshofrathe — deren Gerechtsame (1662) an¬ erkannte, und nun zeigten sich auch diese durch Bezahlung seiner sämmtlichen Schulden dankbar. Freilich übernahmen sie damit keine Verpflichtung des Beitrages zu den Staatskosten, so daß die eben beseitigten Streitigkeiten gleich wieder beginnen mußten. Diese aber gereichten ihnen zum Vortheil- sie erkannten und befestigten ihre Machtstellung mehr und mehr, vorzüglich dadurch, daß sie sich bei jedem Zwiste an den Reichshofrath wandten, von welchem sie — im Besitz größerer Mittel als die Fürsten — ihre Zwecke leicht erreichten. Blieb aber der ständische Beitrag zu den Staatskosten ein freiwilliger, der ohne Kampf nie geleistet wurde, so mußte hieraus ein Bruch früher oder später nothwendig entstehen. Der Herzog Friedrich Wilhelm er¬ hielt die Sachen noch einigermaßen in der Schwebe; unter seinem Bruder und Nachfolger Karl Leopold aber trat jener Bruch ein, welcher, da man von beiden Seiten an ein Nachgeben nicht dachte, und der Herzog höchst roi^ kürlich und eigenmächtig verfuhr, im Jahre 1732 mit dessen Absetzung und der Einsetzung seines Bruders Christian Ludwig (zunächst als kaiser' licher Commissarius) endigte. Dieser Fürst war unter den obwaltenden Um¬ ständen ein wahres Glück für das Land, da er große Willensfestigkeit und hinreichende Klugheit besaß. Er stand in der kaiserlichen Gunst und operirt^ so weise, daß im Jahre 1755 zwischen ihm und den Ständen der sogenannte landesgrundgesetzliche Erbvergleich zu Stande kam, welcher noch heute Staatsgrundgesetz Mecklenburgs ist. Der Herzog gab zwar in demselben de" Ständen in manchen wesentlichen Punkten nach; wer das aber tadeln der bedenke, welche Lehren ihm Karl Leopolds Schicksal hatte geben müsste und berücksichtige, daß dieser Erbvergleich lange Zeit hindurch dem La"^ zum großen Segen gereicht hat. So bildete und festigte sich die Macht der Stände, oder — was h'^ gleichbedeutend ist — des Adels in Mecklenburg. Mit dem Anfange des 18. I"^ Hunderts trat aber ein neues Element ins Staatsleben, welches in Schrei Folge anwachsen und sich dem Bestehenden in mancher Hinsicht feindlich ^ Seite stellen sollte, wir meinen die bürgerlichen Gutsbesitzer, deren es 1^ schon 30 gegen 680 adlige gab. Man muß es als einen Beweis von ^ Staatsklugen Voraussicht des Adels erkennen, daß ihm schon jetzt die Mögt^ keit einer Gefahr von dieser Seite vorgeschwebt zu haben scheint. Wir sah^ ßer das nämlich daraus, daß schon auf dem Landtage des Jahres 1706 Antrag gestellt wurde, „es solle niemand zu den Landtagen zugelassen werd^'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/254>, abgerufen am 24.07.2024.