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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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über nothwendige Gegenstände, welche beide Fürsten (die Herzöge von Meck¬
lenburg-Schwerin und Güstrow) und deren Regierung, Land und Leute be¬
trafen, einmüthig zu berathschlagen.*) -- Als aber infolge der Reformation
unruhige Bewegungen in den deutschen Ländern entstanden ("weil sich nu"
zur Zeit im heiligen Reiche viel Aufruhr und Beschwerungen begaben, und
künftig täglich mehr zu besorgen")""), fürchteten die Landstände, daß dieselben
sich auch nach Mecklenburg hin ausbreiten mochten; sie traten deshalb -
wahrscheinlich auf besonderen Betrieb der Prälaten -- zusammen und grün¬
deten in Anerkennung des kürzlich aus dem Reichstage zu Worms (1521) be¬
stätigten Landfriedens vom Kaiser Maximilian (v. I. 1495) eine unter dew
Namen der Union für Mecklenburg höchst wichtig gewordene Verbindung. Es
lag im Geiste der damaligen Zeit, daß diese Verbindung nur den persönlichen
Schutz zum Zweck hatte (öffentliche und Staatsrücksichten kannte man damals
noch nicht) und daß der ausdrückliche Zweck dahin ging, "jedem, der sich über
Verletzung seiner Rechte beklagen würde, gemeinsame Hilfe zu Theil werden
zu lassen." Zur Erleichterung dieses Zweckes wurde ein beständiger Ausschuß
von 23 Personen (drei Prälaten, zwölf Lehnmünnern und acht Stadtdeputü"
ten) erwühlt, welcher in wichtigen Fällen sofort die ganze Ritterschaft zusammen¬
zurufen befugt und verpflichtet war. Hierin sehen wir die erste Gestaltung
der Landtagsverhültnisse nach der Weise, wie sie noch heute bestehen; aus
dem gedachten Ausschusse entstand später der aus neun Personen bestehende
"Engere Ausschuß".

Der Prälatenstand trat infolge der Reformation bald aus, er wurde se'i
dem Jahre 1552 nicht mehr zu den Landtagen gerufen. Es bildeten
Lehnsmänner und Vertreter der Städte allein die Ritterschaft und die Union-
Als aber Mecklenburg in den Zeiten des dreißigjährigen Krieges namenlos
litt, als die Herzöge sich immer von neuem genöthigt sahen, zur Entrichtung
der Kriegslasten und ihrer persönlichen Schulden die Hilfe der Landstände
Anspruch zu nehmen, da gewöhnten sich diese -- besonders der für seine HU'
fen rechtlich immune Grundadel -- an den Widerstand gegen die fürstlich"'
Forderungen, und beständige Streitigkeiten waren die Folge. Der adlige Land'
stand wurde dabei offenbar von der Absicht geleitet, die principiell freiwillige"
Beitrüge, welche er hier und da bewilligt hatte, nicht zu nothwendigen werde"
zu lassen, zu welchen er verpflichtet sei, und war insofern -- angesehen
Zeit -- in seinem guten Rechte. Indessen haben jene langwierigen Geld¬
verhandlungen und Streitigkeiten dem Lande doch großen Nachtheil gebracht'
Es war schlimm, daß die Stunde sich durch sie an eine systematische Wibel'




") Neubrandenburger Vertrag. Art. v. Franz, Altes und Neues Mecklenburg. IX., S, ^'
"
) Wahrhafftige Erzählung! dessen, was seit angetretener Landesregierung des H^"
Herzogs Christian Ludewig ze, sich zugetragen. Beil. S. 123 enthält die Unionsurkundc,

über nothwendige Gegenstände, welche beide Fürsten (die Herzöge von Meck¬
lenburg-Schwerin und Güstrow) und deren Regierung, Land und Leute be¬
trafen, einmüthig zu berathschlagen.*) — Als aber infolge der Reformation
unruhige Bewegungen in den deutschen Ländern entstanden („weil sich nu»
zur Zeit im heiligen Reiche viel Aufruhr und Beschwerungen begaben, und
künftig täglich mehr zu besorgen")""), fürchteten die Landstände, daß dieselben
sich auch nach Mecklenburg hin ausbreiten mochten; sie traten deshalb -
wahrscheinlich auf besonderen Betrieb der Prälaten — zusammen und grün¬
deten in Anerkennung des kürzlich aus dem Reichstage zu Worms (1521) be¬
stätigten Landfriedens vom Kaiser Maximilian (v. I. 1495) eine unter dew
Namen der Union für Mecklenburg höchst wichtig gewordene Verbindung. Es
lag im Geiste der damaligen Zeit, daß diese Verbindung nur den persönlichen
Schutz zum Zweck hatte (öffentliche und Staatsrücksichten kannte man damals
noch nicht) und daß der ausdrückliche Zweck dahin ging, „jedem, der sich über
Verletzung seiner Rechte beklagen würde, gemeinsame Hilfe zu Theil werden
zu lassen." Zur Erleichterung dieses Zweckes wurde ein beständiger Ausschuß
von 23 Personen (drei Prälaten, zwölf Lehnmünnern und acht Stadtdeputü"
ten) erwühlt, welcher in wichtigen Fällen sofort die ganze Ritterschaft zusammen¬
zurufen befugt und verpflichtet war. Hierin sehen wir die erste Gestaltung
der Landtagsverhültnisse nach der Weise, wie sie noch heute bestehen; aus
dem gedachten Ausschusse entstand später der aus neun Personen bestehende
„Engere Ausschuß".

Der Prälatenstand trat infolge der Reformation bald aus, er wurde se'i
dem Jahre 1552 nicht mehr zu den Landtagen gerufen. Es bildeten
Lehnsmänner und Vertreter der Städte allein die Ritterschaft und die Union-
Als aber Mecklenburg in den Zeiten des dreißigjährigen Krieges namenlos
litt, als die Herzöge sich immer von neuem genöthigt sahen, zur Entrichtung
der Kriegslasten und ihrer persönlichen Schulden die Hilfe der Landstände
Anspruch zu nehmen, da gewöhnten sich diese — besonders der für seine HU'
fen rechtlich immune Grundadel — an den Widerstand gegen die fürstlich"'
Forderungen, und beständige Streitigkeiten waren die Folge. Der adlige Land'
stand wurde dabei offenbar von der Absicht geleitet, die principiell freiwillige"
Beitrüge, welche er hier und da bewilligt hatte, nicht zu nothwendigen werde"
zu lassen, zu welchen er verpflichtet sei, und war insofern — angesehen
Zeit — in seinem guten Rechte. Indessen haben jene langwierigen Geld¬
verhandlungen und Streitigkeiten dem Lande doch großen Nachtheil gebracht'
Es war schlimm, daß die Stunde sich durch sie an eine systematische Wibel'




") Neubrandenburger Vertrag. Art. v. Franz, Altes und Neues Mecklenburg. IX., S, ^'
"
) Wahrhafftige Erzählung! dessen, was seit angetretener Landesregierung des H^"
Herzogs Christian Ludewig ze, sich zugetragen. Beil. S. 123 enthält die Unionsurkundc,
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[0252] über nothwendige Gegenstände, welche beide Fürsten (die Herzöge von Meck¬ lenburg-Schwerin und Güstrow) und deren Regierung, Land und Leute be¬ trafen, einmüthig zu berathschlagen.*) — Als aber infolge der Reformation unruhige Bewegungen in den deutschen Ländern entstanden („weil sich nu» zur Zeit im heiligen Reiche viel Aufruhr und Beschwerungen begaben, und künftig täglich mehr zu besorgen")""), fürchteten die Landstände, daß dieselben sich auch nach Mecklenburg hin ausbreiten mochten; sie traten deshalb - wahrscheinlich auf besonderen Betrieb der Prälaten — zusammen und grün¬ deten in Anerkennung des kürzlich aus dem Reichstage zu Worms (1521) be¬ stätigten Landfriedens vom Kaiser Maximilian (v. I. 1495) eine unter dew Namen der Union für Mecklenburg höchst wichtig gewordene Verbindung. Es lag im Geiste der damaligen Zeit, daß diese Verbindung nur den persönlichen Schutz zum Zweck hatte (öffentliche und Staatsrücksichten kannte man damals noch nicht) und daß der ausdrückliche Zweck dahin ging, „jedem, der sich über Verletzung seiner Rechte beklagen würde, gemeinsame Hilfe zu Theil werden zu lassen." Zur Erleichterung dieses Zweckes wurde ein beständiger Ausschuß von 23 Personen (drei Prälaten, zwölf Lehnmünnern und acht Stadtdeputü" ten) erwühlt, welcher in wichtigen Fällen sofort die ganze Ritterschaft zusammen¬ zurufen befugt und verpflichtet war. Hierin sehen wir die erste Gestaltung der Landtagsverhültnisse nach der Weise, wie sie noch heute bestehen; aus dem gedachten Ausschusse entstand später der aus neun Personen bestehende „Engere Ausschuß". Der Prälatenstand trat infolge der Reformation bald aus, er wurde se'i dem Jahre 1552 nicht mehr zu den Landtagen gerufen. Es bildeten Lehnsmänner und Vertreter der Städte allein die Ritterschaft und die Union- Als aber Mecklenburg in den Zeiten des dreißigjährigen Krieges namenlos litt, als die Herzöge sich immer von neuem genöthigt sahen, zur Entrichtung der Kriegslasten und ihrer persönlichen Schulden die Hilfe der Landstände Anspruch zu nehmen, da gewöhnten sich diese — besonders der für seine HU' fen rechtlich immune Grundadel — an den Widerstand gegen die fürstlich"' Forderungen, und beständige Streitigkeiten waren die Folge. Der adlige Land' stand wurde dabei offenbar von der Absicht geleitet, die principiell freiwillige" Beitrüge, welche er hier und da bewilligt hatte, nicht zu nothwendigen werde" zu lassen, zu welchen er verpflichtet sei, und war insofern — angesehen Zeit — in seinem guten Rechte. Indessen haben jene langwierigen Geld¬ verhandlungen und Streitigkeiten dem Lande doch großen Nachtheil gebracht' Es war schlimm, daß die Stunde sich durch sie an eine systematische Wibel' ") Neubrandenburger Vertrag. Art. v. Franz, Altes und Neues Mecklenburg. IX., S, ^' " ) Wahrhafftige Erzählung! dessen, was seit angetretener Landesregierung des H^" Herzogs Christian Ludewig ze, sich zugetragen. Beil. S. 123 enthält die Unionsurkundc,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/252>, abgerufen am 24.07.2024.