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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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mehr als Scott von seinen unmittelbaren Vorgängern abhängig. So erinnert
z. B. Rienzi sehr stark an Mcmzonis Verlobte, und durchaus nicht zum Vor¬
theil des britischen Nachahmers. Außer diesen Romanen hat Bulwer auch
eine Culturgeschichte Athens geschrieben 1837, und den alten König Arthur
in einem sehr langweiligen Heldengedicht bearbeitet 1848.

In seinem wahren poetischen Gebiet war er wieder im Maltravers
angelangt 1837 -- 38. Der leichtfertige Pelham ist jetzt durch ein anderes
Ideal erhebt/ Maltravers, Parlamentsmitglied und berühmter Schriftsteller,
hat alle Philosophien durchstudirt und hegt für das Menschengeschlecht im All¬
gemeinen eine ausgezeichnete Vorliebe, während er allen bestimmten Mensche"
mit dem ganzen Stolz und der Unnahbarkeit einer in ihren heiligsten Em¬
pfindungen mißverstandenen Seele entgegentritt. Zwar wird er zuletzt bekehrt/
aber von dem Zustand nach seiner Bekehrung erfahren wir wenig; seil"!
ideale Schilderung fällt in die Periode seines Hochmuths. In der äußern Er¬
scheinung hätten wir wieder unsern Guy Mannering, aber das Wohlwollen, das
bei diesem Natur ist, geht bet Maltravers aus der Reflexion hervor, und der
literarische Ruhm ersetzt, was die Farbe betrifft, die Feldzüge in Ostindien
nur sehr unvollständig. Uebrigens finden sich in diesem Roman wieder se^'
feine Züge über die gute Gesellschaft Englands, und wenn das Bild des He^
den selbst starke Lücken zeigt, so ist dagegen der raffinirte Egoist, der kalte,
herzlose Weltmann (Lord Vargrave) musterhaft geschildert, es ist ein Charakter'
typus, der bleiben wird.

Der folgende Roman: Nacht und Morgen 1841 ist im Ganzen eine
schwache Reminiscenz aus Bulwers frühern Werken. Die Falschmünzerbande
ist viel weniger amüsant als die frühern Straßenräuber, und Philipp, der si^
aus einem Lehrling derselben zu einem vollkommnen Gentleman herausarbeitet,
noch viel unwahrscheinlicher als Paul Clifford. Was sich Bulwer vollends
dabei gedacht hat, in den Kindern der Nacht eine ganze Giftmischcrbande
dem Publicum vorzuführen, ist schwer zu sagen. Der Roman fiel vollständig
durch und der Dichter, der überhaupt gegen jeden Tadel außerordentlich e"'-
pfindlich war, fand sich veranlaßt, an das Publicum ein sehr heftiges Nach'
wort zu richten.'

Bulwer hatte mittlerweile sehr ernsthafte Schicksale durchgemacht, er W^
von seiner Frau geschieden, und wenn diese auch durch die Bosheit ihre^
Romans Cleveley 1839 hinlänglich zeigt, daß es ihm an Veranlassung
nicht gefehlt hat, so bleibt doch sein späteres Verhalten gegen sie unvercn^
wörtlich. Seit dem Tod seiner Mutter 1843 im Besitz eines fürstlichen Ber"
mögens, ließ er sie doch in bittrer Noth, und sein Versuch, sie im vorige
Jahr ins Irrenhaus sperren zu lassen, obgleich sie vollständig bei Sinne''
war, gibt einen schlimmern Einblick in das, was in England möglich ist, "


mehr als Scott von seinen unmittelbaren Vorgängern abhängig. So erinnert
z. B. Rienzi sehr stark an Mcmzonis Verlobte, und durchaus nicht zum Vor¬
theil des britischen Nachahmers. Außer diesen Romanen hat Bulwer auch
eine Culturgeschichte Athens geschrieben 1837, und den alten König Arthur
in einem sehr langweiligen Heldengedicht bearbeitet 1848.

In seinem wahren poetischen Gebiet war er wieder im Maltravers
angelangt 1837 — 38. Der leichtfertige Pelham ist jetzt durch ein anderes
Ideal erhebt/ Maltravers, Parlamentsmitglied und berühmter Schriftsteller,
hat alle Philosophien durchstudirt und hegt für das Menschengeschlecht im All¬
gemeinen eine ausgezeichnete Vorliebe, während er allen bestimmten Mensche"
mit dem ganzen Stolz und der Unnahbarkeit einer in ihren heiligsten Em¬
pfindungen mißverstandenen Seele entgegentritt. Zwar wird er zuletzt bekehrt/
aber von dem Zustand nach seiner Bekehrung erfahren wir wenig; seil»!
ideale Schilderung fällt in die Periode seines Hochmuths. In der äußern Er¬
scheinung hätten wir wieder unsern Guy Mannering, aber das Wohlwollen, das
bei diesem Natur ist, geht bet Maltravers aus der Reflexion hervor, und der
literarische Ruhm ersetzt, was die Farbe betrifft, die Feldzüge in Ostindien
nur sehr unvollständig. Uebrigens finden sich in diesem Roman wieder se^'
feine Züge über die gute Gesellschaft Englands, und wenn das Bild des He^
den selbst starke Lücken zeigt, so ist dagegen der raffinirte Egoist, der kalte,
herzlose Weltmann (Lord Vargrave) musterhaft geschildert, es ist ein Charakter'
typus, der bleiben wird.

Der folgende Roman: Nacht und Morgen 1841 ist im Ganzen eine
schwache Reminiscenz aus Bulwers frühern Werken. Die Falschmünzerbande
ist viel weniger amüsant als die frühern Straßenräuber, und Philipp, der si^
aus einem Lehrling derselben zu einem vollkommnen Gentleman herausarbeitet,
noch viel unwahrscheinlicher als Paul Clifford. Was sich Bulwer vollends
dabei gedacht hat, in den Kindern der Nacht eine ganze Giftmischcrbande
dem Publicum vorzuführen, ist schwer zu sagen. Der Roman fiel vollständig
durch und der Dichter, der überhaupt gegen jeden Tadel außerordentlich e»'-
pfindlich war, fand sich veranlaßt, an das Publicum ein sehr heftiges Nach'
wort zu richten.'

Bulwer hatte mittlerweile sehr ernsthafte Schicksale durchgemacht, er W^
von seiner Frau geschieden, und wenn diese auch durch die Bosheit ihre^
Romans Cleveley 1839 hinlänglich zeigt, daß es ihm an Veranlassung
nicht gefehlt hat, so bleibt doch sein späteres Verhalten gegen sie unvercn^
wörtlich. Seit dem Tod seiner Mutter 1843 im Besitz eines fürstlichen Ber"
mögens, ließ er sie doch in bittrer Noth, und sein Versuch, sie im vorige
Jahr ins Irrenhaus sperren zu lassen, obgleich sie vollständig bei Sinne''
war, gibt einen schlimmern Einblick in das, was in England möglich ist, "


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[0218] mehr als Scott von seinen unmittelbaren Vorgängern abhängig. So erinnert z. B. Rienzi sehr stark an Mcmzonis Verlobte, und durchaus nicht zum Vor¬ theil des britischen Nachahmers. Außer diesen Romanen hat Bulwer auch eine Culturgeschichte Athens geschrieben 1837, und den alten König Arthur in einem sehr langweiligen Heldengedicht bearbeitet 1848. In seinem wahren poetischen Gebiet war er wieder im Maltravers angelangt 1837 — 38. Der leichtfertige Pelham ist jetzt durch ein anderes Ideal erhebt/ Maltravers, Parlamentsmitglied und berühmter Schriftsteller, hat alle Philosophien durchstudirt und hegt für das Menschengeschlecht im All¬ gemeinen eine ausgezeichnete Vorliebe, während er allen bestimmten Mensche" mit dem ganzen Stolz und der Unnahbarkeit einer in ihren heiligsten Em¬ pfindungen mißverstandenen Seele entgegentritt. Zwar wird er zuletzt bekehrt/ aber von dem Zustand nach seiner Bekehrung erfahren wir wenig; seil»! ideale Schilderung fällt in die Periode seines Hochmuths. In der äußern Er¬ scheinung hätten wir wieder unsern Guy Mannering, aber das Wohlwollen, das bei diesem Natur ist, geht bet Maltravers aus der Reflexion hervor, und der literarische Ruhm ersetzt, was die Farbe betrifft, die Feldzüge in Ostindien nur sehr unvollständig. Uebrigens finden sich in diesem Roman wieder se^' feine Züge über die gute Gesellschaft Englands, und wenn das Bild des He^ den selbst starke Lücken zeigt, so ist dagegen der raffinirte Egoist, der kalte, herzlose Weltmann (Lord Vargrave) musterhaft geschildert, es ist ein Charakter' typus, der bleiben wird. Der folgende Roman: Nacht und Morgen 1841 ist im Ganzen eine schwache Reminiscenz aus Bulwers frühern Werken. Die Falschmünzerbande ist viel weniger amüsant als die frühern Straßenräuber, und Philipp, der si^ aus einem Lehrling derselben zu einem vollkommnen Gentleman herausarbeitet, noch viel unwahrscheinlicher als Paul Clifford. Was sich Bulwer vollends dabei gedacht hat, in den Kindern der Nacht eine ganze Giftmischcrbande dem Publicum vorzuführen, ist schwer zu sagen. Der Roman fiel vollständig durch und der Dichter, der überhaupt gegen jeden Tadel außerordentlich e»'- pfindlich war, fand sich veranlaßt, an das Publicum ein sehr heftiges Nach' wort zu richten.' Bulwer hatte mittlerweile sehr ernsthafte Schicksale durchgemacht, er W^ von seiner Frau geschieden, und wenn diese auch durch die Bosheit ihre^ Romans Cleveley 1839 hinlänglich zeigt, daß es ihm an Veranlassung nicht gefehlt hat, so bleibt doch sein späteres Verhalten gegen sie unvercn^ wörtlich. Seit dem Tod seiner Mutter 1843 im Besitz eines fürstlichen Ber" mögens, ließ er sie doch in bittrer Noth, und sein Versuch, sie im vorige Jahr ins Irrenhaus sperren zu lassen, obgleich sie vollständig bei Sinne'' war, gibt einen schlimmern Einblick in das, was in England möglich ist, "

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/218>, abgerufen am 24.07.2024.