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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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der Philolog Braun, äußerte in Heidelberg im Wirthshaus in ihrer und ihres
Sohnes Gegenwart iheilt nach der Geschichte mit dem heiligen Rock): "Der
Kampf wird jetzt ernster als je, und es ist hohe Zeit, daß er es werde! Wir
haben den Protestanten große Concessionen gemacht, diese müssen alle auf¬
hören. Bald wird sie schlagen, die große Stunde, wo die neue Bartholo¬
mäusnacht gefeiert wird: keine pariser Bluthochzeit, keine europäische -- "
nein! die Bartholomäusnacht der Welt. Und da will ich zuschlagen, so lange
ich den Arm rühren kann. Vertilgt müssen sie werden bis auf den letzten
Mann, Gott wird seine heilige Sache schützen." "Mir schauderte, erzählt
Helmine weiter, ich war keines Wortes sähig. Ich sah auf meinen Sohn
Wilhelm hin, ich hoffte ein tröstliches Work von ihm, er schwieg mit der
ruhigsten Miene." Als sich nachher lebhafter Widerspruch erhebt, entfernen
sich die beiden Herrn schweigend, sie rächen sich dadurch, daß sie ihre starke
Weinrechnung unbezahlt lassen.

Im März 1831 hatte sie Oestreich verlassen und war ihrem Sohn nach
München gefolgt, wo sie der Hof sehr huldreich empfing. Hier traf sie ein
Mißgeschick "wie ein Donnerschlag aus heiterer Luft. Das Bubenstück war
mit der größten Schlauheit entworfen. Als ich die Grundfäden des Gewebes
durchschauen konnte, erfaßte mich ein Ekel; meine Kraft, dagegen zu kämpfe",
erlag, denn die Verfolgung gegen mich kam von einer Seite her, wo man
es nicht erwarten konnte. Man wollte mich vernichten. Was davon gelang,
konnte nur durch die schnödesten Mittel erreicht werden." "Ich ersehnte und
erstrebte mit Recht volle Genugthuung, und würde sie erlangt haben, wen"
ich gewußt hätte, wer mich verfolgte. Die wahren Urheber und Leiter des
Angriffs waren und blieben verborgen, sie standen hinter ihren Werkzeugen,
die durch eine höllische List einen höhern Schutz zu erlangen gewußt. Es ist
nicht Mangel an Muth, wenn ich schweige .... Noch immer sind dieselbe"
Hände thätig, bittere Tropfen in die Neige meines Lebensbechers zu schütte",
aber ich murre nicht."

1832 starb CH6zy an der Cholera; Helmine eilte nun nach Paris, u>"
seine Bücher und Manuscripte zu verkaufen und sich eine Pension auszuwirken!
mit was für Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatte und wie wenig sie lo
Ganzen ausrichtete, mag man im Buch selbst nachsehn. -- Daß es im Gan¬
zen eine trübe Lectüre ist, hat der Leser wol gefühlt; sie legt uns zugleich
Frage nahe: worin wol das Vorurtheil gegen Schriftstellerinnen seinen Grund
hat? -- Die Scheu vor der Concurrenz, wie man zuweilen meint, ist es
nicht; auch handelt es sich nur um ein Vorurtheil, d. h. um ein Bedenken,
das im bestimmten Fall die Erfahrung aufheben kann und öfters wirklich aus"
hebt. -- Jenes Bedenken stützt sich auf zweierlei. Einmal liegt in dem spe^
fisch "literarischen Leben" an und für sich etwas Ungesundes, Ungeordnetes;


der Philolog Braun, äußerte in Heidelberg im Wirthshaus in ihrer und ihres
Sohnes Gegenwart iheilt nach der Geschichte mit dem heiligen Rock): „Der
Kampf wird jetzt ernster als je, und es ist hohe Zeit, daß er es werde! Wir
haben den Protestanten große Concessionen gemacht, diese müssen alle auf¬
hören. Bald wird sie schlagen, die große Stunde, wo die neue Bartholo¬
mäusnacht gefeiert wird: keine pariser Bluthochzeit, keine europäische — "
nein! die Bartholomäusnacht der Welt. Und da will ich zuschlagen, so lange
ich den Arm rühren kann. Vertilgt müssen sie werden bis auf den letzten
Mann, Gott wird seine heilige Sache schützen." „Mir schauderte, erzählt
Helmine weiter, ich war keines Wortes sähig. Ich sah auf meinen Sohn
Wilhelm hin, ich hoffte ein tröstliches Work von ihm, er schwieg mit der
ruhigsten Miene." Als sich nachher lebhafter Widerspruch erhebt, entfernen
sich die beiden Herrn schweigend, sie rächen sich dadurch, daß sie ihre starke
Weinrechnung unbezahlt lassen.

Im März 1831 hatte sie Oestreich verlassen und war ihrem Sohn nach
München gefolgt, wo sie der Hof sehr huldreich empfing. Hier traf sie ein
Mißgeschick „wie ein Donnerschlag aus heiterer Luft. Das Bubenstück war
mit der größten Schlauheit entworfen. Als ich die Grundfäden des Gewebes
durchschauen konnte, erfaßte mich ein Ekel; meine Kraft, dagegen zu kämpfe»,
erlag, denn die Verfolgung gegen mich kam von einer Seite her, wo man
es nicht erwarten konnte. Man wollte mich vernichten. Was davon gelang,
konnte nur durch die schnödesten Mittel erreicht werden." „Ich ersehnte und
erstrebte mit Recht volle Genugthuung, und würde sie erlangt haben, wen»
ich gewußt hätte, wer mich verfolgte. Die wahren Urheber und Leiter des
Angriffs waren und blieben verborgen, sie standen hinter ihren Werkzeugen,
die durch eine höllische List einen höhern Schutz zu erlangen gewußt. Es ist
nicht Mangel an Muth, wenn ich schweige .... Noch immer sind dieselbe»
Hände thätig, bittere Tropfen in die Neige meines Lebensbechers zu schütte»,
aber ich murre nicht."

1832 starb CH6zy an der Cholera; Helmine eilte nun nach Paris, u>»
seine Bücher und Manuscripte zu verkaufen und sich eine Pension auszuwirken!
mit was für Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatte und wie wenig sie lo
Ganzen ausrichtete, mag man im Buch selbst nachsehn. — Daß es im Gan¬
zen eine trübe Lectüre ist, hat der Leser wol gefühlt; sie legt uns zugleich
Frage nahe: worin wol das Vorurtheil gegen Schriftstellerinnen seinen Grund
hat? — Die Scheu vor der Concurrenz, wie man zuweilen meint, ist es
nicht; auch handelt es sich nur um ein Vorurtheil, d. h. um ein Bedenken,
das im bestimmten Fall die Erfahrung aufheben kann und öfters wirklich aus"
hebt. — Jenes Bedenken stützt sich auf zweierlei. Einmal liegt in dem spe^
fisch „literarischen Leben" an und für sich etwas Ungesundes, Ungeordnetes;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/184>, abgerufen am 24.07.2024.