Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.unternommen wird, wo möglich, wenn Oestreich -- etwa wie 1848 und 1849 Die gegenwärtige Lage bietet einen solchen günstigen Fall nicht. Oest¬ unternommen wird, wo möglich, wenn Oestreich — etwa wie 1848 und 1849 Die gegenwärtige Lage bietet einen solchen günstigen Fall nicht. Oest¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187101"/> <p xml:id="ID_445" prev="#ID_444"> unternommen wird, wo möglich, wenn Oestreich — etwa wie 1848 und 1849<lb/> — auch anderwärts beschäftigt und nicht alle seine Kräfte zur Behauptung<lb/> Italiens aufzubieten in der Lage ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_446" next="#ID_447"> Die gegenwärtige Lage bietet einen solchen günstigen Fall nicht. Oest¬<lb/> reich ist aus einen Krieg, den die Organe Cavours täglich predigen und zu<lb/> dem das turiner Cabinet sich möglicherweise verleiten lassen könnte, gefaßt-<lb/> Die in Italien stehende Armee ist zwar nicht auf dem Kriegsfuß, aber der<lb/> Art mobil organisirt, daß sie jeden Augenblick in Bewegung gesetzt werden<lb/> kann (Beweis der eben erfolgte, in wenigen Tagen bewirkte Einmarsch eines<lb/> Armeecorps von Wien nach der Lombardei), und sodann genügend stark, no<lb/> selbst nach Besetzung aller wichtigen Punkte des Königreiches im freien Felde<lb/> für einige Zeit den Piemontesen die Spitze bieten zu können. Durch Ein¬<lb/> berufung der Urlauber und Reservisten können sich die in Italien stehen¬<lb/> den Regimenter mit Benutzung der Telegraphen und der Eisenbahnen binnen<lb/> 14 Tagen aus den Kriegsstand ergänzen, und dies nicht mit Rekruten, son¬<lb/> dern mit gutgeübten Mannschaften. In noch kürzerer Zeit können aus den an<lb/> Italien anstoßenden, so wie aus den innern Provinzen Truppen auf dem etwaigen<lb/> .Kriegsschauplatz erscheinen und der östreichischen Armee eine numerische Über¬<lb/> legenheit verleihen, die jede Aussicht aus einen selbst nur ephemeren Erfolg Sar¬<lb/> diniens schwinden macht. Allerdings hat nun Sardinien den Vortheil M<lb/> sich, daß es kaum zu fürchten braucht, selbst angegriffen zu werden, sondern<lb/> den Moment für die Eröffnung der eignen Offensive sich auswählen und so<lb/> die Aussichten, welche eine Ueberraschung des Gegners bietet, benutzen kann; wäh¬<lb/> rend Oestreich, zu einer fortwährenden Wachsamkeit genöthigt, eine Abspannung<lb/> seiner Kräfte erleiden muß. Hierauf ist denn auch das Benehmen Sardiniens<lb/> berechnet; sein Angriff wird den Charakter eines Ueberfalls tragen, der<lb/> mont im Beginn das Uebergewicht verleiht, und den plötzlich auszuführen es<lb/> in seinem außerordentlich richtig angelegten Eisenbahnnetz das Mittel findet-<lb/> Sind wirklich in Turin schon Borbereitungen für einen Krieg getroffen, und<lb/> ist der Entschluß zu einem Kampf mit dem Aufgebot aller Kräfte gefaßt,<lb/> kann Sardinien seine ganze Armee in wenigen Tagen an der Grenze concen-<lb/> triren und vom Ticino Mailand bedrohen, welches so nahe der Grenze liegt'<lb/> daß die italienische Armee bei ihrer gewöhnlichen Dislocation nicht zeitig<lb/> genug concentrirt sein dürfte, um den Uebergang über den Grenzfluß zu verthu<lb/> tigem. Nun hat für Oestreich in militärischer Beziehung die Behauptung Mailands<lb/> wenig Werth, aber in politischer Hinsicht ist dieser Besitz von hoher Bedeutung, da<lb/> eine auch nur temporäre Räumung der Hauptstadt dem Feinde einen immensen Z"'<lb/> wachs an moralischer Stärke verleihen, die Bewegung über das ganze Land ver-<lb/> brcitenund endlich die Hilfsquellen einer reichen Provinz dem Feind überliefe^<lb/> würde. In militärischer Beziehung wären die Stellungen am Ticino, an de^</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
unternommen wird, wo möglich, wenn Oestreich — etwa wie 1848 und 1849
— auch anderwärts beschäftigt und nicht alle seine Kräfte zur Behauptung
Italiens aufzubieten in der Lage ist.
Die gegenwärtige Lage bietet einen solchen günstigen Fall nicht. Oest¬
reich ist aus einen Krieg, den die Organe Cavours täglich predigen und zu
dem das turiner Cabinet sich möglicherweise verleiten lassen könnte, gefaßt-
Die in Italien stehende Armee ist zwar nicht auf dem Kriegsfuß, aber der
Art mobil organisirt, daß sie jeden Augenblick in Bewegung gesetzt werden
kann (Beweis der eben erfolgte, in wenigen Tagen bewirkte Einmarsch eines
Armeecorps von Wien nach der Lombardei), und sodann genügend stark, no
selbst nach Besetzung aller wichtigen Punkte des Königreiches im freien Felde
für einige Zeit den Piemontesen die Spitze bieten zu können. Durch Ein¬
berufung der Urlauber und Reservisten können sich die in Italien stehen¬
den Regimenter mit Benutzung der Telegraphen und der Eisenbahnen binnen
14 Tagen aus den Kriegsstand ergänzen, und dies nicht mit Rekruten, son¬
dern mit gutgeübten Mannschaften. In noch kürzerer Zeit können aus den an
Italien anstoßenden, so wie aus den innern Provinzen Truppen auf dem etwaigen
.Kriegsschauplatz erscheinen und der östreichischen Armee eine numerische Über¬
legenheit verleihen, die jede Aussicht aus einen selbst nur ephemeren Erfolg Sar¬
diniens schwinden macht. Allerdings hat nun Sardinien den Vortheil M
sich, daß es kaum zu fürchten braucht, selbst angegriffen zu werden, sondern
den Moment für die Eröffnung der eignen Offensive sich auswählen und so
die Aussichten, welche eine Ueberraschung des Gegners bietet, benutzen kann; wäh¬
rend Oestreich, zu einer fortwährenden Wachsamkeit genöthigt, eine Abspannung
seiner Kräfte erleiden muß. Hierauf ist denn auch das Benehmen Sardiniens
berechnet; sein Angriff wird den Charakter eines Ueberfalls tragen, der
mont im Beginn das Uebergewicht verleiht, und den plötzlich auszuführen es
in seinem außerordentlich richtig angelegten Eisenbahnnetz das Mittel findet-
Sind wirklich in Turin schon Borbereitungen für einen Krieg getroffen, und
ist der Entschluß zu einem Kampf mit dem Aufgebot aller Kräfte gefaßt,
kann Sardinien seine ganze Armee in wenigen Tagen an der Grenze concen-
triren und vom Ticino Mailand bedrohen, welches so nahe der Grenze liegt'
daß die italienische Armee bei ihrer gewöhnlichen Dislocation nicht zeitig
genug concentrirt sein dürfte, um den Uebergang über den Grenzfluß zu verthu
tigem. Nun hat für Oestreich in militärischer Beziehung die Behauptung Mailands
wenig Werth, aber in politischer Hinsicht ist dieser Besitz von hoher Bedeutung, da
eine auch nur temporäre Räumung der Hauptstadt dem Feinde einen immensen Z"'
wachs an moralischer Stärke verleihen, die Bewegung über das ganze Land ver-
brcitenund endlich die Hilfsquellen einer reichen Provinz dem Feind überliefe^
würde. In militärischer Beziehung wären die Stellungen am Ticino, an de^
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