Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.Die Schrift ist noch sonst in vielen Beziehungen interessant, sie zeigt Einmal ist es merkwürdig, daß man überhaupt ein Verfahren wegen Merkwürdig ist ferner, daß man. da einmal die Untersuchung eingeleitet Die Schrift ist noch sonst in vielen Beziehungen interessant, sie zeigt Einmal ist es merkwürdig, daß man überhaupt ein Verfahren wegen Merkwürdig ist ferner, daß man. da einmal die Untersuchung eingeleitet <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186966"/> <p xml:id="ID_23"> Die Schrift ist noch sonst in vielen Beziehungen interessant, sie zeigt<lb/> z. B.. wie die Herren Theologen noch immer, wenn es gilt, einen College»<lb/> der Ketzerei zu zeihen, neben ihren theologischen Motiven noch Motive andrer<lb/> Art, z. B. ästhetische, aufzufinden wissen; daß sie den schlechten Periodenbau<lb/> ihres Gegners als Erschwerungsgrund seiner ketzerischen Gesinnung bezeich¬<lb/> nen. Aber die Hauptpunkte, aus die es hier ankommt, sind folgende.</p><lb/> <p xml:id="ID_24"> Einmal ist es merkwürdig, daß man überhaupt ein Verfahren wegen<lb/> Ketzerei gegen einen akademischen Lehrer einleitet, den man. nachdem er sich<lb/> über seine Gesinnung schon vollständig ausgesprochen, erst vor wenig Jahren<lb/> berufen, der mittlerweile seine Ueberzeugungen durchaus nicht geändert hat,<lb/> und der auf das feierlichste erklärt, auf dem Boden des Katechismus zu stehn.<lb/> Wer das Letzte bezweifelt, schlage z. B. Seite 178 nach. Man hatte ihm<lb/> unter andern vorgeworfen, die Gottheit Christi zu bezweifeln, und der Con-<lb/> sistorialrath Krabbe suchte das daraus zu beweisen, daß er denselben niemals<lb/> die zweite Person der Gottheit nenne. „Darauf entgegnete ich ihm, ich hätte<lb/> allerdings diese kirchliche Formel nicht gebraucht, dieselbe schiene mir auch nicht<lb/> allenthalben hinzugehören, wenn er aber aus meinem Nichtgebrauch dieser<lb/> kirchlichen Formel schließen wolle, es fehle meinem Glauben das. was diese<lb/> kirchliche Formel besage, so sei er im großen Irrthum; ich betheuerte ihm<lb/> hoch und heilig, daß die ewige wescnhafte Gottheit unseres Heilandes nicht<lb/> blos ein Theil meines Glaubens sei, sondern mein ganzer und inniger Glaube,<lb/> und ich auch niemals von Kindheit her einen andern Glauben in meinem<lb/> Herzen gehegt und mit meinem Munde bekannt habe." Und ebenso bekennt<lb/> er weiterhin seinen Glauben an alles Mögliche, was in der Dogmatik steht,<lb/> auf die förmlichste, unzweideutigste Weise. — In frühern Zeiten war das<lb/> Kirchenregiment doch nur dann gegen einen Religionslehrer eingeschritten, wenn<lb/> derselbe gewisse Fundamenwlsätze des Kirchenglaubens förmlich und öffentlich<lb/> leugnete, und damit den Gläubigen, wie man sich ausdrückte, ein Aergerniß<lb/> gab; in diesem Fall aber zieht man trotz seines Bekenntnisses aus seinen<lb/> Schriften angeblich wissenschaftliche Consequenzen. und sucht ihm nachzuweisen,<lb/> daß er ein solches Bekenntniß nicht ablegen dürfe. Noch mehr: man legt<lb/> ihm diese Bedenken nicht etwa vor und fordert ihn zur Erklärung und Recht¬<lb/> fertigung auf; sondern man reicht sie ohne weiteres als bewiesen der Behörde<lb/> ein, und begründet darauf sein Verdammungsurtheil. Ein solches Verfahren<lb/> findet seine Analogie, was die Form betrifft, nur in der römischen Inquisi¬<lb/> tion; in Bezug auf den Inhalt dagegen werden wir weiter zurückversetzt: wir<lb/> befinden uns mitten unter den Byzantinern, in den interessanten Streit¬<lb/> fragen, ob die zweite Person der ersten Homoiusios oder Homousios sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_25" next="#ID_26"> Merkwürdig ist ferner, daß man. da einmal die Untersuchung eingeleitet<lb/> ist. nicht das herkömmliche, durch Gesetze und vielhundertjährige Praxis ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
Die Schrift ist noch sonst in vielen Beziehungen interessant, sie zeigt
z. B.. wie die Herren Theologen noch immer, wenn es gilt, einen College»
der Ketzerei zu zeihen, neben ihren theologischen Motiven noch Motive andrer
Art, z. B. ästhetische, aufzufinden wissen; daß sie den schlechten Periodenbau
ihres Gegners als Erschwerungsgrund seiner ketzerischen Gesinnung bezeich¬
nen. Aber die Hauptpunkte, aus die es hier ankommt, sind folgende.
Einmal ist es merkwürdig, daß man überhaupt ein Verfahren wegen
Ketzerei gegen einen akademischen Lehrer einleitet, den man. nachdem er sich
über seine Gesinnung schon vollständig ausgesprochen, erst vor wenig Jahren
berufen, der mittlerweile seine Ueberzeugungen durchaus nicht geändert hat,
und der auf das feierlichste erklärt, auf dem Boden des Katechismus zu stehn.
Wer das Letzte bezweifelt, schlage z. B. Seite 178 nach. Man hatte ihm
unter andern vorgeworfen, die Gottheit Christi zu bezweifeln, und der Con-
sistorialrath Krabbe suchte das daraus zu beweisen, daß er denselben niemals
die zweite Person der Gottheit nenne. „Darauf entgegnete ich ihm, ich hätte
allerdings diese kirchliche Formel nicht gebraucht, dieselbe schiene mir auch nicht
allenthalben hinzugehören, wenn er aber aus meinem Nichtgebrauch dieser
kirchlichen Formel schließen wolle, es fehle meinem Glauben das. was diese
kirchliche Formel besage, so sei er im großen Irrthum; ich betheuerte ihm
hoch und heilig, daß die ewige wescnhafte Gottheit unseres Heilandes nicht
blos ein Theil meines Glaubens sei, sondern mein ganzer und inniger Glaube,
und ich auch niemals von Kindheit her einen andern Glauben in meinem
Herzen gehegt und mit meinem Munde bekannt habe." Und ebenso bekennt
er weiterhin seinen Glauben an alles Mögliche, was in der Dogmatik steht,
auf die förmlichste, unzweideutigste Weise. — In frühern Zeiten war das
Kirchenregiment doch nur dann gegen einen Religionslehrer eingeschritten, wenn
derselbe gewisse Fundamenwlsätze des Kirchenglaubens förmlich und öffentlich
leugnete, und damit den Gläubigen, wie man sich ausdrückte, ein Aergerniß
gab; in diesem Fall aber zieht man trotz seines Bekenntnisses aus seinen
Schriften angeblich wissenschaftliche Consequenzen. und sucht ihm nachzuweisen,
daß er ein solches Bekenntniß nicht ablegen dürfe. Noch mehr: man legt
ihm diese Bedenken nicht etwa vor und fordert ihn zur Erklärung und Recht¬
fertigung auf; sondern man reicht sie ohne weiteres als bewiesen der Behörde
ein, und begründet darauf sein Verdammungsurtheil. Ein solches Verfahren
findet seine Analogie, was die Form betrifft, nur in der römischen Inquisi¬
tion; in Bezug auf den Inhalt dagegen werden wir weiter zurückversetzt: wir
befinden uns mitten unter den Byzantinern, in den interessanten Streit¬
fragen, ob die zweite Person der ersten Homoiusios oder Homousios sei.
Merkwürdig ist ferner, daß man. da einmal die Untersuchung eingeleitet
ist. nicht das herkömmliche, durch Gesetze und vielhundertjährige Praxis ge-
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