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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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einer unbestimmten Zukunft nicht blos einen deutschen, sondern einen deutsch'
italienischen Zollverein gründen zu können.

Nachdem Metternich auch bei Gelegenheit der griechischen Konstitution
genöthigt war, von seinem Princip der Legitimität abzuweichen, veranlaßten
ihn die galizischen Unruhen zu einem noch bedenklicheren Schritt. Durch die
Einverleibung Krakaus wurden thatsächlich die wiener Verträge zerrissen, das
Recht der Eroberung anerkannt und damit alles in Frage gestellt, was
Metternich so mühsam aufgebaut hatte.

Aber Metternich sollte mit den Concessionen an den Zeitgeist noch weiter
gehn. Mit großem Mißtraun betrachtete man die Versuche König Friedrich
Wilhelms IV., auf Grundlage der Provinzialstände wenn auch nur allmälig
eine organische Verfassung sür Preußen hervorgehn zu lassen. Auf der Kon¬
ferenz zu Koblenz, September 1842, suchte Metternich den König zu warnen,
aber ohne Erfolg. Schon im August 1844 hatte die östreichische Regierung
vom Inhalt des königlichen Entwurfs Kenntniß, der 1847 wirklich in Aus¬
führung kam. Obwol mau zugab, daß die Verfassung durchaus conservativ
gehalten sei, fanden die Entwürfe doch bei dem Cabinet keinen besondern
Anklang; vielmehr riefen sie sofort wohlmeinende Vorstellungen hervor über
die Schwierigkeit, ans der einmal begonnenen Bahn sich nicht von den No'
ständen fortreißen zu lassen, und überdies noch andere Bedenken. Man sagte
sich nämlich, daß die unwiderrufliche Einführung des constitutionellen Prin¬
cips in Preußen, sie möge in noch so durchaus conservulivcm Sinn geschehn,
eine außerordentliche Rückwirkung aus ganz Deutschland ausüben müsse-
Ungeahnte Erscheinungen dürsten in den öffentlichen Zuständen auftauchen
und das konstitutionelle Deutschland darauf hingewiesen werden, sich vorzugs¬
weise an Preußen anzuschließen, das auf Viefe Weise mit den, überwiegenden
Ansehn, das ihm der Zollverein verleihe, noch eine andere Art von Supre¬
matie verbinden würde. Um so mehr feste man in Verbindung mit dem
Petersburger Cabinet alle Hebel ein, um die Verwirklichung dieser Verfassung
zu verhindern.

In der That ließen die Eindrücke auch in Oestreich nicht auf sich warte",
ES traten angesehene Schriftsteller auf, welche die Regierung in dieselbe Bahn
zu lenken suchten, die man in Preußen mit so vieN Erfolg zu betreten schien,
und diese Wünsche fanden im nicderöstreichischen Landtag einen kräftigen Aus¬
druck. Ablösung der Grundlasten, Milderung der Censur. Veröffentlichung
des Staatshaushalts, Beirath der Stunde in allen wichtigen Landesangelegen-
heiten und Vertretung, des Bürgerstandes in den Ständeversammlungen, das
waren die Stichworte der Opposition. Als das Februarpatent von 184? er¬
schien, wurde die Regierung selbst stutzig. Die Berichte des eidgenössischen
Bevollmächtigten sind voll von Eröffnungen über daS Bestreben Metternich^


einer unbestimmten Zukunft nicht blos einen deutschen, sondern einen deutsch'
italienischen Zollverein gründen zu können.

Nachdem Metternich auch bei Gelegenheit der griechischen Konstitution
genöthigt war, von seinem Princip der Legitimität abzuweichen, veranlaßten
ihn die galizischen Unruhen zu einem noch bedenklicheren Schritt. Durch die
Einverleibung Krakaus wurden thatsächlich die wiener Verträge zerrissen, das
Recht der Eroberung anerkannt und damit alles in Frage gestellt, was
Metternich so mühsam aufgebaut hatte.

Aber Metternich sollte mit den Concessionen an den Zeitgeist noch weiter
gehn. Mit großem Mißtraun betrachtete man die Versuche König Friedrich
Wilhelms IV., auf Grundlage der Provinzialstände wenn auch nur allmälig
eine organische Verfassung sür Preußen hervorgehn zu lassen. Auf der Kon¬
ferenz zu Koblenz, September 1842, suchte Metternich den König zu warnen,
aber ohne Erfolg. Schon im August 1844 hatte die östreichische Regierung
vom Inhalt des königlichen Entwurfs Kenntniß, der 1847 wirklich in Aus¬
führung kam. Obwol mau zugab, daß die Verfassung durchaus conservativ
gehalten sei, fanden die Entwürfe doch bei dem Cabinet keinen besondern
Anklang; vielmehr riefen sie sofort wohlmeinende Vorstellungen hervor über
die Schwierigkeit, ans der einmal begonnenen Bahn sich nicht von den No'
ständen fortreißen zu lassen, und überdies noch andere Bedenken. Man sagte
sich nämlich, daß die unwiderrufliche Einführung des constitutionellen Prin¬
cips in Preußen, sie möge in noch so durchaus conservulivcm Sinn geschehn,
eine außerordentliche Rückwirkung aus ganz Deutschland ausüben müsse-
Ungeahnte Erscheinungen dürsten in den öffentlichen Zuständen auftauchen
und das konstitutionelle Deutschland darauf hingewiesen werden, sich vorzugs¬
weise an Preußen anzuschließen, das auf Viefe Weise mit den, überwiegenden
Ansehn, das ihm der Zollverein verleihe, noch eine andere Art von Supre¬
matie verbinden würde. Um so mehr feste man in Verbindung mit dem
Petersburger Cabinet alle Hebel ein, um die Verwirklichung dieser Verfassung
zu verhindern.

In der That ließen die Eindrücke auch in Oestreich nicht auf sich warte»,
ES traten angesehene Schriftsteller auf, welche die Regierung in dieselbe Bahn
zu lenken suchten, die man in Preußen mit so vieN Erfolg zu betreten schien,
und diese Wünsche fanden im nicderöstreichischen Landtag einen kräftigen Aus¬
druck. Ablösung der Grundlasten, Milderung der Censur. Veröffentlichung
des Staatshaushalts, Beirath der Stunde in allen wichtigen Landesangelegen-
heiten und Vertretung, des Bürgerstandes in den Ständeversammlungen, das
waren die Stichworte der Opposition. Als das Februarpatent von 184? er¬
schien, wurde die Regierung selbst stutzig. Die Berichte des eidgenössischen
Bevollmächtigten sind voll von Eröffnungen über daS Bestreben Metternich^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/140>, abgerufen am 24.07.2024.