Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

doch wurde in den Geschäften manches verbessert. Die Entscheidungen wur¬
den nicht mehr so verschleppt, in den Bureaus zeigte sich eine größere Thätig¬
st, es traten viele Begnadigungen ein und die bestehenden Gesetze wurden
"ut großer Milde gehandhabt. Die alte mehr persönliche als principielle
Rivalität zwischen den beiden Ministern dauerte fort, doch so, daß Erzherzog
Ludwig meistens auf Metternichs Seite stand. Wenn die streng kirchliche
Partei sich bemühte, das verlorene Terrain wiederzugewinnen, und darin von
drei hohen Damen, der Erzherzogin Sophie, ihrer Schwester der Kaiserin
Mutter und der regierenden Kaiserin beschützt wurde, so scheiterten doch im
Großen ihre Bestrebungen an dem vereinigten Widerstand Metternichs und
Kvlowrats; wie denn überhaupt bei jeder Reform, gleichviel ob nach rechts
"der nach links, derjenige sicher war, sein Ziel zu erreichen, der der Neuerung
widerstund leistete. Auch bei der Staatscouferenz wurde bald das schriftliche
Abstimmen üblich, und so war sie im Grunde nichts weiter als ein neues
'^ad in der Staatsmaschine, die sich nach dem Gesetz der Trägheit fort¬
bewegte.

Dagegen fing in den einzelnen Provinzen eine kräftigere Regsamkeit der
stände an. In Ungarn forderte und erlangte man nicht unerhebliche Con¬
cessionen; die niederöstreichischen Landtage folgten diesem Beispiel, und es
schien, als ob sich das politische Leben aus der Centralgewalt in die einzelnen
Gliederungen der Monarchie zurückzöge.

Um die Kraft des Staats zu conserviren, sah Metternich ein, daß man
"uf zeitgemäße Reformen denken müsse. Ja so seltsam es klingt, es ist
Metternich, der jetzt als Mann des Fortschritts auftritt, und der um der Durch¬
führung seiner Entwürfe nur durch die Schwäche seines Charakters oder, was
vielleicht ebenso wichtig ist, durch seiue Arbeitsscheu gehindert wurde.

Zuerst dachte man an einen Anschluß Oestreichs an den deutschen Zollverein.
Metternich verfolgte dabei vorzugsweise einen politischen Zweck, er wollte
^gen Preußen in die Schranken treten, er fand aber eine wesentliche Stütze
"u K ub cet, dem Schneidersohn, der seit 1840 als Präsident der allgemeinen
H°ste"n>ner die östreichischen Finanzen zu reguliren suchte. Beide veranlaßten
Ende des Jahres 1841 die Niedersctzung einer Commission, um die Mög-
Meit eines Anschlusses zu untersuchen. Als Gegner des Entwurfs traten
^uptsächlich Kolowrat und Graf Hurtig auf, und es gelang ihnen, der
^taatsconferenz die Unmöglichkeit des Anschlusses darzuthun, wobei Haupt-
Schlich geltend gemacht wurde, daß man die ungarischen Stände niemals zur
uncrhlne der Negierungsentwürfe werde bewegen können. Fast ebenso
'adlig war der Widerspruch der östreichischen Handelskammern. So mußten
Ach denn Metternich und Kübeck mit einigen Reformen des Tarifs begnügen,
" in der Hauptsache nichts entschieden. Man tröstete sich mit der Idee, in


Grenzboten I. 1859, 17

doch wurde in den Geschäften manches verbessert. Die Entscheidungen wur¬
den nicht mehr so verschleppt, in den Bureaus zeigte sich eine größere Thätig¬
st, es traten viele Begnadigungen ein und die bestehenden Gesetze wurden
"ut großer Milde gehandhabt. Die alte mehr persönliche als principielle
Rivalität zwischen den beiden Ministern dauerte fort, doch so, daß Erzherzog
Ludwig meistens auf Metternichs Seite stand. Wenn die streng kirchliche
Partei sich bemühte, das verlorene Terrain wiederzugewinnen, und darin von
drei hohen Damen, der Erzherzogin Sophie, ihrer Schwester der Kaiserin
Mutter und der regierenden Kaiserin beschützt wurde, so scheiterten doch im
Großen ihre Bestrebungen an dem vereinigten Widerstand Metternichs und
Kvlowrats; wie denn überhaupt bei jeder Reform, gleichviel ob nach rechts
"der nach links, derjenige sicher war, sein Ziel zu erreichen, der der Neuerung
widerstund leistete. Auch bei der Staatscouferenz wurde bald das schriftliche
Abstimmen üblich, und so war sie im Grunde nichts weiter als ein neues
'^ad in der Staatsmaschine, die sich nach dem Gesetz der Trägheit fort¬
bewegte.

Dagegen fing in den einzelnen Provinzen eine kräftigere Regsamkeit der
stände an. In Ungarn forderte und erlangte man nicht unerhebliche Con¬
cessionen; die niederöstreichischen Landtage folgten diesem Beispiel, und es
schien, als ob sich das politische Leben aus der Centralgewalt in die einzelnen
Gliederungen der Monarchie zurückzöge.

Um die Kraft des Staats zu conserviren, sah Metternich ein, daß man
"uf zeitgemäße Reformen denken müsse. Ja so seltsam es klingt, es ist
Metternich, der jetzt als Mann des Fortschritts auftritt, und der um der Durch¬
führung seiner Entwürfe nur durch die Schwäche seines Charakters oder, was
vielleicht ebenso wichtig ist, durch seiue Arbeitsscheu gehindert wurde.

Zuerst dachte man an einen Anschluß Oestreichs an den deutschen Zollverein.
Metternich verfolgte dabei vorzugsweise einen politischen Zweck, er wollte
^gen Preußen in die Schranken treten, er fand aber eine wesentliche Stütze
"u K ub cet, dem Schneidersohn, der seit 1840 als Präsident der allgemeinen
H°ste»n>ner die östreichischen Finanzen zu reguliren suchte. Beide veranlaßten
Ende des Jahres 1841 die Niedersctzung einer Commission, um die Mög-
Meit eines Anschlusses zu untersuchen. Als Gegner des Entwurfs traten
^uptsächlich Kolowrat und Graf Hurtig auf, und es gelang ihnen, der
^taatsconferenz die Unmöglichkeit des Anschlusses darzuthun, wobei Haupt-
Schlich geltend gemacht wurde, daß man die ungarischen Stände niemals zur
uncrhlne der Negierungsentwürfe werde bewegen können. Fast ebenso
'adlig war der Widerspruch der östreichischen Handelskammern. So mußten
Ach denn Metternich und Kübeck mit einigen Reformen des Tarifs begnügen,
" in der Hauptsache nichts entschieden. Man tröstete sich mit der Idee, in


Grenzboten I. 1859, 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187090"/>
          <p xml:id="ID_417" prev="#ID_416"> doch wurde in den Geschäften manches verbessert. Die Entscheidungen wur¬<lb/>
den nicht mehr so verschleppt, in den Bureaus zeigte sich eine größere Thätig¬<lb/>
st, es traten viele Begnadigungen ein und die bestehenden Gesetze wurden<lb/>
"ut großer Milde gehandhabt. Die alte mehr persönliche als principielle<lb/>
Rivalität zwischen den beiden Ministern dauerte fort, doch so, daß Erzherzog<lb/>
Ludwig meistens auf Metternichs Seite stand. Wenn die streng kirchliche<lb/>
Partei sich bemühte, das verlorene Terrain wiederzugewinnen, und darin von<lb/>
drei hohen Damen, der Erzherzogin Sophie, ihrer Schwester der Kaiserin<lb/>
Mutter und der regierenden Kaiserin beschützt wurde, so scheiterten doch im<lb/>
Großen ihre Bestrebungen an dem vereinigten Widerstand Metternichs und<lb/>
Kvlowrats; wie denn überhaupt bei jeder Reform, gleichviel ob nach rechts<lb/>
"der nach links, derjenige sicher war, sein Ziel zu erreichen, der der Neuerung<lb/>
widerstund leistete. Auch bei der Staatscouferenz wurde bald das schriftliche<lb/>
Abstimmen üblich, und so war sie im Grunde nichts weiter als ein neues<lb/>
'^ad in der Staatsmaschine, die sich nach dem Gesetz der Trägheit fort¬<lb/>
bewegte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_418"> Dagegen fing in den einzelnen Provinzen eine kräftigere Regsamkeit der<lb/>
stände an. In Ungarn forderte und erlangte man nicht unerhebliche Con¬<lb/>
cessionen; die niederöstreichischen Landtage folgten diesem Beispiel, und es<lb/>
schien, als ob sich das politische Leben aus der Centralgewalt in die einzelnen<lb/>
Gliederungen der Monarchie zurückzöge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_419"> Um die Kraft des Staats zu conserviren, sah Metternich ein, daß man<lb/>
"uf zeitgemäße Reformen denken müsse. Ja so seltsam es klingt, es ist<lb/>
Metternich, der jetzt als Mann des Fortschritts auftritt, und der um der Durch¬<lb/>
führung seiner Entwürfe nur durch die Schwäche seines Charakters oder, was<lb/>
vielleicht ebenso wichtig ist, durch seiue Arbeitsscheu gehindert wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_420" next="#ID_421"> Zuerst dachte man an einen Anschluß Oestreichs an den deutschen Zollverein.<lb/>
Metternich verfolgte dabei vorzugsweise einen politischen Zweck, er wollte<lb/>
^gen Preußen in die Schranken treten, er fand aber eine wesentliche Stütze<lb/>
"u K ub cet, dem Schneidersohn, der seit 1840 als Präsident der allgemeinen<lb/>
H°ste»n&gt;ner die östreichischen Finanzen zu reguliren suchte. Beide veranlaßten<lb/>
Ende des Jahres 1841 die Niedersctzung einer Commission, um die Mög-<lb/>
Meit eines Anschlusses zu untersuchen. Als Gegner des Entwurfs traten<lb/>
^uptsächlich Kolowrat und Graf Hurtig auf, und es gelang ihnen, der<lb/>
^taatsconferenz die Unmöglichkeit des Anschlusses darzuthun, wobei Haupt-<lb/>
Schlich geltend gemacht wurde, daß man die ungarischen Stände niemals zur<lb/>
uncrhlne der Negierungsentwürfe werde bewegen können. Fast ebenso<lb/>
'adlig war der Widerspruch der östreichischen Handelskammern. So mußten<lb/>
Ach denn Metternich und Kübeck mit einigen Reformen des Tarifs begnügen,<lb/>
" in der Hauptsache nichts entschieden.  Man tröstete sich mit der Idee, in</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1859, 17</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] doch wurde in den Geschäften manches verbessert. Die Entscheidungen wur¬ den nicht mehr so verschleppt, in den Bureaus zeigte sich eine größere Thätig¬ st, es traten viele Begnadigungen ein und die bestehenden Gesetze wurden "ut großer Milde gehandhabt. Die alte mehr persönliche als principielle Rivalität zwischen den beiden Ministern dauerte fort, doch so, daß Erzherzog Ludwig meistens auf Metternichs Seite stand. Wenn die streng kirchliche Partei sich bemühte, das verlorene Terrain wiederzugewinnen, und darin von drei hohen Damen, der Erzherzogin Sophie, ihrer Schwester der Kaiserin Mutter und der regierenden Kaiserin beschützt wurde, so scheiterten doch im Großen ihre Bestrebungen an dem vereinigten Widerstand Metternichs und Kvlowrats; wie denn überhaupt bei jeder Reform, gleichviel ob nach rechts "der nach links, derjenige sicher war, sein Ziel zu erreichen, der der Neuerung widerstund leistete. Auch bei der Staatscouferenz wurde bald das schriftliche Abstimmen üblich, und so war sie im Grunde nichts weiter als ein neues '^ad in der Staatsmaschine, die sich nach dem Gesetz der Trägheit fort¬ bewegte. Dagegen fing in den einzelnen Provinzen eine kräftigere Regsamkeit der stände an. In Ungarn forderte und erlangte man nicht unerhebliche Con¬ cessionen; die niederöstreichischen Landtage folgten diesem Beispiel, und es schien, als ob sich das politische Leben aus der Centralgewalt in die einzelnen Gliederungen der Monarchie zurückzöge. Um die Kraft des Staats zu conserviren, sah Metternich ein, daß man "uf zeitgemäße Reformen denken müsse. Ja so seltsam es klingt, es ist Metternich, der jetzt als Mann des Fortschritts auftritt, und der um der Durch¬ führung seiner Entwürfe nur durch die Schwäche seines Charakters oder, was vielleicht ebenso wichtig ist, durch seiue Arbeitsscheu gehindert wurde. Zuerst dachte man an einen Anschluß Oestreichs an den deutschen Zollverein. Metternich verfolgte dabei vorzugsweise einen politischen Zweck, er wollte ^gen Preußen in die Schranken treten, er fand aber eine wesentliche Stütze "u K ub cet, dem Schneidersohn, der seit 1840 als Präsident der allgemeinen H°ste»n>ner die östreichischen Finanzen zu reguliren suchte. Beide veranlaßten Ende des Jahres 1841 die Niedersctzung einer Commission, um die Mög- Meit eines Anschlusses zu untersuchen. Als Gegner des Entwurfs traten ^uptsächlich Kolowrat und Graf Hurtig auf, und es gelang ihnen, der ^taatsconferenz die Unmöglichkeit des Anschlusses darzuthun, wobei Haupt- Schlich geltend gemacht wurde, daß man die ungarischen Stände niemals zur uncrhlne der Negierungsentwürfe werde bewegen können. Fast ebenso 'adlig war der Widerspruch der östreichischen Handelskammern. So mußten Ach denn Metternich und Kübeck mit einigen Reformen des Tarifs begnügen, " in der Hauptsache nichts entschieden. Man tröstete sich mit der Idee, in Grenzboten I. 1859, 17

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/139>, abgerufen am 24.07.2024.