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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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einrichtungen bedacht sind, in ihrem Widerstand gegen Neuerungen zu schützen
sollte man der Schweiz erklären: wenn sie sich herausnähme, durch Tag-
satzuugsbcschlüsse die Grundbestimmungen der Verträge von 1815 zu ändern,
so würden die Großmächte diesen neuen Zustand als einen rechtlichen nicht
anerkennen. -- So war im Voraus der "Sonderbund" unter den Schutz der
Großmächte gestellt.

Der Kaiser wie sein Diener beobachteten seit der Julirevolution die Ent¬
wicklung der öffentlichen Meinung mit immer größerer Furcht. Das Cha-
rakteristische dabei ist. wie A. Schmidt sehr treffend hervorhebt, der Unglaube
Metternichs an sein eignes Princip. Lautete doch seine Devise: ..die Zeit
nickt unter Stürmen vorwärts; ihren Ungestüm aufhalten zu wollen, würde
vergebliches Bemühen sein." Unaufhörlich sprach er von dem "Tage der Ge¬
fahr;" die ..Rettung" galt ihm. selbst wo er "hoffen" zu können glaubte,
doch nur als eine Möglichkeit, mehr als einmal sprach er die Behauptung
aus. daß es bei diesem oder jenem Anlaß "nur einer unbedeutenden poli¬
tischen Verwicklung bedurft hatte, um die gesellschaftliche Ordnung völlig um¬
zustürzen." Nach der Julirevolution bezeichnete er die Zeit als eine solche,
^e zur gänzlichen Niederlage der königlichen Gewalt führen könne. Ein!paar
Jahre später, überall nur eine gegen die monarchischen Institutionen anrin-
Kende Partei erblickend, rief er den Fürsten zu: "wird den hier und da schon
M'ungenen Erfolgen dieser Partei nicht ein hemmender und rettender Damm
entgegengesetzt, so könnte in kurzem selbst das Schattenbild einer monarchi¬
schen Gewalt in den Händen mancher Regierungen zerfließen." Am Buudes-
ließ er mit dürren Worten die Ueberzeugung verkünden: "in Deutschland
"ehe die Revolution mit starken Schritten ihrer Reife entgegen."

Noch charakteristischer war, daß. wo ein Feuer wirklich brannte -- in
Belgien, in Polen, in der Türkei -- die "Löschanstalten" ausblieben, daß
dagegen, wo ein Schornstein rauchte, die ganze Gegend unter Wasser gesetzt
wurde. Ueber das hambacher Fest erklärte Metternich (Mai 1832) dem Bun-
dcstagspräsidium. es könne, gut benutzt, das Fest der Guten werden! Das
abgeschmackte frankfurter Attentat (?. April 1833) führte zu den karlsbader
Beschlüssen, dem Culminationspunkt der Reaction. Metternich, den man in
Andenken der napoleonischen Zeit an den deutschen Höfen in allen diplo¬
matischen Angelegenheiten als Orakel ansah, hat der Monarchie mehr ge¬
badet als alle Jakobiner, weil er ihr das Selbstgefühl, den Glauben an
'hre Wahrheit nahm.

Vor der Julirevolution hatte Oestreich die kleinen deutschen Fürsten auf
das eindringlichste vor dem Eintritt in den preußischen Zollverein gewarnt,
obgleich es mit Preußen darin übereinstimmte, daß von Bundeswegen für die


einrichtungen bedacht sind, in ihrem Widerstand gegen Neuerungen zu schützen
sollte man der Schweiz erklären: wenn sie sich herausnähme, durch Tag-
satzuugsbcschlüsse die Grundbestimmungen der Verträge von 1815 zu ändern,
so würden die Großmächte diesen neuen Zustand als einen rechtlichen nicht
anerkennen. — So war im Voraus der „Sonderbund" unter den Schutz der
Großmächte gestellt.

Der Kaiser wie sein Diener beobachteten seit der Julirevolution die Ent¬
wicklung der öffentlichen Meinung mit immer größerer Furcht. Das Cha-
rakteristische dabei ist. wie A. Schmidt sehr treffend hervorhebt, der Unglaube
Metternichs an sein eignes Princip. Lautete doch seine Devise: ..die Zeit
nickt unter Stürmen vorwärts; ihren Ungestüm aufhalten zu wollen, würde
vergebliches Bemühen sein." Unaufhörlich sprach er von dem „Tage der Ge¬
fahr;" die ..Rettung" galt ihm. selbst wo er „hoffen" zu können glaubte,
doch nur als eine Möglichkeit, mehr als einmal sprach er die Behauptung
aus. daß es bei diesem oder jenem Anlaß „nur einer unbedeutenden poli¬
tischen Verwicklung bedurft hatte, um die gesellschaftliche Ordnung völlig um¬
zustürzen." Nach der Julirevolution bezeichnete er die Zeit als eine solche,
^e zur gänzlichen Niederlage der königlichen Gewalt führen könne. Ein!paar
Jahre später, überall nur eine gegen die monarchischen Institutionen anrin-
Kende Partei erblickend, rief er den Fürsten zu: „wird den hier und da schon
M'ungenen Erfolgen dieser Partei nicht ein hemmender und rettender Damm
entgegengesetzt, so könnte in kurzem selbst das Schattenbild einer monarchi¬
schen Gewalt in den Händen mancher Regierungen zerfließen." Am Buudes-
ließ er mit dürren Worten die Ueberzeugung verkünden: „in Deutschland
«ehe die Revolution mit starken Schritten ihrer Reife entgegen."

Noch charakteristischer war, daß. wo ein Feuer wirklich brannte — in
Belgien, in Polen, in der Türkei — die „Löschanstalten" ausblieben, daß
dagegen, wo ein Schornstein rauchte, die ganze Gegend unter Wasser gesetzt
wurde. Ueber das hambacher Fest erklärte Metternich (Mai 1832) dem Bun-
dcstagspräsidium. es könne, gut benutzt, das Fest der Guten werden! Das
abgeschmackte frankfurter Attentat (?. April 1833) führte zu den karlsbader
Beschlüssen, dem Culminationspunkt der Reaction. Metternich, den man in
Andenken der napoleonischen Zeit an den deutschen Höfen in allen diplo¬
matischen Angelegenheiten als Orakel ansah, hat der Monarchie mehr ge¬
badet als alle Jakobiner, weil er ihr das Selbstgefühl, den Glauben an
'hre Wahrheit nahm.

Vor der Julirevolution hatte Oestreich die kleinen deutschen Fürsten auf
das eindringlichste vor dem Eintritt in den preußischen Zollverein gewarnt,
obgleich es mit Preußen darin übereinstimmte, daß von Bundeswegen für die


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[0135] einrichtungen bedacht sind, in ihrem Widerstand gegen Neuerungen zu schützen sollte man der Schweiz erklären: wenn sie sich herausnähme, durch Tag- satzuugsbcschlüsse die Grundbestimmungen der Verträge von 1815 zu ändern, so würden die Großmächte diesen neuen Zustand als einen rechtlichen nicht anerkennen. — So war im Voraus der „Sonderbund" unter den Schutz der Großmächte gestellt. Der Kaiser wie sein Diener beobachteten seit der Julirevolution die Ent¬ wicklung der öffentlichen Meinung mit immer größerer Furcht. Das Cha- rakteristische dabei ist. wie A. Schmidt sehr treffend hervorhebt, der Unglaube Metternichs an sein eignes Princip. Lautete doch seine Devise: ..die Zeit nickt unter Stürmen vorwärts; ihren Ungestüm aufhalten zu wollen, würde vergebliches Bemühen sein." Unaufhörlich sprach er von dem „Tage der Ge¬ fahr;" die ..Rettung" galt ihm. selbst wo er „hoffen" zu können glaubte, doch nur als eine Möglichkeit, mehr als einmal sprach er die Behauptung aus. daß es bei diesem oder jenem Anlaß „nur einer unbedeutenden poli¬ tischen Verwicklung bedurft hatte, um die gesellschaftliche Ordnung völlig um¬ zustürzen." Nach der Julirevolution bezeichnete er die Zeit als eine solche, ^e zur gänzlichen Niederlage der königlichen Gewalt führen könne. Ein!paar Jahre später, überall nur eine gegen die monarchischen Institutionen anrin- Kende Partei erblickend, rief er den Fürsten zu: „wird den hier und da schon M'ungenen Erfolgen dieser Partei nicht ein hemmender und rettender Damm entgegengesetzt, so könnte in kurzem selbst das Schattenbild einer monarchi¬ schen Gewalt in den Händen mancher Regierungen zerfließen." Am Buudes- ließ er mit dürren Worten die Ueberzeugung verkünden: „in Deutschland «ehe die Revolution mit starken Schritten ihrer Reife entgegen." Noch charakteristischer war, daß. wo ein Feuer wirklich brannte — in Belgien, in Polen, in der Türkei — die „Löschanstalten" ausblieben, daß dagegen, wo ein Schornstein rauchte, die ganze Gegend unter Wasser gesetzt wurde. Ueber das hambacher Fest erklärte Metternich (Mai 1832) dem Bun- dcstagspräsidium. es könne, gut benutzt, das Fest der Guten werden! Das abgeschmackte frankfurter Attentat (?. April 1833) führte zu den karlsbader Beschlüssen, dem Culminationspunkt der Reaction. Metternich, den man in Andenken der napoleonischen Zeit an den deutschen Höfen in allen diplo¬ matischen Angelegenheiten als Orakel ansah, hat der Monarchie mehr ge¬ badet als alle Jakobiner, weil er ihr das Selbstgefühl, den Glauben an 'hre Wahrheit nahm. Vor der Julirevolution hatte Oestreich die kleinen deutschen Fürsten auf das eindringlichste vor dem Eintritt in den preußischen Zollverein gewarnt, obgleich es mit Preußen darin übereinstimmte, daß von Bundeswegen für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/135>, abgerufen am 24.07.2024.