Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.Namen einschneiden und überall ein Stück Alterthum als Andenken mitneh¬ Wie früher bedürfte es vor dem Aufbruch nach oben eine reichliche halbe Namen einschneiden und überall ein Stück Alterthum als Andenken mitneh¬ Wie früher bedürfte es vor dem Aufbruch nach oben eine reichliche halbe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187069"/> <p xml:id="ID_354" prev="#ID_353"> Namen einschneiden und überall ein Stück Alterthum als Andenken mitneh¬<lb/> men müssen, allmälig abgcschnitzelt worden. Die Procedur, durch die man<lb/> in der Regel auf das solchergestalt entstandene kleine Gipfclplatcau gelaugt,<lb/> ist ziemlich dem Verfahren ähnlich, durch welches der Reisende an den Seiten<lb/> des Aschenkegels des Vesuv emporbefördcrt wird. Zwei Fellahin fassen den<lb/> Chowadschi bei den Händen, steigen voran und ziehn, ein dritter schiebt von<lb/> hinten, und so geht die Klettertour über die durchschnittlich drei Fuß hohen<lb/> Stufenblöcke, mit ziemlicher Schnelligkeit von Statten. Der Weg ist, da die<lb/> Stufen mehr als, fußbreit und das Material rauher Stein ist. welcher den<lb/> Sohlen einen festen Halt bietet, zwar für kurz gespaltene Menschenkinder be¬<lb/> schwerlich und ermüdend, aber nichts weniger als gefährlich. Sollen ihn<lb/> doch wiederholt englische Damen ohne Unfall zurückgelegt haben. Ueberaus<lb/> peinlich ist dagegen die dreiste, durch nichts zurückzuschreckende Bcttclhastigkcit<lb/> der Führer, die sämmtlich ein wenig französisch und englisch sprechen, und<lb/> deren behende Zudringlichkeit ich bereits früher übler als sie mir beschrieben<lb/> worden, gefunden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Wie früher bedürfte es vor dem Aufbruch nach oben eine reichliche halbe<lb/> Stunde, ehe wir ihre Ansprüche hinsichtlich des Führerlohnesauf das, was die Ge¬<lb/> wohnheit als Recht festgestellt hat, das heißt, auf einen Thaler für den Mann,<lb/> herabgehandelt hatten. Wie früher verlangten sie beim ersten Ausruhen auf<lb/> der Hülste des Weges erst schmeichelnd, dann ungestüm ein Extrabakschisch.<lb/> Wie früher wiederholte sich das bei der zweiten Raststelle und bei der dritten.<lb/> „Was geben Sie, wenn Araber laufen in fünf Minuten Pyramid auf, Py-<lb/> ramid ab?" fragte das eine Roß, das mich zog. „Was geben Sie, wenn<lb/> Araber Hurrah schrein für Chowadschi. wenn oben stehn?" erkundigte sich, den<lb/> Kopf auf die Seite gelegt und das eine Auge zukneifend, der andere Gaul.<lb/> „Mich nicht vergessen, o Chowadschi, ich armer Mann, o so arm, und du<lb/> reicher Lord!" stöhnte kläglich der dritte, dem das Amt des Schiebens zuge¬<lb/> fallen war. Oben wurde das alles wiederholt. Unbegehrt wurde das an¬<lb/> gebotene Hurrah auf uns ausgebracht, und nachdem es honorirt worden, noch<lb/> eins für jeden einzelnen von uns. Einer bot mir an, auch „das Geheimniß<lb/> meines Hauses" d. h. meine Frau mit einem Hurrah zu ehren, ein anderer<lb/> meinte, ich solle wenigstens meiner Mutter eins gönnen. Ein Knabe brachte<lb/> Wasser um Backschisch, ein zweiter stellte sich, den gleichen Zweck im Auge,<lb/> mit Hammer und Meißel ein. damit der Chowadschi seinen Namen in den<lb/> großen Kalender der Kiselacks eintragen könnte, in den die Thorheit der Rei¬<lb/> senden den Gipfel der Pyramide verwandelt hatte. Endlich kam noch ein<lb/> steinalter Derwisch keuchend heraufgeklettert, der für das Bakschisch, welches<lb/> er beanspruchte, nichts als sein ungewöhnlich verwittertes Aussehn und den<lb/> Einfall zu bieten hatte, sich auf dieser Höhe ein Almosen zu holen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
Namen einschneiden und überall ein Stück Alterthum als Andenken mitneh¬
men müssen, allmälig abgcschnitzelt worden. Die Procedur, durch die man
in der Regel auf das solchergestalt entstandene kleine Gipfclplatcau gelaugt,
ist ziemlich dem Verfahren ähnlich, durch welches der Reisende an den Seiten
des Aschenkegels des Vesuv emporbefördcrt wird. Zwei Fellahin fassen den
Chowadschi bei den Händen, steigen voran und ziehn, ein dritter schiebt von
hinten, und so geht die Klettertour über die durchschnittlich drei Fuß hohen
Stufenblöcke, mit ziemlicher Schnelligkeit von Statten. Der Weg ist, da die
Stufen mehr als, fußbreit und das Material rauher Stein ist. welcher den
Sohlen einen festen Halt bietet, zwar für kurz gespaltene Menschenkinder be¬
schwerlich und ermüdend, aber nichts weniger als gefährlich. Sollen ihn
doch wiederholt englische Damen ohne Unfall zurückgelegt haben. Ueberaus
peinlich ist dagegen die dreiste, durch nichts zurückzuschreckende Bcttclhastigkcit
der Führer, die sämmtlich ein wenig französisch und englisch sprechen, und
deren behende Zudringlichkeit ich bereits früher übler als sie mir beschrieben
worden, gefunden hatte.
Wie früher bedürfte es vor dem Aufbruch nach oben eine reichliche halbe
Stunde, ehe wir ihre Ansprüche hinsichtlich des Führerlohnesauf das, was die Ge¬
wohnheit als Recht festgestellt hat, das heißt, auf einen Thaler für den Mann,
herabgehandelt hatten. Wie früher verlangten sie beim ersten Ausruhen auf
der Hülste des Weges erst schmeichelnd, dann ungestüm ein Extrabakschisch.
Wie früher wiederholte sich das bei der zweiten Raststelle und bei der dritten.
„Was geben Sie, wenn Araber laufen in fünf Minuten Pyramid auf, Py-
ramid ab?" fragte das eine Roß, das mich zog. „Was geben Sie, wenn
Araber Hurrah schrein für Chowadschi. wenn oben stehn?" erkundigte sich, den
Kopf auf die Seite gelegt und das eine Auge zukneifend, der andere Gaul.
„Mich nicht vergessen, o Chowadschi, ich armer Mann, o so arm, und du
reicher Lord!" stöhnte kläglich der dritte, dem das Amt des Schiebens zuge¬
fallen war. Oben wurde das alles wiederholt. Unbegehrt wurde das an¬
gebotene Hurrah auf uns ausgebracht, und nachdem es honorirt worden, noch
eins für jeden einzelnen von uns. Einer bot mir an, auch „das Geheimniß
meines Hauses" d. h. meine Frau mit einem Hurrah zu ehren, ein anderer
meinte, ich solle wenigstens meiner Mutter eins gönnen. Ein Knabe brachte
Wasser um Backschisch, ein zweiter stellte sich, den gleichen Zweck im Auge,
mit Hammer und Meißel ein. damit der Chowadschi seinen Namen in den
großen Kalender der Kiselacks eintragen könnte, in den die Thorheit der Rei¬
senden den Gipfel der Pyramide verwandelt hatte. Endlich kam noch ein
steinalter Derwisch keuchend heraufgeklettert, der für das Bakschisch, welches
er beanspruchte, nichts als sein ungewöhnlich verwittertes Aussehn und den
Einfall zu bieten hatte, sich auf dieser Höhe ein Almosen zu holen.
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